Schweizer Wähler stimmen knapp für Burka- und Niqab-Verbot

Schweizer Flagge
Eberhard Grossgasteiger

Die Schweizer Wähler haben ein Verbot religiöser Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit landesweit knapp angenommen. Obwohl der Schritt nur eine kleine Minderheit muslimischer Frauen betreffen wird, äußerten Kritiker Bedenken: Sie warnen vor negativen Auswirkungen auf die Religionsfreiheit und die Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten.

Laut Schweizer Radio und Fernsehen SRF stimmten am Sonntag 51,2 Prozent für ein Verhüllungsverbot und 48,8 Prozent dagegen. Das Verbot der Gesichtsverhüllung an öffentlichen Orten erwähnt den Islam nicht direkt, wurde aber als "Burka-Verbot" dargestellt. Es würde auch Demonstranten betreffen, die Skimasken und Kopftücher tragen. Ausgenommen von dem Verbot sind religiöse Einrichtungen, Gesichtsbedeckungen aus gesundheitlichen Gründen und Masken, die bei traditionellen Karnevalsfeiern verwendet werden.

Die Behörden müssen den Volksentscheid innerhalb von zwei Jahren mit einem Gesetz umsetzen, berichtet die "Catholic News Agency", die englischsprachige Schwesteragentur von CNA Deutsch.  

Etwa 5 Prozent der 8,6 Millionen Einwohner der Schweiz sind Muslime. Die meisten haben ihre Wurzeln in der Türkei, Bosnien und dem Kosovo, berichtete BBC News. Fast keine muslimischen Frauen in der Schweiz tragen eine Burka, eine Ganzkörperverhüllung, die ein Netzgewebe verwendet, um die Augen zu bedecken. Vielleicht 30 Frauen im Land tragen den Niqab, der das Gesicht verhüllt, aber die Augen sichtbar lässt.

Zu den Gegnern der Maßnahme gehörten große religiöse Gruppen. Der Schweizerische Rat der Religionen veröffentlichte am 25. Januar eine Erklärung gegen die Maßnahme, die von der Schweizer Bischofskonferenz unterstützt wurde.

"Die Initiative behauptet, die öffentliche Sicherheit stärken zu wollen. In Wirklichkeit richtet sie sich aber gegen eine winzige Minderheit der Bevölkerung. Die Initiative löst kein Problem, weder für die betroffenen Frauen noch als Antwort auf die Herausforderungen, die radikale religiöse Ideologien in unserer Gesellschaft darstellen", so der Religionsrat.

Laut einer Meldung des Portals "Kath.ch" kritisierte der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) das Verhüllungsverbot in der Schweiz. Die sei ein Angriff auf das Menschenrecht der Religionsfreiheit, sagte der Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: "Der Hauptgrund solcher populistischen Bewegungen ist eine schweizerische Urangst: Es ist die Angst vor dem Fremden, es geht gegen Flüchtlinge, Migranten und in der Schweiz lebende religiöse Minderheiten".

Die Schweizerische Volkspartei, die die Maßnahme unterstützte, bezeichnete sie als "ein starkes Symbol im Kampf gegen den radikalen politischen Islam".

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"Die Burka schafft eine Barriere zwischen der Trägerin und der Umwelt und verhindert so die Integration in die Gesellschaft", sagte der Präsident der Partei, Marco Chiesa, laut NPR News.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist derzeit die stärkste Kraft im Parlament. Das Komitee hinter dem Vermummungsverbot, das sogenannte Egerkingen-Komitee, wurde von dem Schweizer Volkspartei-Gesetzgeber Walter Wobmann geleitet, der 2009 einen erfolgreichen Vorschlag zum Verbot des Baus neuer Minarette einbrachte, berichtet die Associated Press.

Eine führende muslimische Gruppe warf ihm vor, er sei durch anti-islamische Gefühle motiviert.

"Die heutige Entscheidung öffnet alte Wunden, baut das Prinzip der rechtlichen Ungleichheit weiter aus und sendet ein klares Signal der Ausgrenzung an die muslimische Minderheit", sagte der Zentralrat der Muslime, eine Schweizer Gruppe, die plant, die Maßnahme vor Gericht anzufechten.

Einige Muslime, die die Kleidung ablehnen, unterstützten jedoch das Verbot.

Die Schweizer Regierung sprach sich gegen die Maßnahme aus und sagte, dies solle regional gehandhabt werden. Sie sagten, das Verbot würde dem Tourismus schaden, da die meisten Frauen, die solche Kleidung tragen, Besucher aus den wohlhabenden Golfstaaten sind, berichtet die Associated Press. Zwei Regionen verbieten bereits solche Bedeckungen.

Die Landeshauptstadt Bern und die drei größten Städte des Landes sprachen sich gegen den Vorschlag aus, ebenso wie die Wähler in mehreren wichtigen Touristenzielen.

Frankreich, Dänemark, die Niederlande und Österreich haben die Verhüllung bereits verboten. Im Februar 2020 kippte ein deutsches Gericht das Niqab-Verbot an einer Schule mit der Begründung, dass das Gesetz in Hamburg es den Behörden nicht erlaube, ein solches Verbot umzusetzen.

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Die Stellungnahme des Rates der Religionen zum Schweizer Vorschlag betonte die Bedeutung der Religionsfreiheit, auch bei der Kleidung. Jede Regelung dieser Freiheit müsse "ein überwiegendes öffentliches Interesse" haben oder im Namen des "Schutzes der Religionsfreiheit anderer" erfolgen.

Es sei "unverhältnismäßig", ein verfassungsrechtliches Verbot für die wenigen vollverschleierten Frauen in der Schweiz zu erlassen, sagte der Rat und fügte hinzu, dass religiöse Motive für Gesichtsverschleierungen nicht vergleichbar seien mit Gesichtsverschleierungen, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Das Verbot würde für die betroffenen Frauen "ein schwieriges Dilemma" schaffen.

"Sie wären einem doppelten Gebot ausgesetzt: einerseits dem religiösen Gebot, den Kopf zu bedecken, und andererseits der staatlichen Verpflichtung, den Kopf zu entblößen", heißt es in der Stellungnahme.

"Die Initiative behauptet, die öffentliche Sicherheit stärken zu wollen. In Wirklichkeit richtet sie sich aber gegen eine winzige Minderheit in der Bevölkerung. Die Initiative löst kein Problem, weder für die betroffenen Frauen noch als Antwort auf die Herausforderungen durch radikale religiöse Ideologien in unserer Gesellschaft", heißt es in der Erklärung weiter.

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