Dysmas ist der erste anerkannte Heilige, von dem wir Kenntnis haben, sogar aus der heiligen Schrift selbst und nicht aus Annalen oder Legenden. Der heilige Dysmas war der "gute Schächer" auf dem Golgatha. Mit anderen Worten, er war ein ehemaliger Gewaltverbrecher in der Stunde seiner Hinrichtung, dem Christus noch von Kreuz zu Kreuz versprochen hat: "Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein". Mehr Heiligkeit gibt es nicht.

Die heilige Helena hingegen, deren Andenken die Kirche gerade wieder am 18. August gefeiert hat, der eine der vier tragenden Säulen unter der Kuppel des päpstlichen Petersdoms gewidmet ist, ist wohl eine Heilige ganz nach dem Geschmack von Papst Franziskus. Die Tochter eines heidnischen Gastwirts  wurde "in ungeordneten Verhältnissen" und illegitimer Ehe mit Konstantius I. zur Mutter Kaiser Konstantins des Großen, den die Ostkirche als einen ihrer allergrößten Heiligen verehrt, obwohl er sich den Legenden nach erst auf dem Sterbebett taufen ließ. Über Helenas Einfluss auf ihren Sohn sind schon zahllose Bücher geschrieben worden, weil die epochale Entscheidung Konstantins, den Christen des Römischen Weltreichs in seinem Toleranzedikt im Jahr 313  völlige Freiheit nach ihrer (bis dahin!) schlimmsten Verfolgung zu gewähren, quasi das Abendland begründet hat.

Spannend wie vielleicht kaum ein anderer Aspekt im Leben Helenas ist aber ihr Entschluss, mit über 70 Jahren – und also schon im Greisenalter – ins Heilige Land aufzubrechen, um dort nach Spuren des Mensch gewordenen Gottes zu suchen. Ein solches Vorhaben können wir uns in der antiken Welt nicht revolutionär genug vorstellen. Keinem Griechen wäre es je in den Sinn gekommen, im Gestrüpp des Peleponnes  oder im Hain von Delphi nach Spuren von einem ihrer vielen Götter zu suchen. So weit ging der Glaube der gewitzten Griechen an ihre Sagen denn doch nicht. Helenas Entschluss hingegen bekräftigte – über 300 Jahre nach der Geburt Jesu – dass es keine Legende sein konnte, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde wirklich Mensch geworden war und in die Geschichte eingetreten ist und dass sich deshalb wirklich und wahrhaftig Spuren seiner Existenz auf dieser Erde finden ließen. So ließ die Kaiserinmutter auf ihrer Entdeckungsreise den Golgatha in Jerusalem und die Geburtsgrotte in Bethlehem wieder freilegen und brachte Teile des Heiligen Kreuzes, die Urteilstafel mit der dreisprachigen Inschrift ("Jesus von Nazareth, König der Juden") und sogar die komplette Treppe vom Palast des Pontius Pilatus nach Rom, über die der Präfekt Jesus nach seinem Todesurteil zur Kreuzigung hinabschickte. Mit diesen ersten konkreten Herrenreliquien hat Helena den Glauben an die Menschwerdung Gottes kaum weniger befestigt als alle Schriften der Kirchenväter.

Den heiligen Benno aus Meißen müssen wir uns danach vielleicht als eine Art Kardinal Meisner des Mittelalters vorstellen, wie wir gerade in einer Ausstellung auf dem Meißener Domberg  erfahren, wo der Freistaat Sachsen  (mit einem Bevölkerungsanteil von 3,7 % Katholiken und rund 19 % Protestanten!) den Bischof des 11. Jahrhunderts als einen großen Versöhner vorstellt, dessen Pech es nur war, dass er nicht wie der heilige Dysmas von Christus selbst heilig gesprochen wurde, sondern erst 400 Jahre nach seinem Tod durch Papst Hadrian VI. – als "neuer Abgott und alter Teufel" also, wie Martin Luther den ersten Heiligen nach der Reformation  schon 1524 schmähte. Als spätes Wunder des heiligen Benno müssen wir deshalb  wohl die prächtige Ausstellung in Meißen begreifen, die (bis zum 5. November) seine wahre Geschichte noch einmal ganz gelassen neu erzählt.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der überregionalen katholischen Tageszeitung "Die Tagespost". 

Mehr über die Ausstellung auf der Albrechtsburg in Meißen, die noch bis zum 5. November zu besichtigen ist, finden Sie auf dieser Website.

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