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Analyse: Sind die Änderungen von Papst Franziskus wirklich eine Dezentralisierung?

Der Petersdom in Rom

In seinem Schreiben Evangelii Gaudium brachte Papst Franziskus im Jahr 2013 seinen Wunsch nach einer "gesunden Dezentralisierung" in der katholischen Kirche zum Ausdruck. Er verwendete den Begriff erneut in seinen jüngsten Änderungen des Kirchenrechts sowohl der lateinischen als auch der Ostkirche, die am Dienstag veröffentlicht wurden.

Die folgenschweren Änderungen sind in dem Motu proprio "Assegnare alcune competenze"  ("Zuweisung einiger Kompetenzen") enthalten. Es ist das 49. Motu proprio (buchstäblich "Schreiben aus eigenem Antrieb") in der Amtszeit des argentinischen Pontifex – und allein seit dem 1. Januar bereits das sechste im neuen Jahr, sowie schon das zweite dieser Woche.

Auffällig ist auch, dass diese Änderung des Codex Iuris Canonici derzeit nicht auf Latein vorliegt – was die Umsetzung für das weltweite Kirchenrecht nicht einfacher macht. Ein Umstand, der den Eindruck von Eile erweckt – oder gezielter Absicht, was allerdings weitere Fragen aufwirft, zumal auch das Dekret zur Glaubenskongregation auf Italienisch veröffentlicht wurde – trotz seines lateinischen Titels "Fidem Servare".

"Aus eigenem Antrieb"

Ein Motu Proprio ist ein Dokument, das der Papst buchstäblich "aus eigenem Antrieb" erlässt – ohne Rückbindung oder Ersuchen der eigenen Kurie. Auf diese Weise versucht der Papst offenbar, eine Dezentralisierung zu erreichen – indem er die Entscheidung auf sich selbst zentralisiert hat.

Die Römische Kurie wurde in diesen Dekreten des Papstes nicht eingebunden. Auch der Rat der Ortsbischöfe, die ja von diesen Änderungen betroffen sind, wurde nicht eingeholt.

Eigentlich soll der "Kardinalsrat" für Beratungen zur Verfügung stehen – ein Gremium, das Franziskus am Anfang seiner Amtszeit einrichtete. Seine offizielle Aufgabe ist es, Franziskus bei der Leitung der Kirche zu unterstützen und eine allgemeine Reform der Kurie zu entwerfen.

Tatsächlich hat der Papst aber fast alle Entscheidungen ohne seinen "Kardinalsrat" gefällt, und nicht im Rahmen der Arbeit des Rates entschieden. Die apostolische Konstitution zur Reform der Kurie ist nach jahrelangen Diskussionen immer noch nicht veröffentlicht und offenbar von Entwurf zu Entwurf immer wieder stark verändert worden. Gleichzeitig hat Papst Franziskus in einem Interview im vergangenen September angedeutet, dass die Konstitution bereits fertiggestellt sei.

Die jüngsten Änderungen des Papstes des Kirchenrechts sind einschneidender als die Kurienreform. 

Courtney Mares / CNA Deutsch 

Eine der Änderungen ist die Ersetzung des Wortes einer Approbation, also "Genehmigung", durch "Bestätigung" in bestimmten Abschnitten des Kirchenrechts. Ortsbischöfe können nun die Veröffentlichung von Katechismen, die Einrichtung eines Priesterseminars auf ihrem Gebiet und Richtlinien für die Priesterausbildung genehmigen, die an die "pastoralen Bedürfnisse" der jeweiligen Region angepasst werden können.

Diese Entscheidungen bedürfen nur noch der Bestätigung durch den Apostolischen Stuhl, nicht deren Genehmigung. Das ist eine folgenschwere Änderung von Canon 775 §2, die nicht nur mit Blick auf die brisanten Vorgänge in Deutschland für Spekulationen sorgt.

LINK-TIPP: Wie und warum Papst Franziskus die Glaubenskongregation ändert – Eine Analyse

Darüber hinaus erlaubt der Papst die Inkardination von Priestern in einer bestimmten Kirche oder einem religiösen Institut sowie in einer vom Heiligen Stuhl anerkannten "öffentlichen kirchlichen Vereinigung". Die Exlaustration von Ordensleuten - die Möglichkeit, dass ein Ordensmann oder eine Ordensfrau aus schwerwiegenden Gründen außerhalb ihres Instituts leben darf - wurde von drei auf fünf Jahre verlängert.

