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Freude an der "Heiligen Wissenschaft": Ein Gespräch über den "Master of Ratzinger Studies"

Seit bald 1.000 Jahren ein Ort der "Heiligen Wissenschaft": Die berühmte Klosterbibliothek des Stiftes Melk in Niederösterreich.

Am Werk des "Theologenpapstes" Benedikt XVI. kommt kein katholischer Christ vorbei, der sich mit dem Glauben und der Wirklichkeit der Kirche unserer Zeit auseinander setzen will.

Richtig vertiefen, ja, geradezu ein Experte in Sachen Joseph Ratzinger werden kann man seit Februar diesen Jahres mit einem neuen Masterstudiengang: Über zwei Semester vermittelt der in englischer und italienischer Sprache angebotene Kurs  "Joseph Ratzinger: Studies and Spirituality" in acht Modulen das Gesamtwerk und Impulse zur Spitualität des emeritierten Papstes und großen katholischen Denkers. Einer der Lehrer ist Monsignore Florian Kolfhaus.

Dr. Kolfhaus, Sie unterrichten Studenten für den Master of Ratzinger Studies. Wie kam es dazu?

Seit ich Student in Rom war, kenne ich Joseph Ratzinger und der gute Kontakt zu ihm ist bis heute nicht abgerissen, ja eigentlich intensiver als zur Zeit seines Pontifikates, währenddessen ich ihn vielleicht nur einmal im Jahr getroffen habe. Ich kenne also die Person, deren Theologie der Masterkurs vorstellt. Außerdem beschäftige ich mich seit Jahren mit der Mariologie, der sich leider gerade im deutschsprachigen Raum nicht sehr viele Theologen widmen. Ich denke, dass sind die beiden Gründe, warum das Augustinianum, die Hochschule für Patristik in Rom, mich gebeten hat, Ratzingers Gedanken über Maria vorzustellen. Hinzu kam dann noch ein weiteres Thema: Der Geist, die Charismen und die Kirche.

An wen ist dieser Studiengang gerichtet? Wem würde er gefallen, beziehungsweise nützen?

Der Studiengang ist für alle geeignet, die sich für Theologie interessieren – ganz egal welchen Autor sie besonders bewundern. Es geht nicht um einen "Ratzinger-Fan-Club", sondern um die Freude an der "heiligen Wissenschaft", die dem Verstand Angebote macht, den Glauben besser zu verstehen. So wie es viele Spiritualitäten gibt, gibt es auch viele Theologien. Und sofern sie dem Lehramt nicht widersprechen, ist das legitim. Die theologische Speisekarte sollte reichhaltig sein. Ein Joseph Ratzinger darf da nicht fehlen. Der Masterkurs hat großen Anklang bei europäischen und amerikanischen Studenten gefunden, aber leider ist kein deutscher Student dabei.

Was erwarten die Studenten?

Die Erwartungen sind so unterschiedlich wie die Herkunftsländer und die Berufungen der Studenten. Es ist ein internationaler Kurs mit Priestern, Seminaristen, Schwestern, Laien. Sie alle wissen, dass einer der größten Theologen des 20. Jahrhunderts Papst geworden ist. Sie kennen die Dokumente und Ansprachen von Benedikt XVI., aber nun interessiert sie, was er die Jahrzehnte zuvor als Wissenschaftler gedacht, gesagt und geschrieben hat. Viele suchen eine solide Theologie und entdecken mit Ratzinger nicht nur seine "Lieblinge" Augustinus und Bonaventura, sondern auch Thomas von Aquin und andere große Klassiker. Ratzinger ist ein hervorragender Einstieg dazu.

Wie ist das Echo bisher? Kommt das Angebot an?

Das Angebot ist so gut angenommen worden, dass der Hörsaal bis auf den letzten Platz besetzt ist. Es gibt sogar zwei Kurse – einen in englischer Sprache, einen anderen in Italienisch. Beide sind sozusagen "ausgebucht". Die Studenten wollen gute Theologie und "hungern" nach Texten, die mehr bieten als eine informationsreiche historisch-kritische Analyse. So gibt es noch zu Lebzeiten von Papst em. Benedikt XVI., nur wenige Jahre nach seinem Rücktritt, eine wahre "Ratzinger-Renaissance", bei der nicht nur ihm wichtige Themen diskutiert, sondern unter anderem auch theologische Methoden, zum Beispiel die allegorische oder typologische Auslegung der Heiligen Schrift, mit Begeisterung wiederentdeckt werden. Ich bin sicher, dass dieser Masterkurs Zukunft hat und würde mir wünschen, dass andere Universitäten das Curriculum dieses Kurses übernehmen.

Wer nicht gleich einen Master machen will, aber sich damit beschäftigen, was die wichtigsten Werke von Joseph Ratzinger sind: Was würden Sie empfehlen?

Als Mariologe empfehle ich natürlich "Die Tochter Sion". In dieser kleinen Schrift geht es zwar um die Mutter Jesu, aber gleichzeitig auch um die Kirche. In Maria kann sich die Kirche wie in einem Spiegel betrachten, um tiefer zu verstehen, wer sie ist. Die Kirche ist das große Thema Ratzingers, aber immer so, dass dieses Geheimnis wiederum auf Christus weist, dessen Leib sein Volk auf Erden ist. Ratzinger zeigt in allen seinen Werken, dass kein Glaubensgeheimnis isoliert von einem anderen ist. Alles bildet eine harmonische Einheit, einen "nexus mysteriorum".Wer ein Buch aus dem Regal mit seinen Werken zieht, gelangt von von Seite zu Seite immer tiefer in das vielfältige Mysterium des einen Glaubens. Empfehlen möchte als Einstieg in die Lektüre, die vielen Vorträge Ratzingers, die relativ kurz, dafür umso dichter sind.

Welche Bedeutung hat Joseph Ratzinger für die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils?

Papst Benedikt XVI. hat den Begriff der "Hermeneutik der Kontinuität" geprägt, der seither für die Interpretation des Zweiten Vatikanums wesentlich ist. Er selbst hat ja als theologischer Berater am Konzil teilgenommen und kennt nicht nur die Texte, sondern auch ihre Entstehungsgeschichte. In seiner Rede an die Bischöfe von Chile im Jahr 1988, die noch nicht in den Opera Omnia veröffentlicht ist, sagt er bereits, dass das letzte Konzil kein "Superdogma" sei, das alle vorhergehenden in den Schatten stelle. Wie anders ist jedoch die weit verbreitete Darstellung der Konzilsdokumente als Wegmarken einer "kopernikanischen Wende". Seit Jahrzehnten herrscht vielerorts eine Interpretation des Bruchs, die mit dem Konzil eine neue Zeitrechnung beginnen lässt. Es ist ein großes Verdienst Ratzingers, diesem Mainstream nicht gefolgt zu sein. Das hat ihm, wie wir wissen, nicht nur Freunde bereitet.

Sie sind Mariologe. Ist Joseph Ratzinger marianisch?

Mariologie als solche ist ein Nebenthema in der Theologie Josef Ratzingers. Marianisch ist er aber ganz bestimmt. In seiner Hauskapelle steht eine wunderbare, lebensgroße Statue der Patrona Bavariae, vor der immer eine Kerze brennt. Zu Sodalen der Regensburger Männerkongregation hat er einmal gesagt: "Katholisch sein, heißt marianisch sein."

(Die Geschichte geht unten weiter)

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