Wenn es um das Thema Frauen und ihre Rolle in der Kirche geht, dann dreht sich die Diskussion meistens ausschließlich um die Frage, ob sie zu Diakonen und Priestern geweiht werden sollten oder Führungspositionen halten. 

Bei all der Aufgeregtheit rund um dieses Thema ist jedoch die Gefahr groß, sich in Diskussionen dieser Frage zu verlieren, auf Kosten des eigentlich Wesentlichen.

Tatsächlich dreht sich die ganze Debatte um die falsche Achse.

Wer Frauen und die Frage ihrer Rolle in der Kirche reduziert auf Diskussionen über Frauenpriestertum, oder über Frauen in Führungspositionen in der Kurie und Bistümern, der bleibt im Klerikalismus stecken.

In Wahrheit ist die Frage eine viel größere, und erfordert viel mehr Beteiligung seitens der katholischen Laien. Ana Cristina Villa, eine geweihte Frau der Marianischen Gemeinschaft für Versöhnung, arbeitet im Frauenbüro der neuen "Mega-Behörde" des Vatikans für Laien, Familie und Leben. Sie sagte gegenüber CNA, dass eine Frau in der Kirche "nicht einfache ein Rolle hat, sondern eine Berufung…zu der Gott sie und alle Frauen in der Kirche berufen hat."

Tatsächlich gebe es wenige Frauen in Positionen mit großer Verantwortung oder wichtiger Entscheidungskompetenz in der Kurie, so Villa; "das sollte also gefördert werden, und das derzeitige Kirchenrecht erlaubt dies auf verschiedene Weise". Gleichzeitig warnt sie, dass die Frage der Rolle von Frauen in der Kirche viel weiter geht, und alle Laien betreffe.

Villa stammt aus Kolumbien, lebt aber seit fast 20 Jahren in Italien. Jeden Tag höre sie Menschen sagen, was die Kirche alles ändern sollte und machen müsste. "Aber wer so über die Kirche redet, der spricht nur die über die Geistlichkeit".
"Ich denke, dass dies eine gewaltige Verzerrung der Berufung der Frau ist, denn Frauen sind offensichtlich nicht für die Geistlichkeit berufen", sagte sie.

Manche Katholiken, die gut gemeinte Forderungen aufstellten, hätten noch nicht verstanden, dass die Klerikalisierung von Frauen oder Laien in Gremien und Ämtern eine Engführung bedeute, die der Berufung von Laien als Kirche nicht gerecht werde. "Alle Getauften sind aufgerufen, sich als Kirche zu fühlen, dass die Kirche ihre Kirche ist, und sie sich einbringen sollten".

Ana Villa betont: "Es sind die Laien in der Kirche, die in ihrem Verständnis der Verantwortung wachsen müssen, die sie von ihrer Taufe erhalten haben. Die Taufe macht sie schon zu vollwertigen Mitgliedern der Kirche."

In diesem Bereich sei zwar schon viel erreicht worden, so Villa, doch die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen "hat hier noch einen weiten Weg vor sich".

Katholiken, egal ob Mann oder Frau, Laie oder Priester, müssten stärker zusammenarbeiten, "denn wenn Laien und Kleriker gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten, dann bringen sie ihre Talente und Fähigkeiten ein, die sich in der Lösung ergänzen und gegenseitig bereichern. So wird die Kirche sichtbarer."

Die Mentalität, dass die Kirche nur aus Priestern bestehe – eine Einstellung, die oft im deutschen Sprachraum mit dem Begriff "Amtskirche" einhergeht – führe aber oft zur falschen Lösung: Der Forderung, Laien zu klerikalisieren in Räten und Gremien, oder Frauen in den Stand der Geistlichkeit zu heben. Laien hätten jedoch eine eigene Berufung in der Kirche, und dort, wo Laien kompetenter als Priester sind, sollten sie auch konkrete Verantwortung übernehmen.

Dies sei auch die Lösung für das Phänomen, dass mancherorts Priester allzuoft Tätigkeiten und Verantwortung in Bereichen ausübten, für die Laien geeigneter wären. Gerade in Ländern mit starken katholischen Wurzeln wie Italien oder in Südamerika, so Ana Villa, sei dies häufiger der Fall.

