Kardinal Kasper zum "Synodalen Weg": Der Bischof "bezeugt und bewahrt das Evangelium"

Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper in der Kirche Sancti Bartholomaei in Insula in Rom im April 2015.
CNA/Petrik Bohumil

„Die Macht, Ohnmacht und Vollmacht eines Bischofs – Was darf ein Bischof delegieren?“ So lautete das Thema eines Online-Vortrags von Kardinal Walter Kasper, emeritierter Kurienbischof in Rom. Den Anlass bildete der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland, dessen zweite Vollversammlung kürzlich stattfand. Eingeladen hatte der Arbeitskreis Christliche Anthropologie. Fünf Referenten und mehr als 400 Interessierte nahmen am 7. November an dem Online-Studientag teil.

Der Synodale Weg ist umstritten. Der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nannte ihn einen „Prozess eigener Art“ („Prozess sui generis“). Kardinal Walter Kasper hatte bereits vor einiger Zeit von einem „Geburtsfehler“ gesprochen.

Seine grundsätzliche Kritik erläuterte der emeritierte Kurienbischof beim Studientag. Im ersten von insgesamt vier Themenbereichen des Synodalen Weges geht es um „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“.

Warum Macht und Gewaltenteilung keine Begriffe der Theologie seien, begründete der römische Kardinal mit dem Hinweis auf die Fußwaschung Jesu, der den Apostel ein anschauliches Beispiel gab für den Dienstauftrag, den sie zu erfüllen haben. Auch das Bild, das Paulus im ersten Korintherbrief vom mystischen Leib Jesu zeichnet, stellt das Aufeinander-Angewiesensein innerhalb der Kirche heraus: „Alle Getauften nehmen an der einen Sendung der Kirche teil, doch jedes Glied entsprechend seiner Geistesgabe, seiner Berufung und seiner Sendung. Es besteht also eine Gleichheit des Geistes, aber eine Gleichheit in der Mannigfaltigkeit der Geistesgaben, Berufungen und Sendungen.“ Die Gleichheit aller in der Kirche sei demnach keine abstrakte Gleichheit. „Nicht einer kann alles, auch nicht der Papst und der Bischof, aber es können auch nicht alle alles, und nicht jeder kann jedes. Alles können nur alle, und die Einheit aller ist ein Ganzes.“ Am Pfingsttag sei der Heilige Geist über alle Gläubigen ausgegossen worden. Mit der Taufe hätten alle Gläubigen Anteil am gemeinsamen Priestertum. Laien könnten viele Leitungsaufgaben übernehmen. Die Forderung nach einer angemessenen Beteiligung der Frauen sei berechtigt. 

Die Grundfrage an den synodalen Text laute: „Wahrt er den Vorrang der Volk-Gottes-Eigenschaft? Oder tritt anderes – also Soziologie, Politologie und Humanwissenschaften – an die erste Stelle? Gibt es eine Unterscheidung des Christlichen?“

Die Kirche sei das Volk Gottes des Neuen Bundes, das zusammenkomme, „um zu hören, was Gott schenkt und was er von uns will“. Kardinal Kasper: „Jesus sendet die Apostel aus, die er sich selbst ausgesucht hat. Sie sollen allen das Evangelium verkünden, und er verheisst dazu den Heiligen Geist. Diese Sendung dauert bis an das Ende der Welt. Heutige Bischöfe sind keine neuen Apostel, sie üben als Nachfolger ein apostolisches Amt aus.“ Sie seien an das überlieferte Evangelium gebunden. Das Amt der Bischöfe entstamme also nicht der „Basis“, sondern der apostolischen Sendung, die bei der Bischofsweihe durch die Handauflegung und das Gebet übertragen werde. Dabei leiste der Bischof das Versprechen, das Evangelium zu verkünden und nicht verfälschen zu lassen. Ein Bischof bezeuge und bewahre das Evangelium. Dazu werde ihm zeichenhaft bei der Weihe die Heilige Schrift auf die Schulter gelegt. Er sei beauftragt, zu evangelisieren und die von Jesus Christus begründete Identität weiterzutragen. „Die Bischofsweihe nimmt die ganze Person in Anspruch. Sie übermittelt keinen zeitlich begrenzten Job, den man, wenn es brenzlig wird, gleichsam an den Nagel hängen kann.“

An dieser Stelle folgt eine deutliche Kritik: „Es war die Ursünde des Synodalen Wegs, dass er die Einladung von Papst Franziskus, vom Grundauftrag der Evangelisierung auszugehen, beiseite gelegt und damit faktisch nachgeordnete Kriterien in den Vordergrund gerückt hat. Rein formal hat er das Bischofsamt nicht aufgegeben, er hat es aber in seinem Wesen entkernt. Aufs Ganze gesehen ist der Bischof nach dem synodalen Text nicht viel anderes als ein auf Zeit gewählter und jederzeit abwählbarer Vorsitzender eines Aufsichtsrats."