Bischof Marco Mellino, Sekretär des Kardinalsrates, erklärte gegenüber der Webseite des Dikasteriums für Kommunikation, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen "Zulassung" und "Bestätigung" durch den Heiligen Stuhl gebe.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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"Die Genehmigung ist die Bestimmung, durch die eine höhere Autorität (in diesem Fall der Heilige Stuhl), nachdem sie die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit eines Aktes einer niedrigeren Autorität geprüft hat, dessen Ausführung erlaubt", sagte er.

"Andererseits ist die Bestätigung die einfache Ratifizierung der höheren Autorität, die der Bestimmung der niedrigeren Autorität größere Autorität verleiht."

"Daraus wird ersichtlich, dass die Genehmigung im Vergleich zur Bestätigung ein größeres Engagement und eine stärkere Beteiligung der höheren Behörde erfordert. Daher ist es klar, dass der Übergang von der Beantragung der Approbation zur Beantragung der Bestätigung nicht nur eine terminologische Veränderung ist, sondern eine wesentliche, die genau in die Richtung der Dezentralisierung geht."

2017 veröffentlichte Papst Franziskus das Motu proprio Magnum Principium, in dem festgelegt wurde, dass Übersetzungen liturgischer Texte, die von nationalen Bischofskonferenzen approbiert wurden, nicht mehr der Revision durch den Apostolischen Stuhl unterliegen sollten, der sie in Zukunft nur noch bestätigen würde.

Der damalige Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kardinal Robert Sarah, stellte damals in einem Vermerk zu diesem Thema fest, dass die neue Gesetzgebung restriktiv ausgelegt wurde, wobei er betonte, dass dies "in keiner Weise die Verantwortung des Heiligen Stuhles und seine Zuständigkeiten in Bezug auf liturgische Übersetzungen verändert".

Aber Anerkennung und Bestätigung, schrieb Papst Franziskus in einem Brief, könnten nicht auf die gleiche Stufe gestellt werden, und in der Tat behauptet Magnum Principium "nicht mehr, dass die Übersetzungen in allen Punkten mit den Normen von Liturgiam authenticam [dem Dokument von 2001, das Kriterien für Übersetzungen festlegt] übereinstimmen müssen, wie es in der Vergangenheit der Fall war."

Der Papst fügte hinzu, dass die Bischofskonferenzen nun die Übersetzungen aus dem Lateinischen beurteilen, wenn auch im Dialog mit dem Heiligen Stuhl. Zuvor war es das Dikasterium, das die Treue zur Lingua Sacra beurteilte und notwendige Korrekturen vorschlug.

Was dabei auffällt, und angesichts der eskalierenden Zahl der Dekrete eine ganze Reihe von Bereichen betrifft: Nicht immer ist die Bischofskonferenz eine verlässliche Stimme der Vielfalt und Realitäten der Ortschbischöfe und regionaler Sensibilitäten.

Dennoch muss die interpretative Feststellung von Papst Franziskus muss auch auf das jüngste Motu Proprio angewendet werden, auch wenn wieder einmal einige wichtige Fragen offen bleiben. 

Vieles wird davon abhängen, wie der Vatikan seine Bestätigungsbefugnis anwendet: ob er sich darauf beschränkt, Entscheidungen zu bestätigen, oder ob er stattdessen direkter auf die Fragen eingeht und verschiedene Anmerkungen macht.

Gleichzeitig werden die Bischofskonferenzen die Garantie der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl bei Entscheidungen verlieren. Sie sind in einigen Entscheidungen autonomer, aber immer abhängig von der Bestätigung durch den Heiligen Stuhl. Sie haben zwar Befugnisse, stehen aber in gewisser Weise unter Vormundschaft.

Indem er die Dezentralisierung befürwortet, möchte Papst Franziskus Sackgassen überwinden, die er als Bischof in Argentinien erlebt hat, und auch die damit verknüpfte Wahrnehmung überwinden, dass Rom zu restriktiv sein könnte und die Sensibilitäten der Ortskirchen nicht schätze.

Andererseits garantiert ein zentralisiertes Gesetz ein Maß an Gerechtigkeit, Gleichgewicht und Einstimmigkeit. Die Gefahr, dass diese Eintracht verloren geht, ist immer gegeben, und aktuell hochbrisant.