Was bei all diesen Diskussionen übersehen werde: Welche absolut zentrale Rolle gerade Frauen bereits in der Kirche spielen. "Frauen tun schon so viel in der Kirche, und oft tun sie es in Stille, als Antwort auf Gottes Ruf, egal, wo Gott sie hingerufen hat". Auch und gerade in Missionsgebieten sei dies der Fall, so Ana Villa.

Nur weil eine Frau, die in einem armen Land Katechesen gibt oder Kranke pflegt, vom Rest der Welt nicht wahrgenommen werde, "heißt das nicht, dass sie nicht da ist, und dass die Kirche nicht wächst dank ihrer täglichen Arbeit und Selbsthingabe".

All dies geschehe bereits, betont Villa. Und es sei zwar gut, diesen Beitrag sichtbarer zu machen, "andererseits muss man sich fragen: Ist es wirklich nötig, dies sichtbarer zu machen? Für wen?"

"Das weiß nur Gott. Gott ruft sie, und sie antworten Seinem Ruf, und die Kirche wächst dank ihnen", so Villa. Nicht alle Frauen müssten deswegen gleich im Schlaglicht der Aufmerksamkeit stehen.

"Wenn sie öffentlich bekannt werden wie Mutter Teresa, dann ist das wunderbar, aber nicht jede Berufung in der Kirche hat einen öffentlichen Aspekt. Das beste Beispiel hierfür seien die kontemplativen Orden. Sie tragen und nähren die Kirche durch ihre Hingabe, ihr tägliches Gebet – aber "immer unsichtbar".

Kontemplative Ordensleute "sind im Kloster, in täglicher Treue stärken sie die Kirche – und niemand weiß davon", erklärte Ana Villa. Auch dies sei Teil der Schönheit, die den Dienst von Frauen in der Kirche auszeichne. Dies müsse man zu schätzen wissen, statt es zu ignorieren oder abzutun.

Villas Warnung, dass ein gefährlicher und weitgehend unerkannter Klerikalismus die Debatte um Frauen in der Kirche verbiegt, und dass diese Haltung ihrer Überzeugung nach falsch ist, spiegelt die Warnungen von Papst Franziskus wider.

Der argentinische Pontifex hat jüngst bei seinem Rückflug aus Schweden gegenüber Journalisten noch einmal klargestellt, dass Frauen niemals zu Priestern geweiht werden können. Wie der Vatikanist John Allen bei "Crux" schrieb, wandte sich Franziskus damit offenbar wieder einmal gegen "die 'Krankheit' des Klerikalismus'", und die Gefahr, dass dieser den Ton angibt in den Debatten um Frauen in der Kirche", so Allen.

Villa’s instinct that a dangerous and largely unrecognized clericalism often drives the discussion on women, as well as her insistence that those who adopt this attitude have got it wrong, mirror Francis’ own take on the issue.

"Obwohl er heute in der klerikalen Rangordnung den höchsten Platz eingenommen hat", so Allen weiter, "ist Papst Franziskus in gewisser Hinsicht der anti-klerikalste Papst der katholischen Geschichte". Man habe bei ihm den Eindruck, so der Vatikanist, dass für ihn der Klerikalismus fast schon eine Sünde gegen den Heiligen Geist sei.

Tatsächlich ist die Verachtung des Papstes für Klerikalismus, besonders zum Thema Frauen in der Kirche, seit Beginn des Pontifikates im Jahr 2013 deutlich geworden. Im Dezember seines ersten Jahres als Papst wurde ihm in einem Interview die Frage gestellt, ob er sich jemals vorstellen könne, eine Frau zum Kardinal zu ernennen.

In seiner Antwort sagte Franziskus, "Ich weiß nicht, woher diese Idee gekommen ist. Frauen müssen in der Kirche geschätzt werden, nicht 'klerikalisiert'. Wer auch immer über Frauen als Kardinäle nachdenkt, leidet ein wenig unter Klerikalismus".

Seitdem sind drei Jahre vergingen, in den der Papst andauernd eine "prägnantere" weibliche Präsenz in der Kirche gefordert hat, aber sich stets weigerte, diese Präsenz auf Posten zu reduzieren.

Am 16 Mai 2015 sagte Franziskus in einer Rede an geweihte Männer und Frauen der Diözese Rom: Wenn ihm Leute sagten, "Frauen müssen Dikastieren leiten", er immer sofort denke: "Ja, können sie, in manchen Dikasterien ist das möglich; aber was Sie fordern ist reiner Funktionalismus".

