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Bischof Kohlgraf: Franziskus hat "anderen Blick auf die Wirklichkeit" als seine Vorgänger

Der Bischof von Mainz, Peter Kohlgraf.

Bischof Peter Kohlgraf hat sich gegen den Vorwurf gewehrt, manche Vertreter der Kirche würden das Evangelium zu sehr politisch verzwecken.

Die jüngste Enzyklika von Papst Franziskus, "Fratelli Tutti", stehe in der Tradition der christlichen Sozialethik und beweise, dass "die Kirche" auch zu politischen Themen "Substantielles" beizutragen habe.

Kohlgraf sprach Mitte November in Mainz bei einer Veranstaltung im "Erbacher Hof" über die Enzyklika des Pontifex.

Gleich zu Beginn seines Vortrags wies der Mainzer Bischof die Kritik des katholischen Autors und Journalisten Alexander Kissler zurück. Der hatte am 11. Oktober 2020 in einem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) geschrieben, dass mancher in der Kirche deren Botschaft verrate, weil man sich "als politische Akteure mit linker Agenda" gefalle. Dadurch vertiefe sie "die gesellschaftliche Spaltung" und werde letztlich als Kirche nur noch überflüssig.

Kohlgraf zitierte wörtlich einen Absatz aus Kisslers Artikel, in dem der Mainzer Bischof direkt kritisiert wird:

"Der typische Satz des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf, Glaube sei politisch, verkennt, dass der Zielpunkt religiöser Hoffnung, Erlösung, sich nur individuell ereignen könnte. In ihrem antiindividualistischen Furor wenden die Kirchen sich von dieser urchristlichen Botschaft ab."

Bischof Kohlgraf wiederum erwiderte, dass sein Kritiker Kissler sich seines Erachtens irre, wenn er behaupte, der Bischof würde durch die Politisierung seiner Predigten von der eigentlichen Botschaft des Evangeliums ablenken.

Die Kritik Kisslers, wie auch "andere Kritiken, die in dieser Zeit geäußert wurden, auch an dieser päpstlichen Enzyklika", verschwiegen nach Kohlgrafs Interpretation, dass es eine "lange Tradition von christlicher Sozialethik und Sozialverkündigung" gebe.

Natürlich gehe es um die "persönliche Erlösung" des Menschen, räumte Kohlgraf ein. Diese Erlösungshoffnung dürfe man jedoch nie gegen die "politische und auch sozialethische" Hoffnung "ausspielen". Ein solcher Gegensatz stehe "gegen das Evangelium", so der Bischof wörtlich.

Papst Franziskus hat "anderen Blick" als Vorgänger

Kohlgraf sagte auch, dass die in "Fratelli Tutti" gezeichneten Gegenwartsanalysen von vielen Kritikern als "zu düster" empfunden worden seien.

Tatsächlich haben führende Wirtschaftswissenschaftler die "Analysen" des Papstes wegen einer Reihe von schweren Mängeln scharf kritisiert.

So bezeichnete etwa Clemens Fuest, der Präsident des renommierten Münchner "ifo-Instituts" die Enzyklika nicht nur als enttäuschend, sondern verkürzt. Der Experte warf Papst Franziskus sogar "Unwahrheit und Vorurteile" sowie eine "anti-marktwirtschaftliche Ideologie" vor. 

Papst Franziskus eröffne einen "ernsten Horizont", so  Kohlgraf, um "Dringlichkeit darzustellen". Einen deutlichen Unterschied sieht der Bischof darin zu Franziskus' Vorgängern auf dem Stuhl Petri:

"Mir fällt auf bei der Gegenwartsanalyse, die der Papst zeichnet, dass er einen anderen Blick hat auf die Wirklichkeit als etwa in den Gegenwartsanalysen in den Schriften von Johannes Paul II. oder Benedikt XVI.."

Wenn er an die Analysen von Benedikt XVI. denke, kämen ihm vor allem das Stichwort "Relativismus" oder Benedikts Kritik am "Pluralismus" in seinen Sinn, so Kohlgraf weiter. Franziskus dagegen sorge sich mehr "um die konkreten Auswirkungen dieser Dinge", so der Kirchenmann wörtlich weiter.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Insgesamt sei dies "symptomatisch" für das gesamte bisherige Pontifikat von Papst Franziskus, da "es ihm mehr um die praktische Seite des Evangeliums geht und nicht um die große Geistesgeschichte." 

Kohlgraf sagte, dass Papst Franziskus in "Fratelli Tutti" "vor einer "Religion ohne Folgen" warne. Die Enzyklika versteher er als "tief christologisch", so Kohlgraf weiter.

"Der Papst hat immer wieder darauf hingewiesen, dass gelebte Liebe praktizierte Christologie ist. Ich glaube, dass es genau darum in dieser Enzyklika geht."

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