Vatikanstadt, 10 Oktober, 2019 / 8:29 PM
Bischof Wilmar Santin von Itabituba in Brasilien hat erklärt, dass die Kirche im Amazonas-Gebiet daran gearbeitet hat, die Praxis des Infantizids – der Tötung von Kindern – unter indigenen Stämmen des Amazonasgebiets zu beenden.
Vor zwei Tagen hatte der Co-Vorsitzende der Synode, der peruanische Kardinal Pedro Barreto, energisch bestritten, davon auch nur gehört zu haben. Der Jesuitenpater Barreto ist Vizepräsident des panamazonischen Kirchennetzwerks REPAM. Vor Journalisten sagte der Prälat gestern wörtlich im Pressesaal des Vatikans:
"Ich habe noch nie davon gehört", so Pedro Barreto. "Diejenigen, die solche Aussagen machen, müssen Beweise vorlegen."
Am heutigen Donnerstag bestätigte Bischof Santin nun nicht nur die Praxis. Er verglich die Tötung Neugeborener mit dem moralischen Übel der Abtreibung, meldet die Catholic News Agency, die englischsprachige Schwesteragentur von CNA Deutsch. Auch ein weiterer Bischof bestätigt, dass Stämme die Tötung Neugeborenerpraktizieren.
Bischof Santin sagte, dass der Stamm der Munduruku, der in seiner Diözese im Amazonasbecken lebt, traditionell ein kriegerisches Volk sei, das die Köpfe seiner Feinde abschneidet, um sie als Trophäen zu tragen, und Babys mit Behinderungen sterben lässt.
Santin sagte, dass die katholischen Ordensfrauen, die als Krankenschwestern und Lehrerinnen mit den Ureinwohnern arbeiten, auch bemüht sind, die Tötung behinderter Kinder, aber auch Zwillingskinder sowie Kinder unverheirateter Mütterauszumerzen.
"Wenn man das hört, mag es einen erstaunen. Wie können sie eine solche Gräueltat vollbringen? Aber was ist mit den Abtreibungen, die sie hier in der Zivilisation durchführen? Wie viele sind das?", fragte der Bischof von Itabituba im Pressesaal des Vatikans am 10. Oktober.
Die Frage nach der Praxis der Tötung von Kindern im Amazonas wurde erstmals am 8. Oktober vom Schweizer Journalisten Giuseppe Rusconi gestellt, der wissen wollte, warum das "Instrumentum Laboris" – oder Arbeitspapier – diesen nicht anspricht.
Das "Instrumentum" war im Vorfeld der Synode von Indigenen, einzelnen Priestern und Bischöfen im Amazonasgebiet scharf kritisiert worden: Das Vorbereitungspapier gehe völlig an den Realitäten Amazoniens vorbei.
Gleichzeitig erhoben Kardinäle und Theologen Bedenken über mögliche Häresie und Apostasie im Dokument, darunter von den Kardinälen Walter Brandmüller und Gerhard Ludwig Müller.
Rusconi hatte gesagt, das Dokument lobe die vermeintliche "primitive Reinheit der indigenen Völker und deren harmonisches Verhältnis zur Natur". Er habe jedoch Berichte über indigene Gruppen im Amazonasgebiet gelesen, die Neugeborene töten.
Nicht nur Bischof Santin bestätigte diese Praxis heute: Auf der Pressekonferenz der Synode am 10. Oktober beschrieb der Apostolische Vikar von Mitu in Kolumbien, Bischof Medardo de Jesús Henao Del Río, die historische Praxis des Kindesmords unter der indigenen Bevölkerung in Vaupés, Kolumbien, vor der Ankunft katholischer Missionare.
Er sagte, bevor die Missionare 1914 in sein Gebiet kamen, wurden Zwillinge und Kinder mit Missbildungen manchmal sogar Tieren zum Fraß vorgeworfen:
"Dann kam die Kirche. Die Katholiken bauten Unterkünfte für diese Kinder", sagte er.
Heute – so Rio weiter – würden sowohl Kinder mit Down-Syndrom als auch Zwillinge akzeptiert. Entgegen den Aussagen von Kardinal Pedro Barreto - der als Experte gilt - ist die Praxis der Kindstötung in einigen Teilen des Amazonasgebiets generell anerkannt und bis heute als soziales Problem bekannt: Im Jahr 2018 berichtete "Foreign Policy", dass Experten in Brasilien, einschließlich der Nationalen Stiftung für Ureinwohner, anerkennen, dass die Tötung Neugeborener zwar auf dem Rückmarsch ist, aber weiterhin Praxisunter einigen indigenen Gruppen.
Auch Bischof Erwin Kräutler, Mitautor des Instrumentum Laboris, hatte im Jahr 2009 noch eingeräumt, dass "unter einigen wenigen Stämmen der brasilianischen Indios noch der kulturelle Brauch des Kindesmordes existiert".
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Im Pressesaal sagte Bischof Rio heute, dass man nicht jeden Aspekt der indigenen Kultur für sakrosankt halten – oder verteufeln – sollte.
Auf der gleichen Pressekonferenz bekräftigte diesen Punkt auch Bischof Santin mit Blick auf die Freikirchen, die im Amazonasgebiet erfolgreicher – und weitaus aggressiver – missionieren als die Katholische Kirche.
"Wir müssen sicherstellen, dass unsere Mission etwas ist, das wir auf eine viel effektivere Weise erfüllen können", sagte Santin.
Ein Stammesführer des Amazonasgebietes hatte zum Auftakt der Amazonas-Synode auf einer Konferenz in Rom gesagt, dass eine "Diktatur" von katholischen Missionaren, die Befreiungstheologie lehren, versucht habe, die Entwicklung in der Region zu verhindern und so die indigenen Völker in Armut und Elend zu halten.
Jonas Marcolino Macuxí, der Häuptling des Macuxi-Stammes, behauptete eine solche Förderung des "Primitivismus" (eine Ideologie, die besagt, dass vorchristliche indigene Traditionen und Sitten weitgehend edel und gut seien und bewahrt werden sollten), brachte seit den 1970er Jahren Konflikte in die Region und machte all das zunichte, was frühere Missionare und indigene Völker seit mehr als einem Jahrhundert im Sinne einer positiven kulturellen Assimilation erreicht hätten.
Synode debattiert in Sprachgruppen weiter
Die Amazonas-Synode wird in den kommenden Tagen in kleineren Sprachgruppen verschiedene Themen diskutieren: Es gibt fünf spanische Sprachgruppen, zwei italienische, zwei portugiesische und eine englisch-französische Gruppe.
Die letzte Woche der Synode wird ganz der Diskussion über das Schlussdokument der Synode gewidmet sein. Dieses fasst Empfehlungen an Papst Franziskus zusammen. Am Nachmittag des 26. Oktober wird darüber abgestimmt.
Courtney Grogan trug zur Berichterstattung bei.
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