Dieser Punkt trat auch auf, als Papst Franziskus die Verfahren für die Nichtigkeit von Ehen änderte – mit zwei weiteren Motu Propriop. Schon damals hatte er also aus eigenem Antrieb den Bischöfen eine Verantwortung auferlegt.

Ein Jahr nach seinen Dekreten Mitis Iudex Dominus Iesus und Mitis et misericors Iesus hielt der Papst eine Rede vor der Römischen Rota, in der er betonte, dass das gestraffte Nichtigkeitsverfahren nicht einem interdiözesanen Gericht anvertraut werden könne, weil dies "die Gestalt des Bischofs, des Vaters, des Hauptes und des Richters seiner Gläubigen" entstellen und ihn "zu einem bloßen Unterzeichner des Urteils" machen würde.

Die Aussage und das Anliegen seiner Dekrete mag gutgemeint gewesen sein. In der Praxis bereitete sie Bischöfen in Gebieten, in denen die interdiözesanen Gerichte weitgehend gut funktionierten, Schwierigkeiten – etwa in Deutschland, Italien und anderen Ländern. Es war daher kein Zufall, dass Papst Franziskus im vergangenen November mit einem weiteren Motu proprio – zu diesem Thema also dann das dritte – ein neues Gremium schuf: Eine päpstliche Kommission, die sicherstellen sollte, dass die Änderungen in Italien umgesetzt werden.

Die Kommission wurde direkt am römischen Rota-Gericht eingerichtet, was darauf hindeutet, dass Papst Franziskus Entscheidungen trifft, die die Autonomie der Ortskirchen begünstigen. Aber paradoxerweise tut er auch dies, indem er alles in seinen Händen zentralisiert.

Zentralisierung auf den Papst – und offene Fragen

Das ist der Modus Operandi, mit dem Papst Franziskus versucht, ein bestehendes System aus den Angeln zu heben und ein neues zu schaffen. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Modus Operandi ist der Ausdruck "gute, sanfte Gewalt", mit dem er wörtlich diese Reformen in einer Ansprache an die Mitglieder der Kommunikationsabteilung des Vatikans im Jahr 2017 beschrieb.

Am Ende dieses Prozesses werden die Bischöfe – oder zumindest manche Bischofskonferenzen – zwar scheinbar autonomer sein, aber auch mehr auf sich allein gestellt, und größeren Risiken ausgesetzt: Ohne einen die Einheit stiftenden Leitfaden besteht die Gefahr, dass jede Teilkirche Entscheidungen an ihr eigenes Territorium anpasst und neue Leitlinien schafft.

Wer garantiert am Ende, dass es nicht zu einer Wiederholung des "Holländischen Katechismus" kommt? Im Jahr 1966 genehmigten die Bischöfe der Niederlande die Veröffentlichung des "Neuen Katechismus: Katholischer Glaube für Erwachsene". Der Text war so umstritten, dass Papst Paul VI. eine Kardinalskommission beauftragte, die Darstellung der katholischen Lehre zu prüfen. Später berief Papst Johannes Paul II. eine Sonderversammlung der Bischofssynode ein, um die durch diese Episode aufgeworfenen Fragen zu erörtern.

Wer garantiert nun, dass die kontroversen Forderungen und "Beschlüsse" des umstrittenen "Synodalen Weges" in Deutschland nicht in die Priesterausbildung der örtlichen Bischofskonferenzen aufgenommen werden? 

Diese Fragen bleiben offen – und harren ebenso einer Beantwortung wie andere ungelöste Knoten.

Wenn der Heilige Stuhl den Prozess der "Bestätigung" mit harten Bandagen angeht, dann hat sich nichts geändert. Wenn er es lockerer sieht, besteht die Gefahr, dass es zu radikalen Unterschieden – ja, sogar Brüchen – zwischen den Teilkirchen kommt. Die katholische Kirche könnte dann einer Föderation von Bischofskonferenzen ähneln, mit ähnlichen Befugnissen und erheblichen Unterschieden - keine Einheit in der Vielfalt mehr, sondern eine Vielfalt, die durch eine gemeinsame Verwaltung ausgeglichen wird.

Übersetzt, ergänzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur. 

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