Einfach einer Frau die Leitung einer Behörde zu geben "ist nicht die Wiederentdeckung der Rolle der Frau in der Kirche. Das ist ein profunderes Thema", so der Papst wörtlich. Denn auch wenn Frauen Führungsrollen übernehmen könnten, und dies häufiger der Fall sei, "ist das kein Sieg".

Das sei zwar großartig, aber etwas funktionelles: "Was wesentlich für die Rolle der Frau ist – in theologischen Worten – ist sich auf eine Weise zu verhalten, die den weiblichen Genius ausdrückt".

Der Pontifex weiter: "Wenn wir unter Männern ein Problem behandeln, können wir zu einer Lösung kommen, aber wenn wir das Problem mit Frauen betrachten, wird es eine andere Lösung geben. Sie wird den gleichen Weg gehen, aber sie wird reicher, stärker, intuitiver sein". Dabei gehe es um den weiblichen Genius, so Franziskus.

Eine strukturelle Einfügung von Frauen in die Kirche ist offensichtlich nicht die Vision des Papstes, sondern ein Öffnen für das, was eine Frau als Frau auszeichnet, damit diese einmaligen und angeborenen Eigenschaften aufblühen können.

Eine dieser Eigenschaften, die Franziskus ohne Unterlass lobt und verehrt ist die der Intuition und der Mutterschaft; mit anderen Worten, der allen Frauen angeborene mütterliche Instinkt, egal in welcher Lebenslage oder Situation sie sich auch befinden mag.

Mütterlichkeit, so der Papst in seiner Rede in Rom, bedeute nicht nur Kinder zu haben, sondern auch Menschen in ihrem Wachstum zu begleiten: "Mütterlichkeit bedeutet, Stunden neben einem kranken Menschen zu verbringen, einem kranken Kind, einem kranken Bruder; es bedeutet, sein Leben in Liebe zu verbringen, mit der Liebe der Zärtlichkeit und Mütterlichkeit."

Auf diesem Wege werde die Rolle der Frau in der Kirche klarer, betonte der Papst. "Marias Liebe und die Liebe der Kirche sind eine konkrete Liebe! Konkretheit ist die Qualität der weiblichen Mütterlichkeit."

In einer Rede vor Theologen im Jahr 2014, nachdem er eine Reihe Frauen in die Internationale Theologische Kommission des Vatikans berufen hatte, einem Beratungsgremium der Glaubenskongregation, sagte Papst Franziskus, dass Frauen die Fähigkeit zu Reflektionen hätten, zu denen Männer nicht fähig seien. Frauen leisteten, dank "ihres weiblichen Genius", einen besonderen Beitrag zur "Intelligenz des Glaubens". Ähnlich äußerte sich der Papst im Jahr 2015 in einer Rede vor dem Päpstlichen Kulturrat.

Auf dem Rückflug von Schweden am 1. November betonte der Papst, dass mit Blick auf die Theologie und Mystik der Kirche, am Pfingstfest die Rolle Marias wichtiger sei als die der Apostel: Selbst im dogmatischen Bereich könnten Frauen "so viele Dinge besser tun als Männer". Dennoch sei dies in einer anderen Dimension als der petrinischen des Priesters oder Bischofs.

So wiederholt Franziskus immer wieder, was Ana Villa auch betont Frauen sind mehr als nur der Posten, den sie innehaben. Und die Frage der Rolle der Frau in der Kirche ist eine viel weitere und tiefergehende, als die, zu der sie reduziert wird.

Vor diesem Hintergrund ist auch der Blick auf die Frage eines weiblichen Diakonates zu sehen: Eine 'klerikale' Version dieses Amtes, so es denn überhaupt eingeführt werden würde, wäre aus Sicht des Papstes wohl ein Schritt in die falsche Richtung.

Alles in allem steht bleibt festzuhalten, dass die Diskussion über die Rolle der Frau in der Kirche bislang zu eng geführt worden ist, und mit dem falschen Fokus. Bislang kratzen die Debatten nur an der Oberfläche dessen, worum es gehen sollte – und mit Franziskus am Ruder sind ein paar Überraschungen vorprogrammiert.

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