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"Mit Reförmchen ist es nicht getan": Betroffene von Missbrauch fordern Konsequenzen

Eine Frau betet in einer katholischen Kirche

Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln hat in einer Presse-Erklärung seine Reaktionen auf das Gercke-Gutachten zum Umgang mit sexuellem Missbrauch zusammengefasst und bekräftigt, dass mit dem unabhängigen Bericht die Arbeit der Aufarbeitung erst beginne: "Mit Reförmchen ist es nicht getan". Der Rat fordert unter anderem ein zentrales Verfahrensregister der Kirche, eine Ombudsstelle und juristische Begleitung.

Neben den bereits vom Erzbistum Köln dargelegten acht Punkten, die als Sofortmaßnahmen umgesetzt werden sollen, "haben wir aus Sicht der Betroffenen dem noch ein paar Punkte hinzugefügt", so der Beirat am 29. März. 

Der Beirat schlägt vor, eine persönliche Opfernachbetreuung ebenso wie eine Ombudsstelle und juristische Begleitung einzuführen.  

"Mit der Meldung eines Missbrauchs und dessen Aufnahme durch die Interventionsstelle darf die  Opferbetreuung nicht aufhören. Den Betroffenen muss jede nur mögliche Hilfe angeboten werden,  seien es Therapien oder andere medizinisch erforderliche Maßnahmen. Auch beim Erstellen dieses  Antrags sollte Hilfe angeboten werden. Nicht zuletzt sollte durch Nachfragen erforscht werden,  welche sonstigen Leistungen oder Angebote noch nötig sind", so der Beirat. 

Durch die Schaffung einer Ombudsstelle und einer juristischen Begleitung inklusive Kostenübernahme sollte es Betroffenen zudem möglich sein, "sich angstfrei zu ihrem Fall zu äußern, denn nicht  jeder, der betroffen ist, vertraut der Institution, der der Täter angehört oder angehört hat".

"Es muss  klar und deutlich kommuniziert werden, dass diese Stelle vollkommen unabhängig ist und die einzige  Verbindung zum Erzbistum in dem Erhalt des Auftrags besteht als Ombudsstelle zu fungieren. Die  Angstbeseitigung bei den Betroffenen steht dabei ganz vorne", betont die Stellungnahme. 

Zumindest für den Zuständigkeitsbereich der deutschen Bischofskonferenz sollte ein zentrales  Verfahrensregister angelegt und permanent weitergeführt werden, fordern der Opferverband.

"Nur so kann vermieden werden,  dass im Fall eines Wohnungswechsels eines Täters in ein anderes Bistum dieses nicht über die  vorhandenen Vorgänge informiert ist, wie es, unerklärlicherweise, immer wieder vorgekommen ist". 

Zukunftsziel sollte sein, innerhalb der katholischen Weltkirche ein solches Register einzurichten, "weil ein Umzug in ein anderes Land oder sogar einen anderen Erdteil heutzutage ja  keine Seltenheit mehr ist". 

Der Beirat fordert zudem eine Reihe von Reformen, unter anderem im Kirchenrecht. Diese "sollen sich an dem neu geschaffenen Sexualstrafrecht des Bundes orientieren, in  dem u.a. vorgesehen ist, dass der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gleichgestellt wird mit  Mord", so die Erklärung. 

"Mit Reförmchen ist es nicht getan, es bedarf einer gründlichen Überarbeitung und einer Sichtweise auf die Kirche in  der Welt, die nicht im Elfenbeinturm sitzt und sich die (Kirchen-)Welt schönredet. Sicher ist die Kirche  durch die Jahrhunderte immer ein Ruhepol und Zufluchtsort gewesen, und das soll sie auch bleiben,  Halt und Stütze für die Menschen. Aber eine Kirche, die nur sich selbst, ihre eigenen Vorstellungen und Vorschriften sieht und nicht das Leben der Menschen allgemein, das ist keine Volkskirche mehr", mahnt der Beirat.. 

"Man muss nicht allen Blödsinn mitmachen, der teilweise gefordert wird, aber man muss die Augen  aufmachen für die Wirklichkeit." 

Das am 18. März veröffentlichte Gutachten der Kanzlei Gercke/Wollschläger erfülle seine gestellte Aufgabe, "nach Aktenlage die von 1975 bis 2018 gemeldeten Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu erfassen, rechtlich zu bewerten und die Vertuscher hinter den Tätern zu benennen", so die Erklärung des Betroffenenbeirats am heutigen Montag. 

Der international beachtete Gercke-Report setzt nach Einschätzung von Beobachtern einen neuen Maßstab. Kardinal Woelki hatte diesen – trotz massiver Anfeindungen in einzelnen Medien und den Reihen der eigenen Kirche – durchgesetzt, nachdem Experten schwere Bedenken an der Arbeit der Kanzlei "Westpfahl Spilker Wastl" (WSW) erhoben hatten. Deren Gutachten, das mittlerweile durch das Erzbistum Köln einsehbar ist, habe unter anderem "methodische Mängel".

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Der Betroffenenbeirat erklärte dazu am heutigen Montag: "Wir hatten als erste Gruppe die Gelegenheit, Einsichtnahme in das WSW-Gutachten zu nehmen.  Dieses ist in seiner Sprache emotionaler und 'volkstümlicher' als das Gercke-Gutachten. Aber genau  darin liegt der Unterschied und die Krux", so die Erklärung.

"Im juristischen Sinn ist Emotionalität kein Kriterium für eine  haltbare Aussage. Wie von Herrn Gercke in seiner Rede bei der Präsentation des Gutachtens gesagt,  ist sein Gutachten sprachlich eher kühl. Das mag von manchem als zu distanziert gesehen werden,  aber diese kühle Sprache ist notwendig, denn Emotionalität hat ja auch den Nachteil oder – je nach  Sichtweise - manchmal den Vorteil, dass sie vom eigentlichen Thema ablenkt oder es in anderem  Licht erscheinen lässt. Insofern sind wir froh, dass ein neues Gutachten erstellt wurde, welches nicht  wegen Rechtsstreitigkeiten gleich wieder kassiert wird", so der Beirat.

Die Kölner Strafrechtsexperten Prof. Dr. Björn Gercke und Dr. Kerstin Stirner hatten am 18. März 2021 in einer Pressekonferenz die vom Kölner Erzbischof in Auftrag gegebene Untersuchung vorgestellt. Am 23. März hatten Rainer Maria Kardinal Woelki und sein Generalvikar Dr. Markus Hofmann erste konkrete Konsequenzen und Maßnahmen bekannt gegeben, die im Erzbistum Köln auf Grundlage der Studie erfolgen.

Im Interview mit CNA Deutsch am 18. März erklärte Woelki: "Das Gutachten wird damit nicht der Endpunkt unserer Arbeit, sondern der Ausgangspunkt für die weitere Aufarbeitung sein". 

Zu diesen Konsequenzen zähle die Einrichtung einer unabhängigen Aufarbeitungskommission entsprechend der Vereinbarung der deutschen Bischofskonferenz mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung Johannes Wilhelm Rörig.

Weitere Reformen beträfen eine verbesserte Aktenführung, eine personelle und organisatorische Stärkung der Intervention, die Evaluierung und Weiterentwicklung der Prävention, eine regelmäßige Kontrolle beschuldigter Kleriker und Laien und Veränderungen in der Priesterausbildung. Ebenfalls sollen zusätzliche Mittel für die erhöhten Anerkennungsleistungen für Betroffene bereitgestellt werden

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