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Das Missbrauchsgutachten des Erzbistums Berlin: Worum geht es in dem Konflikt?

Die Gedächtniskirche in Berlin

Verwirrung im Erzbistum Berlin: Nachdem dort vergangene Woche der letzte Teil des Missbrauchsgutachtens vorgestellt wurde (CNA Deutsch hat berichtet), wurde nun bekanntgegeben, dass die Gutachten-Kommission vorläufig ihre Arbeit "ruhen" lasse. Gleichzeitig wirft diese Kommission der mit dem Gutachten beauftragten Anwaltskanzlei vor, ihren Auftrag nicht erfüllt zu haben. Die Kanzlei wiederum wehrt sich.

"Archdiocese of Berlin suspends work of sex abuse commission", titelte beispielsweise am Mittwoch das katholische Nachrichtenportal "Union of Catholic Asian News" (UCA News). Im dort veröffentlichten Bericht des "Catholic News Service" – der nicht CNA ist, sondern ein anderer Dienst – heißt es, das Erzbistum selbst habe die Arbeit der Kommission ausgesetzt. Auch weitere internationale Medien brachten eine Meldung im ähnlichen Tenor.

Als am Mittwochmittag auch die KNA auf Twitter eine entsprechende Meldung des "National Catholic Reporters" teilte, reagierte die Social-Media-Abteilung der Berliner Erzdiözese mit einem Antwort-Tweet und den Worten:

"This is Fake! The commission is free and made it’s own decision! It will go on with a different focus after summer break."

Hintergrund: Der Konflikt zwischen Kommission und Kanzlei

Am 18. Juni 2021 hatte das Erzbistum Berlin auch den "Teil C" des Missbrauchsgutachtens veröffentlicht, der bei der ersten Vorstellung am 29. Januar 2021 noch gefehlt hatte. Wie CNA Deutsch berichtete, wurde das Gutachten unter dem Titel "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946" im Auftrag des Erzbistums von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs erstellt. 

Der Bericht stellt zahlreiche "Missstände" und mangelnden Aufklärungswillen sowie mehrere Verstöße gegen das Kirchenrecht und die Leitlinien der deutschen Bischofskonferenz fest.  

Im nun vorgelegten letzten Abschnitt wurden vor der Veröffentlichung die Namen, Aktenzeichen, Ortsnamen und andere Inhalte in Bezug auf beschuldigte Geistliche geschwärzt.

Am 22. Juni 2021 veröffentlichte das Erzbistum Berlin auf seiner Homepage eine Presseerklärung, in der bekanntgegeben wurde, in der die Arbeit der Gutachten-Kommission als "ruhend" erklärt wird. Gleichzeitig äußern darin die Mitglieder der Kommission Kritik an der Kanzlei Redeker Sellner Dahs. Wörtlich heißt es dort:

"Die im Auftrag an die Kanzlei Redeker Sellner Dahs enthaltene Vereinbarung zu untersuchen '[…] ob und gegebenenfalls durch wen und auf welche Weise Fälle sexuellen Missbrauchs im Bereich des Erzbistums Berlin vertuscht worden sind und ob und inwieweit die jeweils anwendbaren kirchlichen und kirchenstrafrechtlichen Regelungen eingehalten worden sind' [S.32 (9)] wurde nicht ausreichend bearbeitet. Das führte dazu, dass die Gutachten-Kommission einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit der Phase I in die Bearbeitung des unzureichenden Teils des Gutachtens investieren musste."

Eine "abschließende und zusammengeführte Bewertung" könne die Gutachten-Kommission nicht zur Verfügung stellen, weil die Phase I nicht abgeschlossen werden konnte, fährt die Kommission fort. Die Betrachtung der genannten Fälle habe wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet. "Außerdem haben sich die Mitglieder der Gutachten-Kommission darauf verständigt, dass sie nicht mit der nötigen fachlichen Expertise und mit ausreichender zeitlicher Ressource ausgestattet sind, um die juristische Aufgabenstellung der Kommission zu bearbeiten, die die Bewertung des Verhaltens von Verantwortungsträgern und die Unterbreitung von Vorschlägen disziplinarrechtlicher Maßnahmen darstellt", so die Erklärung. Und weiter:

"Die Kommission weist darauf hin, dass der Absatz S. 32 (9) des Gutachtens dahingehend verstanden wird, dass diese Prüfung und Bewertung Teil des Auftrages der Kanzlei Redeker Sellner Dahs gewesen ist. Diesen Arbeitsauftrag sieht die Gutachten-Kommission in dem vorgelegten Gutachten nicht ausreichend bearbeitet."

