„Der Auftrag, die Gesellschaft und ihre Institutionen mit katholischem Geist zu erfüllen, ist Bestandteil dessen, wozu man in der Taufe berufen wird.“ Die katholische Religion gehört demnach nicht bloß in die Privatsphäre der Menschen. Dies entspreche aber „ganz im destruktiven Sinne“ dem Liberalismus, denn da würden „Individuum und Gemeinwohl getrennt, ebenso das Gemeinwohl von Gott“.

Diese Aussagen lesen wir in dem Buch von Scott Hahn und Brandon McGinley, das unter dem Titel „Würdig und Recht. Warum die Zukunft der Gesellschaft vom wahren Glauben abhängt“ im Renovamen-Verlag erschienen ist. In 15 Kapiteln erfahren die Leser etwas über das gegenwärtige Herrschaftssystem, das uns glauben machen will, „man müsse zuweilen säkularistisch handeln“, und damit meint, man müsse halt auch einmal zum „Götzendiener“ werden.

Doch Götzen sind unerbittlich. Wenn man ihnen auch nur ein wenig nachgibt, „erheben sie bald die Forderung, ihnen noch mehr“ geben zu müssen. Wer also ständig weiter wachsenden Wohlstand, „Autonomie, Vergnügen, Erfolg und Ansehen erwartet“, von dem erwarten die Götzen „einen immer rückhaltloseren Dienst“. Und schließlich „akzeptieren sie nur noch die Verehrung“. Denn genau dies wollen sie: Opfer, Verehrung, Bewunderung und Anbetung. Doch dies gebührt einzig Jesus Christus.

Papst Benedikt XVI. hat über die „Diktatur des Relativismus“ gesprochen. Der Wegbereiter dieser gesellschaftlichen Verirrung ist „der säkularistische Liberalismus“.

„Katholiken, die in einem säkularistischen Umfeld leben, […] sind nicht mehr fähig, echt katholisches Denken von ihren persönlichen Handlungsmaximen im Umgang mit dem Säkularismus zu unterscheiden. Besonders wird diese Haltung im Hinblick auf den Auftrag, die Gesellschaft mit katholischem Geist zu erfüllen, erkennbar: Ein solches Unterfangen sei unmöglich, unangemessen, engherzig.“

Dies ist die Erfahrung vieler Katholiken des Westens, auch in diesem Land. Liberale Katholiken behaupten gegenüber traditionellen Katholiken, „schon der bloße Gedanke an eine Katholisierung der Gesellschaft“ sei unzulässig. Die Ereignisse der jüngsten Versammlung des „Synodalen Weges“ der katholischen Kirche in Deutschland bestätigen, was die Autoren offengelegt haben.

Rechte und Freiheiten sind dem Liberalismus jedes einzelnen Menschen zentraler „Bezugspunkt aller politischen Werte“, sofern sie von der Masse rezipiert werden. Wenn es der Mainstream bestimmt, werden aus Rechten soziale Pflichten; alles wird der Verwirklichung des sogenannten Gemeinwohls untergeordnet. Die Gesellschaft ist für den Liberalismus kein organisches Ganzes, sondern nur eine Ansammlung autonomer Individuen, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Offenbar sind viele Menschen, auch Katholiken, mit dieser Definition einer modernen Gesellschaft einverstanden und halten sie für erstrebenswert.

Die Autoren zitieren Alexander Solschenizyn, der den Säkularismus als „inneren Wurmfraß“ bezeichnete, der für den Glauben „noch gefährlicher sei als ein von außen gelegte[r] Brand“. Er schreibt: „Nach diesem erdrutschähnlichen Zurückweichen im Laufe einer einzigen Generation gleitet der Westen nun unwiderruflich in den Abgrund. Die westlichen Gesellschaften verlieren immer mehr ihren religiösen Gehalt und überlassen ihre Jugend sorglos dem Atheismus.“

Bei solchen Aussagen müssen freien Menschen die Ohren klingeln. Offenbar leben wir in einer Gesellschaft, die nicht unbedingt erklärte Atheisten produziert, dafür aber umso mehr praktische Atheisten.

Leben wir in einer Epoche der Zeitenwende, oder gehen wir auf das Ende der Welt zu? Erleben wir nicht eine „Verramschung der christlichen Zivilisation“, die seit einigen Jahrhunderten vorbereitet wird? Sehen wir nicht wie die christliche Zivilisation zerstört wird, ja, sich selbst zerstört?

Der Götzendienst hält schön längst Einzug. Dies geschieht unter einer „liberalistisch-säkularistischen Neutralität“, einer allgemeinen Beliebigkeit, die „Spaß – Fun“ sucht und darin den Sinn des Lebens verstehen will. Das Ende dieses Prozesses ist „ein geistig-moralisches Chaos, notdürftig zusammengehalten von einem gewissen materiellen Wohlstand und zerbröckelnden politischen Systemen“. Das Verhältnis der Menschen zu Gott und ihren Mitmenschen, das die Kreuzesform symbolisiert, bricht zusammen.

Scott Hahn und Brandon McGinley klären auf, und sie betonen die Notwendigkeit des Missionsbefehls Christi an die Apostel in Mt 28,19f: „Gehet also hin, und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes; und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe.“

„Ungeachtet aller unerfreulichen Nachrichten, die man aus dem Innern der Kirche und von ihren ‚Peripherien‘ erhält, bieten sich jetzt der Mission die besten Möglichkeiten seit Jahrhunderten. Die innere Hohlheit der Institutionen und Strukturen, die Identitätsstiftung verheißen hatten, wird immer offenkundiger; ihre neuen Formen des Götzendienstes erweisen sich als schal und öde. Viele Menschen suchen nach Antworten, weil sie innerlich leer sind. Und wenn es auch immer richtig ist, sich zu Christus zu bekennen, so gibt es doch Zeitsituationen, die eines mutigen und offenen Bekenntnisses zu ihm mehr denn andere bedürfen – und dafür also offen sind. Genau eine solche Zeit ist heute, trotz scheinbarer Risiken.“

Die Autoren erwarten eine missionarische Umkehr der Menschen zu Gott. Dann stellen sie beruhigend, aber doch herausfordernd und in die Zukunft blickend fest:

„Insbesondere wächst die Tugend der Religion – und mit ihr alle anderen – durch den Empfang der Sakramente, welche die übernatürliche Ordnung innerhalb der Welt sichtbar machen. Der Sakramentenempfang ist eine Anerkennung der göttlichen Transzendenz und Allmacht. In den Sakramenten wird das unverdiente Geschenk der göttlichen Gnade demütig angenommen. Der Christ bekennt hier in Wort und Tat seine vollständige Abhängigkeit von Gott ebenso wie seine Unzulänglichkeit und Schwäche angesichts der göttlichen Majestät und Güte.“

Ein bemerkenswertes Buch, das in die Hände jener gehört, die Verantwortung in der Kirche tragen, aber auch jener, die meinen, eine unbegrenzte Individualität würde sie glücklich machen.

Scott Hahn & Brandon McGinley: Würdig und recht. Warum die Zukunft der Gesellschaft vom wahren Glauben abhängt; Renovamen Verlag 2022; 236 Seiten; 18 Euro; ISBN: ‎978-3956211539

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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