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Es gibt keine "Selfie"-Berufung: Franziskus an Priester, Ordensleute und Seminaristen

Papst Franziskus bei der Ansprache in der Kathedrale von Santiago de Chile am 16. Januar 2018.

In der übervollen Kathedrale von Santiago de Chile hat Papst Franziskus am heutigen Dienstag zu Priestern, Ordensleuten und Seminaristen gesprochen – und sie an ihren Dienst als Menschen geweihten Lebens erinnert: Dem Ruf Gottes zu folgen, nicht eigenen Interesse – gerade in einer von Skandalen und Schwierigkeiten erschütterten Kirche, in einer vom Relativismus angegriffenen Gegenwart – und im Kampf mit der eigenen Sündhaftigkeit.  

Wie bei einer Weihe wolle er mit den versammelten Geistlichen auch heute sagen: "'Hier sind wir', um unser 'Ja' zu erneuern", so Franziskus.

Anhand dreier Situationen des ersten Papstes – Petrus – sowie der ersten christlichen Gemeinde führte der Pontifex aus, was Berufung bedeute:

"Ich benütze dieses Paar Petrus und Gemeinde, denn das Leben der Apostel hat immer diese doppelte Dimension, eine persönliche und eine gemeinschaftliche. Diese gehören zusammen; wir können sie nicht trennen. Ja, wir sind individuell gerufen, aber immer als Teil einer größeren Gruppe. Es gibt keine „Selfie“-Berufung. Die Berufung erfordert, dass ein anderer dir das Foto macht und das werden wir jetzt tun."

1. Petrus ist niedergeschlagen

"Es hat mir immer der Stil der Evangelien gefallen, die Ereignisse weder auszuschmücken
noch zu vergolden oder schönzufärben. Sie zeigen uns das Leben wie es ist und nicht wie es sein sollte", so Franziskus. Das Evangelium habe keine Angst davor, die schwierigen oder gar konfliktreichen Situationen zu zeigen, die die Jünger durchlebten. So auch die Szene nach der Ermordung Jesu: "Führen wir uns die Szene vor Augen. Sie hatten Jesus getötet; einige Frauen sagten, dass er am Leben sei" (vgl. Lk 24,22-24). 

Auch die Kirche in Chile in der Gegenwart sei auf einer Ebene "niedergeschlagen": Der Papst zitierte Kardinal Ricardo Ezzati, den Erzbischof von Santiago, der gesagt hatte, dass "das priesterliche und gottgeweihte Leben in Chile schwierige Stunden der Unruhe und großer Herausforderungen erlitten" habe. Neben der Treue der großen Mehrheit sei auch "das Unkraut des Bösen und als dessen Folge Skandale und Glaubensabfall" angewachsen.

"Ich kenne den Schmerz, den die Missbrauchsfälle an Minderjährigen bedeutet haben und ich verfolge mit Interesse, was Ihr tut, um dieses schwere und schmerzhafte Übel zu überwinden. Schmerz wegen des Schadens und des Leidens der Opfer und ihrer Familien, die in ihrem Vertrauen betrogen worden sind, das sie in die Diener der Kirche gesetzt hatten. Schmerz wegen des Leidens der kirchlichen Gemeinschaften, aber auch Schmerz für euch, Brüder, die ihr neben den Strapazen eures aufopfernden Dienstes den Schaden durch Misstrauen und Infragestellung erlitten habt, der bei einigen oder gar vielen zu Zweifeln, Angst oder einem Mangel an Vertrauen geführt hat. Ich weiß, dass ihr manchmal in der U-Bahn oder auf der Straße beschimpft worden seid und dass ihr an vielen Orten einen hohen Preis zahlen müsst, wenn ihr Priesterkleidung tragt."

Aus diesem Grund schlage er vor, so Franziskus weiter, "dass wir Gott um die klare Einsicht bitten, die Realität beim Namen zu nennen, um die Kraft um Vergebung zu bitten und um die Fähigkeit zu lernen auf das zu hören, was Er uns sagt".

Außerdem habe sich Chile verändert, und ändere sich weiter: "Wir müssen uns bewusst sein, dass wir oft nicht wissen, mit diesen neuen Situationen umzugehen", sagte der Papst.

Statt sich aber zurückzuziehen, gehe es darum, auch weiter auf dem Weg des Evangeliums, dem Weg der Umkehr - "nicht nur für 'die anderen', sondern auch für uns selbst" hinauszugehen wie die Jünger, die freilich nur mit Jesus wieder mit vollen Netzen ans Ufer kommen.