Kardinal Kasper fragte nach dem Interesse des Synodalen Weges: „Will er die Kirche in der Demokratie heimisch machen oder umgekehrt die Demokratie in der Kirche?“ Es gehe offenbar darum, eine Art demokratische Machtkontrolle in der Kirche einzurichten. Es sei ein grundsätzlich berechtigtes Anliegen des Synodalen Wegs, die Verwirklichung der Wende fortzuentwickeln, die das II. Vatikanische Konzil (1962-65) vollzogen habe – von einer von Klerikern dominierten Kirche zur Kirche, die sich als Volk Gottes verstehe, von einer Betreuungskirche zu einer Beteiligungskirche aller. 

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„Auch heute, mehr als 50 Jahren nach dem Ende des Konzils, hat sich diese Wende noch nicht voll durchgesetzt.“ Dabei könne die Kirche auch von der demokratischen Ordnung lernen. Kardinal Walter Kasper: „Sie muss das sogar, falls dies ihrer eigenen Ordnung dienlich ist.“ Sie könne es jedoch nur in dem Maß, in dem es ihre eigene Wesensordnung erlaube. Die „Zeichen der Zeit“, die das Konzil in ihrer Bedeutung betonte, seien „keine neue Offenbarung, sondern erhalten vom Evangelium her ihre Deutung“, so Kardinal Kasper. 

Als beispielhafte Aussage des Neuen Testamentes zur Wesensordnung der Kirche nannte Kardinal Walter Kasper einen Vers aus der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium: „Euch aber muss es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ Das Volk Gottes komme nicht zusammen, um über seine eigenen Anliegen und Probleme zu entscheiden, sondern um zu hören, was Gott entschieden hat und was er von uns will.“ Die von Gott gegebene Volk-Gottes-Ordnung habe Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten.

Synodale Elemente findet der emeritierte römische Kurienbischof bereits in der frühen Kirche. Die Apostelgeschichte bezeuge, wie bei wichtigen Anlässen die Gemeinde beteiligt wurde. Auch damals sei es nicht ohne heftige Auseinandersetzungen gegangen. Im Ergebnis hieß es dann: „Der Hl. Geist und wir haben beschlossen…“, wodurch der besondere Charakter eines gemeinsamen Weges in der Versammlung zum Ausdruck komme, nämlich im Hören darauf, was von Gott komme. Deshalb dürfe eine Synode nicht mit einem Parlament verwechselt werden, das um Mehrheitsentscheidungen ringe. Sie suche konsensorientiert eine einmütige Antwort, die als Zeichen des Hl. Geistes verstanden werde. 

Kardinal Walter Kasper: „Eine Synode soll also nicht eine Minderheit ohne seriösen Austausch der Argumente niederstimmen und abschmettern, wie es bei der letzten Sitzung des Synodalen Wegs geschehen ist. Damit hat sich der Synodale Weg selbst zur Farce einer Synode gemacht.“

Das Wort „Hierarchie“ leite sich aus der altgriechischen Ursprungsbedeutung ab, welche nicht die Herrschaft der Hierarchen, sondern des Heiligen Geistes bezeichne. „Die Macht geht weder vom Volk aus noch ist der Bischof Herr der Synode.“ Hierarchie sei kein Privileg, sondern bringe vielmehr den Bischof, der für die apostolische Lehre eintrete, ins Schussfeld der Kritik. „Wer der Erste sein will, soll der Diener aller sein“, zitierte Kardinal Walter Kasper das Neue Testament. Leiten heiße nicht kommandieren, diktieren, regieren. „Leiten heißt inspirieren, motivieren, den Geist des Evangeliums exemplarisch vorleben.“ Der 1. Petrusbrief mahne: „Seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde.“

Sicher bedürfe es dazu immer wieder einer gründlichen Reform der bestehenden Strukturen. „Auf diözesaner Ebene ist die Einrichtung synodaler Strukturen schon heute möglich. In manchen Diözesen gibt es dafür schon seit langem gute Ansätze, ohne dass je ein römischer Hahn gekräht hat. Der Synodale Weg sollte sich darum auf das in Deutschland schon heute Mögliche und auch Nötige konzentrieren, statt sich mit Projekten zu befassen, die nur zu neuen Frustrationen führen können.“

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