"Die Jugend ist kein Wartezimmer": Franziskus zum Abschluss des WJT

Bischof Stefan Oster zieht positive Bilanz: "War überwältigend" - Der nächste Jugendtag findet 2022 in Lissabon statt

Abschlussmesse des Weltjugendtages in Panama am 27. Januar 2019
Abschlussmesse des Weltjugendtages in Panama am 27. Januar 2019
David Ramos / CNA Deutsch
Papst Franziskus bei der Predigt am 27. Januar 2019 am Campo San Juan Pablo II in Panama
Papst Franziskus bei der Predigt am 27. Januar 2019 am Campo San Juan Pablo II in Panama
Daniel Ibanez / CNA Deutsch

Die Jugend ist kein Wartezimmer: Zum Abschluss des Weltjugendtages hat Papst Franziskus über die die Gegenwart Jesu im Leben eines jeden Gläubigen gepredigt und die Jugendlichen erneut ermutigt, ihr Leben nach dem Vorbild der Muttergottes auszurichten. Indessen zog Bischof Oster aus Passau eine positive Bilanz des Weltjugendtages aus seiner Sicht: Die "überwältigende" Erfahrung, die erlebte Gastfreundschaft und Völkerverständigung dürften auch dazu beitragen, dass die deutschen Pilger später keine "Rassisten oder Nationalisten" werden.

Nach offiziellen Angaben waren es über 700.000 Pilger, die an der Feier der heiligen Messe im Metro Park von Panama teilnahmen, der auch als Campo San Juan Pablo II bezeichnet wurde – darunter grob geschätzt etwa 3.000 Besucher aus deutschsprachigen Ländern.

Papst Franziskus wandte sich direkt an die Jugendlichen und ermutigte sie, nicht zu meinen, "dass eure Sendung, eure Berufung, ja selbst euer Leben eine Verheißung ist, die nur für die Zukunft gilt und nichts mit eurer Gegenwart zu tun hat. Als ob jung zu sein gleichbedeutend wäre mit 'Wartezimmer' für jemanden, der auf seinen Termin wartet".

Der Papst betonte: "Häufig verhalten wir uns wie die Bewohner von Nazaret, wir ziehen einen Gott auf Distanz vor: schön, gut, großzügig, aber fern, so dass er nicht unbequem wird. Weil ein naher Gott im Alltag, der Freund und Bruder ist, von uns verlangt, Nähe, Alltäglichkeit und vor allem Geschwisterlichkeit zu lernen. Gott ist wirklich, weil die Liebe wirklich ist, Gott ist konkret, weil auch die Liebe konkret ist".

Wie bei jeder Gelegenheit an diesem marianisch orientierten Weltjugendtag forderte Franziskus die jungen Katholiken auf, sich als Vorbild dafür, wie man so lebt, die Gottesmutter zu nehmen:

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"All diese Tage über hat uns auf besondere Weise wie eine Hintergrundmusik das Wort Marias 'Mir geschehe' begleitet. Sie hat nicht nur an Gott und an seine Verheißungen als etwas Mögliches geglaubt, sie hat Gott geglaubt und den Mut gehabt, 'Ja' zu sagen, um an diesem Jetzt des Herrn teilzunehmen. Sie hat gespürt, eine Mission zu haben, sie hat sich verliebt und dies hat alles entschieden."

Abschliessend fragte der Papst die Pilger: "Wollt ihr die Konkretheit seiner Liebe leben? Euer 'Ja' möge weiterhin das Eingangstor sein, auf dass der Heilige Geist der Welt und der Kirche ein neues Pfingsten schenke".

Oster: "Unmöglich, Rassisten zu werden"

Als "überwältigendes Erlebnis" für die 2.300 Pilger aus Deutschland beschrieb Bischof Stefan Oster von Passau den Weltjugendtag. Der Vorsitzende der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz war einer von zehn Bischöfen, die aus Deutschland nach Panama geflogen waren.

"Unsere deutschen Jugendlichen haben hier realisiert: Gelebter Glaube und gelebtes Engagement sind nicht voneinander zu trennen. Wenn sie mit dieser Erfahrung der Völkerverständigung und als Brückenbauer heimgehen, ist es ziemlich unmöglich, dass aus ihnen beispielsweise später einmal Nationalisten oder gar Rassisten werden", so Oster.

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Der bayerische Oberhirte erklärte laut einer Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) auch, die jungen Pilger aus Deutschland hätten "die großartige Gastfreundschaft gespürt, die überschwängliche Freude und die von gläubiger, jugendlicher Begeisterung erfüllte Atmosphäre."

Mit Blick auf die Katechsen, welche die 10 mitgereisten Bischöfe für die deutschen Pilger hielten, erklärte Oster, bei diesen sei es um die Frage der Berufung gegangen.

CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut der Predigt des Papstes in der offiziellen deutschen Übersetzung, wie ihn der Vatikan zur Verfügung gestellt hat.

Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (Lk 4,20-21).

So stellt uns das Evangelium den Beginn der öffentlichen Mission Jesu dar. Es schildert das Ereignis in der Synagoge seines Heimatortes, umgeben von Bekannten und Nachbarn und - wer weiß - vielleicht auch von manchen "Katecheten" aus der Kindheit, die ihn das Gesetz gelehrt hatten. Ein wichtiger Augenblick im Leben des Meisters, der als Kind im Schoß jener Gemeinschaft erzogen wurde und aufgewachsen war. Er stand nun auf und ergriff das Wort, um den Traum Gottes zu verkünden und umzusetzen. Ein Wort, das bis dahin nur als Zukunftsverheißung verbreitet worden war, das aber im Munde Jesu nur im Präsens gesagt werden konnte, da es zur Gegenwart wurde: »Heute hat es sich erfüllt«.

Jesus offenbart das Jetzt Gottes, der uns entgegenkommt, um auch uns aufzurufen, an seinem Jetzt teilzunehmen, in dem den Armen eine frohe Botschaft gebracht, den Gefangenen die Entlassung verkündet und ein Gnadenjahr des Herrn ausgerufen wird (vgl. Lk 4,18-19). Es ist das Jetzt Gottes, das sich durch Jesus gegenwärtig wird. Es erhält ein Gesicht, wird zu Fleisch, zu barmherziger Liebe, die nicht auf ideale oder vollkommene Situationen für ihre Offenbarung wartet. Sie braucht keine Ausreden zu ihrer Realisierung. Er ist die Zeit Gottes. Er macht jede Situation und jeden Raum richtig und geeignet. In Jesus beginnt die verheißene Zukunft und wird lebendig.

Wann? Jetzt. Aber nicht all seine damaligen Zuhörer fühlten sich angesprochen oder aufgerufen. Nicht alle Bewohner von Nazaret waren bereit, an jemanden zu glauben, den sie hatten aufwachsen sehen und sie dazu einlud, einen so sehr ersehnten Traum zu verwirklichen. Im Gegenteil, sie »sagten: Ist das nicht Josefs Sohn?« (Lk 4,22).

Auch uns kann das Gleiche passieren. Nicht immer glauben wir, dass Gott so konkret und im Alltag anwesend sein kann, so nah und wirklich; und noch weniger, dass er sich durch eine bekannte Person, einen Nachbar, einen Freund oder einen Familienangehörigen so gegenwärtig macht und durch sie handelt. Nicht immer glauben wir, dass der Herr uns einladen kann, mit ihm in seinem Reich auf so einfache, aber wirkungsvolle Weise zu arbeiten und uns die Hände schmutzig zu machen. Es kostet uns Überwindung anzunehmen, dass die göttliche Liebe in der Geschichte durch alle ihre schwierigen und ruhmvollen Ereignisse konkret und gleichsam greifbar wird (vgl. BENEDIKT XVI., Katechese, 28. September 2005).

Häufig verhalten wir uns wie die Bewohner von Nazaret, wir ziehen einen Gott auf Distanz vor: schön, gut, großzügig, aber fern, so dass er nicht unbequem wird. Weil ein naher Gott im Alltag, der Freund und Bruder ist, von uns verlangt, Nähe, Alltäglichkeit und vor allem Geschwisterlichkeit zu lernen. Gott ist wirklich, weil die Liebe wirklich ist, Gott ist konkret, weil auch die Liebe konkret ist. Und es ist genau diese Konkretheit der Liebe, die eines der wesentlichen Elemente für das Leben der Christen ist (vgl. DERS., Predigt, 1 März 2006).

Auch wir können den gleichen Risiken wie die Menschen in Nazaret ausgesetzt sein, wenn in unseren Gemeinschaften das Evangelium zu konkretem Leben werden will und wir anfangen zu sagen: "Aber sind diese Jungen nicht Söhne von Maria, von Josef und sind sie nicht Brüder von?... Sind diese nicht die Jungen, denen wir geholfen haben, aufzuwachsen?... War der da nicht derjenige, der immer die Fenster mit seinem Ball einschlug?". Und einer, der geboren wurde, um Prophetie und Verkündigung des Reiches Gottes zu verkörpern, wird gezähmt und verkümmert in seiner schlimmsten Ausführung. Das Wort Gottes zähmen zu wollen, ist eine Sache, die tagtäglich vorkommt.

