Redaktion, 19 April, 2024 / 10:54 AM
Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat deutliche Kritik am neuen Ökumene-Papier der Deutschen Bischofskonferenz geübt.
In einem Interview mit Benjamin Leven mit Communio erhebt der „Ökumene-Minister“ von Papst Franziskus schwere Bedenken über das Papier, das in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erstellt wurde.
Leven fragte Koch zunächst nach der Formel „sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit“, die oft im ökumenischen Dialog verwendet wird. Koch erklärte: „Es kann keinen Gegensatz zwischen sichtbarer Einheit und versöhnter Verschiedenheit geben. Das Problem liegt vielmehr darin, dass unter ‚versöhnter Verschiedenheit‘ oft nicht dasselbe verstanden wird. In katholischer Sicht ist versöhnte Verschiedenheit eine Zielbestimmung.“ Er fügte hinzu, dass viele diese heute bereits als Gegenwartsbeschreibung verstehen, was zu Missverständnissen führe.
Über den evangelisch-katholischen Tellerrand schauen
Auf die Frage nach der Bewertung des neuen Dokuments, das den Titel „Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit“ trägt, antwortete Koch: „Ich verstehe nicht, warum in der Ökumene eine solche Relativierung der Zielbestimmung vorgenommen werden soll und man sich allein auf den Prozess konzentrieren will.“ Er bemängelte, dass das Dokument sich zu Zielvorstellungen der Ökumene widersprüchlich äußere und keine klare Aussage darüber treffe, was unter voller Einheit verstanden wird und wie der beschriebene Prozess darauf hinführen kann.
Bezüglich der Einheit der Christen und der Pluralität innerhalb der Kirchen sagte Koch: „Wenn in dem Dokument von Einheit die Rede ist, wird sofort – und mit Recht – relativiert, man verstehe darunter nicht Einheitlichkeit. Wenn jedoch über Vielfalt gesprochen wird, wird nicht vor einem unverbundenen Pluralismus gewarnt.“ Er zitierte Blaise Pascal: „Einheit, die nicht von Vielheit abhängt, ist Diktatur; Vielheit, die nicht von Einheit abhängt, ist Anarchie.“ Koch betonte, dass ein gesundes Gleichgewicht erforderlich sei und dass die Einheit vor allem im Glauben gesucht werden müsse.
Auf die Entwicklung in bioethischen Fragen angesprochen, begrüßte Koch, dass ein Dialog gesucht werde, merkte jedoch an, dass diese Verpflichtung bereits im Jahre 2017 ausgesprochen wurde und bisher nicht immer verwirklicht worden sei. Er hob hervor: „Wenn die christlichen Kirchen über die Grundfragen des menschlichen Lebens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht weithin mit einer Stimme sprechen können, wird die christliche Stimme in den säkularisierten Gesellschaften Europas immer schwächer; und dies dient der Ökumene gewiss nicht.“
Koch schloss mit einer Reflexion über die innerkirchlichen Konflikte und deren Auswirkungen auf das ökumenische Gespräch: „Die Entwicklungen innerhalb unserer Kirche werden auch in der Ökumene wahrgenommen und haben Konsequenzen.“ Er sprach die Hoffnung aus, dass die Ökumene in Deutschland über den evangelisch-katholischen Tellerrand hinausschaut und betonte die Notwendigkeit, die größere Ökumene, einschließlich Orthodoxer, Orientalen und Freikirchen, stärker in den Blick zu nehmen.
Zuletzt aktualisiert am 19. April 2024 um 13:19 Uhr: Die Zeitschrift Communio war zuvor mit einem falschen Namen bezeichnet worden.
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