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Gewissensentscheidungen

Bischof Gerhard Feige

Auf gewisse Weise regiert zwar Corona die bunte Meinungsrepublik Deutschland, aber dennoch scheinen auch die klarsichtigen "Lehrmäßigen Anmerkungen" der Glaubenskongregation zur Interkommunion immer noch für stabile Irritationen zu sorgen. Der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige hat sich in einem Interview mit der KNA zur vatikanischen Absage an eine "Abendmahlsgemeinschaft" geäußert.

Der "Ökumenische Arbeitskreis" halte es für möglich, "evangelische wie katholische Christen auch in der jeweils anderen Kirche kommunizieren könnten". Feige sagt dazu: "Während die vatikanische Intervention das rigoros bestreitet, die evangelische Seite hingegen dazu offen einlädt, erklären die katholischen Vertreter im Kontaktgesprächskreis, dies nicht generell erlauben zu können. Theologisch sei es jedoch zu verantworten, wenn einzelne sich ihrem Gewissen folgend dafür entscheiden. Was gilt also? Neben allen Regeln und Empfehlungen wird es künftig noch mehr auf das Gewissen ankommen, um darauf eine persönliche Antwort zu finden." Zudem meint Feige: "Manches scheint man nicht verstanden zu haben oder verstehen zu wollen. Insgesamt legt sich der Eindruck nahe, dass diese Entgegnung »mit heißer Nadel gestrickt« worden ist." Dagegen wird das ÖAK-Papier als "fundierte theologische Studie" bezeichnet. Die Glaubenskongregation scheint aber nicht so ganz überzeugt gewesen zu sein. Darüber wird gegebenenfalls theologisch zu diskutieren sein.

Mir scheint indessen, dass der Begriff des Gewissens, auf den Bischof Dr. Feige sich beruft, eher dem protestantischen Verständnis nahe zu sein. Was lehrt die Kirche des Herrn über das Gewissen? Wer als Katholik seinem Gewissen folgt, orientiert sich nicht an einem subjektiven Verständnis, sondern am kirchlich gebildeten Gewissen. So ist es auch im Katechismus der katholischen Kirche nachzulesen, Abschnitt 1778: "Das Gewissen ist ein Urteil der Vernunft, in welchem der Mensch erkennt, ob eine konkrete Handlung, die er beabsichtigt, gerade ausführt oder schon getan hat, sittlich gut oder schlecht ist. Bei allem, was er sagt und tut, ist der Mensch verpflichtet, sich genau an das zu halten, wovon er weiß, daß es recht und richtig ist. Durch das Gewissensurteil vernimmt und erkennt der Mensch die Anordnungen des göttlichen Gesetzes. Das Gewissen ist »ein Gesetz des Geistes« und ist darüber hinaus »eine unmittelbare Einsprechung«, die »auch den Begriff der Verantwortlichkeit, der Pflicht, einer Drohung und einer Verheißung in sich schließt. Es ist ein Bote dessen, der sowohl in der Natur als auch in der Gnade hinter einem Schleier zu uns spricht und uns durch seine Stellvertreter lehrt und regiert. Das Gewissen ist der ursprüngliche Statthalter Christi« (J. H. Newman, Brief an den Herzog von Norfolk 5)."

Was der Katechismus feststellt – und auch was der heilige John Henry Newman uns nachdrücklich in Erinnerung ruft –, zeigt, dass der Einzelne zwar zu Meinungen und Entscheidungen gelangen kann, die von der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte abweichen, und dass natürlich auch Kommissionen wie Gelehrte Meinungen haben und aufbringen können.

In Abschnitt 1783 des KKK heißt es: "Das Gewissen muß geformt und das sittliche Urteil erhellt werden. Ein gut gebildetes Gewissen urteilt richtig und wahrhaftig. Es folgt bei seinen Urteilen der Vernunft und richtet sich nach dem wahren Gut, das durch die Weisheit des Schöpfers gewollt ist. Für uns Menschen, die schlechten Einflüssen unterworfen und stets versucht sind, dem eigenen Urteil den Vorzug zu geben und die Lehren der kirchlichen Autorität zurückzuweisen, ist die Gewissenserziehung unerläßlich." Verwiesen sei ebenso auf die Klärungen, die Pater Engelbert Recktenwald über das Gewissen publiziert hat.

Der einstige Anglikaner John Henry Newman konvertierte bekanntlich zur römisch-katholischen Kirche. Wer den Glauben der Kirche heute nicht teilt, als einfacher Weltchrist, kann sich natürlich eine andere Glaubensgemeinschaft suchen. Er sollte aber nicht erwarten, dass sich die römisch-katholische Kirche protestantisch neu erfindet.

Darum bleibt es dabei: Es gibt ein Gewissen, das kirchlich gebildet, und ein Gewissen, das subjektiv von der Richtigkeit scheinbar gut begründeter Ansichten und Meinungen überzeugt ist. Wem letzteres genügt, der mag das Ich und die subjektiv empfundene Gewissenhaftigkeit als Richtschnur seiner Handlungen festsetzen. Wem das nicht genügt, der vertraut auf das kirchlich geformte und gebildete Gewissen. Vom Lehramt geklärt ist dies längst. In episkopaler Klarheit äußerte sich der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zu der Frage der Kommunionreichung für protestantische Ehepartner: "Es ist ein Ausdruck unserer gemeinsamen Wahrhaftigkeit, dass wir keinen unehrlichen Kompromiss anstrebten. … Da ist zunächst die Glaubensüberzeugung von der realen und bleibenden Gegenwart Jesu Christi in den eucharistischen Gestalten. Doch darauf beschränkt sich der Eucharistieglauben nicht. Gerade das Zweite Vatikanische Konzil hat mit neuer Deutlichkeit herausgestellt, dass die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des ganzen kirchlichen Lebens ist. In der Eucharistiefeier wird der gesamte katholische Glauben in verdichteter Form ausgesagt und bekannt. Die Eucharistie ist Ursprung und Quelle der Kirche und ihrer Raum und Zeit übergreifenden Einheit. Es handelt sich nicht um eine gemeinsame Mahlzeit, wo sich jemand ausgeschlossen fühlen muss, wenn er nichts zu essen bekommt."

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