Kanzlei: Haben unseren Auftrag erfüllt

Noch am selben Tag veröffentlichten die beteiligten Rechtsanwälte Sabine Wildfeuer und Peter‑​Andreas Brand von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs eine Gegendarstellung. Man habe von den Vorwürfen erstmals von den Presseberichten erfahren, heißt es darin. Den Gutachtenauftrag habe man "vollständig und ordnungsgemäß erfüllt". Weiter:

(Die Geschichte geht unten weiter)

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"Im Gutachten ist im Einzelnen festgehalten, durch wen und auf welche Weise Fälle sexuellen Missbrauchs im Bereich des Erzbistums vertuscht worden sind und ob und inwieweit die jeweils anwendbaren kirchlichen und kirchenstrafrechtlichen Regelungen eingehalten worden sind. Unser Gutachten geht sogar hierüber noch hinaus: Die alleinige Fragestellung, ob jeweils kirchliche oder kirchenstrafrechtliche Regelungen eingehalten worden sind, ginge an der Problematik des Skandals des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der katholischen Kirche vorbei. Entscheidend ist auch die jeweilige moralische und Führungsverantwortung. Unser Gutachten hat die Fülle der Missstände aufgezeigt und benannt. Nichts anderes war von unserem Gutachtenauftrag umfasst."

Der Auftrag der Kanzlei sei zudem "missverstanden" worden, "wenn die Gutachten‑​Kommission meint, die erforderliche Aufarbeitung könnte sich in der 'juristischen Bewertung der Einzelfälle' erschöpfen", heißt es weiter. "Die Haltung der Gutachten‑​Kommission spricht vielmehr dafür, dass sie fachlich und personell entweder nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die notwendigen Aufarbeitungsschritte in Angriff zu nehmen. Es bedarf keines weiteren Gutachtens von externen Dritten, sondern der Umsetzung der Konsequenzen, die sich aus den von uns festgestellten schwerwiegenden Missständen ergeben".

Die Rolle des Erzbistums Berlin

Wie kam es jedoch zu den Meldungen, das Erzbistum Berlin habe die Gutachten-Kommission angewiesen, die Arbeit ruhen zu lassen? Auf Anfrage von CNA Deutsch teilte eine Sprecherin des Erzbistums am Donnerstagabend mit, dass die Kommission (bestehend aus drei Mitgliedern des Diözesanrats und drei Vertretern des Priesterrats) unabhängig von der Erzdiözese handle und die Entscheidung selbstständig getroffen habe.

Gleichzeitig stellte die Pressestelle gegenüber CNA Deutsch klar, dass das Urteil der Gutachten-Kommission über das Gutachten "nicht das Urteil des Erzbistums" sei:

"Das Gutachten wurde vom Erzbistum in der vorgelegten Form dankend entgegengenommen und wird seitdem zur Weiterarbeit genutzt in Intervention, Prävention aber auch in der Aufarbeitung. Hierzu sind insbesondere die "Empfehlungen" des Gutachtens eine gute Grundlage."

Auf die Frage, ob man dem Ratschlag der Kommission folgen werde, in Hinblick auf die "juristische Bewertung" nachzuarbeiten, teilte das Erzbistum mit, dass das Gutachten bereits strafrechtliche Bewertungen mit Blick auf die Verantwortlichen enthalte. Für die kirchenrechtliche Bewertung der von der Gutachtenkommission vorgeschlagenen Maßnahmen habe man eine Kirchenrechtlerin und zwei Kirchenrechtler gewonnen, die nicht in einem Dienst- oder Abhängigkeitsverhältnis mit dem Erzbistum Berlin stehen.

Die Missbrauchsaufarbeitung werde auf jeden Fall weitergehen, unterstrich das Erzbistum. Dabei soll das Gutachten, aber auch die Gutachten-Kommission ebenfalls eine Rolle spielen. Gegenüber CNA Deutsch teilte die Erzdiözese schriftlich mit:

"Das Erzbistum Berlin wird in die weitere Arbeit sowohl das Gutachten selbst als auch die Arbeit der Gutachten-Kommission einbeziehen. Nach der Sommerpause wird sich die Gutachten-Kommission mit Erzbischof und Generalvikar darüber verständigen, in welcher Weise sie weiterarbeiten kann. Die Arbeit ruht nur, sie ist nicht aufgegeben."

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