'Was sollen wir sagen?' Wie Frankreichs Bischöfe mit den 'Gelbwesten' umgehen

1. Dezember 2018: Mit Tränengas geht die Polizei gegen Demonstranten der "Gelbwesten"-Bewegung am Pariser Triumphbogen vor
Alexandros Michailidis / Shutterstock

Wie steht die katholische Kirche in Frankreich zu den Protesten und Forderungen der Bewegung der "Gelbwesten"? Die Bischöfe des Landes haben vorsichtig bis zögerlich reagiert, während die Regierung von Präsident Emmanuel Macron inzwischen Zugeständnisse macht.

Es sind die massivsten Aufstände seit 1968: Nach tagelangen, bisweilen gewaltsamen Demonstrationen und Protesten des Mouvement des Gilets jaunes hat Paris die umstrittene "Öko-Steuer" auf Benzin und Diesel ausgesetzt. Der französische Premierminister Edouard Philippe kündigte an, dass die Regierung die Einführung für sechs Monate verschiebe.

Die geplanten Erhöhungen, die ursprünglich im Januar in Kraft treten sollten, standen im Mittelpunkt von zweiwöchigen Demonstrationen im ganzen Land, darunter Unruhen in Paris. 

Die meisten Franzosen - Umfragen sprechen von bis zu drei Viertel der Bevölkerung - sympathisieren mit der Bewegung.

Bischof im Indischen Ozean

Und die Bischöfe? Sie drücken einerseits Verständnis für die Proteste der Bürger aus. Eine klare Unterstützung der "Gelbwesten" gab es durch die Kirchenmänner jedoch nicht. 

Bemerkenswert: Ausgerechnet Bischof Gilbert Aubry wurde dabei deutlich. Er ist Oberhirte auf der kleinen Insel Réunion tief im Indischen Ozean. Auch dieses französische Territorium war von Protesten betroffen.

In einem Artikel, der in den lokalen Medien veröffentlicht wurde, sagt Bischof Aubry, dass Gewalt zwar inakzeptabel sei, aber das allgemeine Wirtschaftsklima berücksichtigt werden müsse.

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"Ganze 40% unserer Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, und wir haben 24% Arbeitslosigkeit. Einige sagen, dass sie am Ende des Monats nichts zu essen haben. Das ist die Realität der Menschen", schrieb Aubery bereits im November.

Die geplante Steuer, die eine weitere Steuererhöhung von 6,5 Cent auf einen Liter Diesel und 2,5 Cent pro Liter auf Benzin  bedeutet hätte, ist die jüngste in Folge von Preiserhöhungen, bei denen die Kraftstoffkosten im vergangenen Jahr um rund 23 Prozent gestiegen sind. Ab Januar sollten auch strengere Abgasnormen für Pkw eingeführt werden. 

Aubry schlägt vor, dass die Gewalt, die sowohl auf der Insel als auch auf dem französischen Festland zu beobachten ist, zum Teil mit einer Konsumgesellschaft zu tun habe, in der Menschen, die sich bereits in einer angespannten wirtschaftlichen Situation befinden, auf Bilder von unerreichbarem Wohlstand reagieren.

"Die konsumorientierte Gesellschaft wird durch Werbung verschärft. Da gespiegelte Träume nicht verwirklicht werden können, gibt es nichts mehr zu verlieren. Diese Casseurs, sie werden die Symbole dieser konsumorientierten Gesellschaft angreifen: Autos und Konsumtempel."

Während er die Gewalt verurteilte, fordert der Bischof, dass über die zugrunde liegenden Ursachen nachgedacht werden müsse.

"Wir verurteilen die zerstörerische Gewalt, die Unruhen, und dabei müssen wir nach den Ursachen dieser Gewalt sowie nach den notwendigen Mitteln suchen", schreibt Aubry.

Laut einem Artikel der Zeitung "La Croix" befinden sich viele Bischöfe und katholische Gruppen in der Zwickmühle zwischen der Verurteilung der zum Teil außer Kontrolle geratenen Proteste, während sie gleichzeitig Sympathie für den Widerstand gegen unmenschlichen wirtschaftlichen Druck haben, der als "grüne" Politik durchgesetzt werden soll.

"Es besteht ein gewisser Druck auf die Bischöfe, eine Position zu den gelben Westen einzunehmen. Aber was sollen wir sagen?" zitiert die Zeitung Bischof Xavier Malle von Gap und Embrun.

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Im gleichen Artikel wird Jérôme Deschard, Präsident der Christlichen Rentnerbewegung, zitiert, der ein vorsichtiges Maß an "Solidarität" mit den Demonstranten zum Ausdruck bringt und die allgemeinen Bedenken über den Rückgang der Kaufkraft für Menschen mit niedrigem Einkommen teilt.

Es geht nicht nur um "Konsum"

Die Gelbwesten - benannt nach den Sicherheitswesten, die Autofahrer dabei haben müssen - kämpfen seit Mitte November nicht nur gegen die soziale Not; es geht nicht nur um Benzinpreise oder dem Wunsch nach mehr Kaufkraft: Die Gelbwesten haben kein klares Profil, fordern viele unterschiedliche Dinge, unter anderem mehr Mittel für die Polizei und eine bessere Integration von Migranten. Dabei spielt der umstrittene "Migrationspakt" auch eine wichtige Rolle. Außerdem sollen Schulen und Krankenhäuser mehr Geld bekommen, Energiekonzerne wieder verstaatlicht werden.

Auch wenn die Forderungen so unterschiedlich sind, wie die Bewegung eine heterogene ist: All dies sind Themen, die in der christlichen Soziallehre verankert sind, so Beobachter. Die Kirche könnte also eine klare Rolle spielen.

Worüber sich viele heterodoxe wie orthodoxe Katholiken zudem einig sind: Einen klaren Umgang mit den Unruhen der 1968er und deren Folgen hat die Kirche kaum gefunden: Das zeigt nicht zuletzt die Kirchenkrise. Kann die Kirche aus den damaligen Fehlern und Lektionen für heute lernen? 

Die Regierung in Paris will nun mit der Protestbewegung verhandeln - wie auch Frankreichs Gesellschaft insgesamt damit einen Umgang finden muss. Ob und wie die Bischöfe und andere Kirchenvertreter dabei eine sinnvolle Rolle spielen, wird sich zeigen.

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