2. Petrus erfährt Barmherzigkeit

Auch "der temperamentvolle Petrus, der impulsive Führer und Retter, mit einem guten Anteil an
Selbstgenügsamkeit und übergroßen Vertrauen in sich selbst und in seine Fähigkeiten musste seiner Schwäche und Sünde erliegen", sagte Franziskus: Ein Sünder wie die anderen, damals wie heute. Der Sohn Gottes jedoch nimmt sich seiner an: 

"Jesus möchte ihn aus Selbstbezogenheit und Isolation retten. Er möchte ihn vor der zerstörerischen Einstellung retten, sich selbst zu einem Opfer zu machen oder, im Gegenteil, in die Haltung von 'was macht es schon aus' zu verfallen und jegliche Pflicht in der Haltung von schlimmstem Relativismus vernachlässigt".

Jesus schenkt Petrus und allen Menschen, die ihm nachfolgen, sein Erbarmen: "Jesus fragte Petrus nach seiner Liebe und fragt ihn so lange, bis dieser eine realistische Antwort geben konnte: »Herr, du weißt alles, du weißt, dass ich dich liebe« (Joh 21,17). So bestätigte Jesus ihn in seinem Auftrag. So macht er ihn endgültig zu seinem Apostel".

Eine verwundete Kirche könne die Wunden der Welt von heute verstehen, so Papst Franziskus, und sich diese zu eigen machen, sie erleiden, begleiten und zu heilen versuchen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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"Eine Kirche mit Wunden stellt sich nicht in den Mittelpunkt, glaubt nicht, perfekt zu sein; sie stellt den in den Mittelpunkt, der allein ihre Wunden heilen kann und der da heißt: Jesus Christus."

Das Bewusstsein, das man verwundet ist, befreie, so der Papst. Es befreie davon, sich besser als andere zu fühlen, und von der "prometheischen Tendenz derer, die sich letztlich einzig auf die eigenen Kräfte verlassen und sich den anderen überlegen fühlen, weil sie bestimmte Normen einhalten oder weil sie einem gewissen katholischen Stil der Vergangenheit unerschütterlich treu sind", zitierte Franziskus seine Enzyklika Evangelii Gaudium.

In Jesus seien auch die menschlichen Wunden auferstanden, fuhr Franziskus fort, und sagte: 

"Sie machen uns solidarisch; sie helfen, unsere Mauern niederzureißen, die uns in unserem Elitedenken einschließen, und bringen uns dazu, Brücken zu bauen und uns aufzumachen zu den Vielen, die sich nach der barmherzigen Liebe sehnen, die nur Christus geben kann". 

Das Volk Gottes brauche keine Superhelden, es hoffe auf Hirten und Gottgeweihte, die Mitleid haben, die zu helfen wissen, die sich Zeit nehmen für diejenigen, die gefallen sind, und die wie Jesus helfen, aus dem Kreislauf des „Herumkauens“ über die Verzweiflung auszubrechen, der ihre Seele vergiftet, fuhr der Pontifex fort.

3. Petrus wird verklärt

Jesus rufe Petrus zur Unterscheidung auf, sagte Franziskus weiter. "Petrus, der sich geweigert hatte, sich die Füße waschen zu lassen, beginnt zu begreifen, dass wahre Größe aus dem sich Erniedrigen und Dienen stammt".

"Was für eine Pädagogik unseres Herrn! Die prophetische Geste Jesu weist auf die prophetische Kirche hin, die, selber von ihren Sünden reingewaschen, keine Angst hat hinauszugehen, um einer verwundeten Menschheit zu dienen."

Doch dies sei ein Dienst, der nichts mit Wohlfahrtsmentalität oder Bevormundung zu tun hat, betonte der Papst, sondern mit der Bekehrung des Herzens. Die Schwierigkeit bestehe nicht darin, dem Armen Essen zu geben, den Nackten zu bekleiden, den Kranken zu begleiten, sondern sich bewusst zu machen, dass der Arme, der Nackte, der Gefangene, der Obdachlose die Würde besitze, "mit uns an unserem Tisch zu sitzen, sich bei uns 'zu Hause', als Teil der Familie zu fühlen", sagte der Papst.

"Das ist das Zeichen, dass das Himmelreich unter uns ist. Es ist das Zeichen für eine Kirche, die durch die Sünde verwundet vom Herrn Barmherzigkeit erfahren hat und durch den Ruf des Herrn in eine prophetische Kirche verwandelt worden ist."

Die Prophetie zu erneuern bedeute, diese Verpflichtung zu erneuern, nicht auf die ideale Welt, die ideale Gemeinschaft oder den idealen Jünger zu warten, um zu leben oder zu evangelisieren, sondern Bedingungen zu schaffen, damit jede niedergeschlagene Person Jesus begegnen könne.

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