Und auch euch, liebe junge Freunde, kann das Gleiche passieren; jedes Mal, wenn ihr denkt, dass eure Sendung, eure Berufung, ja selbst euer Leben eine Verheißung ist, die nur für die Zukunft gilt und nichts mit eurer Gegenwart zu tun hat. Als ob jung zu sein gleichbedeutend wäre mit "Wartezimmer" für jemanden, der auf seinen Termin wartet. Und in der "Zwischenzeit" bis zu diesem Termin erfinden wir für euch oder ihr selbst erfindet eine hygienisch gut verpackte und folgenlose Zukunft, die gut aufgebaut und in der alles gewährleistet und "gut abgesichert" ist. Das ist die "Vortäuschung" der Freude. So "beruhigen" wir euch und schläfern euch ein, damit ihr keinen Krach macht, damit ihr euch selbst und den anderen keine Fragen stellt, damit ihr euch selbst und die anderen nicht zur Diskussion stellt; und in dieser "Zwischenzeit" verblassen eure Träume, sie beginnen einzuschlafen und werden zu flachen, kleinen, traurigen "Illusionen" (vgl. Predigt am Palmsonntag, 25. März 2018), nur weil wir meinen oder ihr meint, dass euer Jetzt noch nicht gekommen ist; dass ihr zu jung seid, um euch beim Träumen und Aufbau des Morgen einzubringen. 

Eine der Früchte der kürzlich abgehaltenen Synode war der Reichtum, uns treffen und vor allem uns zuhören zu können. Der Reichtum des generationenübergreifenden Zuhörens, der Reichtum des Austausches und der Wert anzuerkennen, dass die einen auf die anderen angewiesen sind, dass wir uns bemühen müssen, die Kanäle und Räume zu fördern, in denen wir uns beim Träumen und Aufbau des Morgen schon von heute an einbringen können. Aber nicht isoliert, sondern vereint, indem wir einen gemeinsamen Raum schaffen. Einen Raum, der nicht verschenkt wird und den wir nicht in der Lotterie gewinnen, sondern einen Raum, für den auch ihr kämpfen müsst.

Denn, liebe junge Freunde, ihr seid nicht die Zukunft, sondern das Jetzt Gottes. Er versammelt euch und ruft euch in euren Gemeinschaften und Städten dazu auf, nach den Großeltern, nach den Erwachsenen Ausschau zu halten; aufzustehen und zusammen mit ihnen das Wort zu ergreifen und den Traum zu verwirklichen, mit dem der Herr euch geträumt hat. 

Nicht morgen, sondern heute; denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz (vgl. Mt 6,21). Und das, worin ihr verliebt seid, wird nicht nur eure Vorstellungskraft erobern, sondern es wird alles einbeziehen. Es wird das sein, was euch am Morgen zum Aufstehen bringt und euch in den Augenblicken der Ermüdung anspornt, was euch das Herz zerreißen wird und euch mit Staunen, Freude und Dankbarkeit erfüllen wird. Spürt, eine Mission zu haben und verliebt euch in sie, und davon wird alles abhängen (vgl. PEDRO ARRUPE, SJ, Nada es más práctico). Wir werden alles haben können, aber wenn die Leidenschaft der Liebe fehlt, wird alles fehlen. Lassen wir zu, dass der Herr uns zum Verlieben bringt! 

Für Jesus gibt es keine "Zwischenzeit", sondern barmherzige Liebe, die ins Herz eindringen und es erobern will. Er will unser Schatz sein, weil er nicht eine "Zwischenzeit" in unserem Leben oder eine vorübergehende Mode ist, er ist hingebungsvolle Liebe, die zur Hingabe einlädt. 

Er ist konkrete, nahe, wirkliche Liebe; er ist festliche Freude, die entsteht, wenn man sich dafür entscheidet, am wunderbaren Fischfang der Hoffnung und der Liebe, der Solidarität und der Geschwisterlichkeit teilzunehmen angesichts so vieler gelähmter und lähmender Blicke aufgrund der Ängste und des Ausschlusses, der Spekulation und der Manipulation. 

Brüder und Schwestern, der Herr und seine Sendung sind nicht eine "Zwischenzeit" in unserem Leben, etwas Vorübergehendes: Sie sind unser Leben!

All diese Tage über hat uns auf besondere Weise wie eine Hintergrundmusik das Wort Marias "Mir geschehe" begleitet. Sie hat nicht nur an Gott und an seine Verheißungen als etwas Mögliches geglaubt, sie hat Gott geglaubt und den Mut gehabt, "ja" zu sagen, um an diesem Jetzt des Herrn teilzunehmen. Sie hat gespürt, eine Mission zu haben, sie hat sich verliebt und dies hat alles entschieden. 

Wie es in der Synagoge von Nazaret geschehen ist, steht der Herr mitten unter uns, seinen Freunden und Bekannten, erneut auf, nimmt das Buch und sagt uns: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (Lk 4,21).

Wollt ihr die Konkretheit seiner Liebe leben? Euer "Ja" möge weiterhin das Eingangstor sein, auf dass der Heilige Geist der Welt und der Kirche ein neues Pfingsten schenke.

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