Ein Denkmal will jedem Passanten, mag er kurz davor stehen bleiben oder daran vorbeieilen, sagen: "Denk mal!" In besonderer Weise fordert die Bronzeskulptur des Künstlers Timothy Schmalz, die vor neun Monaten im Vatikan, im kleinen Innenhof des Päpstlichen Almosenamtes, aufgestellt wurde, dazu auf nachzudenken.

Nicht nur, um die tiefere Botschaft der metallenen Statue zu verstehen, sondern um überhaupt genau zu erkennen, was denn dieses ungewöhnliche Denkmal darstellt, muss man ihm mehr Zeit widmen als einen flüchtigen Blick. Ich erinnere mich, dass ich mit einer Gruppe von Pilgern am Innenhof der Elemosineria Apostolica vorbeigegangen bin und kurz erklärt habe, dass hier Urkunden mit einem Päpstlichen Segen gegen eine Spende erworben werden können, die dann – daher der Name des Amtes – als Almosen an die Armen weitergegeben werden.

Plötzlich hielt mich eine Dame an und sagte etwas erschrocken: "Da liegt ja jemand!". Tatsächlich, von weitem sah man eine Parkbank mit einer dunklen Gestalt. Es stimmt – da liegt jemand. Es ist die Bronzestatue eines Bettlers, der hier seine Schlafstätte gefunden hat. Das Gesicht ist unter der Kapuze nicht zu erkennen. "Obdachloser Jesus" hat Timothy Schmalz sein Denkmal genannt. Es braucht freilich eine wirklich genaue Betrachtung des Kunstwerks, um zu erkennen, wie wörtlich er das gemeint hat. Man sieht die nackten Füße des armen Mannes und bemerkt – freilich nur bei genauer Betrachtung – die Wundmale. Es ist Jesus, der hier auf einer Parkbank ruht. Ein wirkliches "Denk mal" mit Ausrufezeichen!

Auf Erden ein Obdachloser, damit wir im Himmel ein Zuhause finden

Der Messias hatte, wie er selbst sagt, keinen Platz wohin er sein Haupt legen kann, obwohl doch selbst die Füchse einen Bau und die Vögel ein Nest haben. Der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, hatte weniger als ein Tier! Es wäre falsch zu meinen, Jesus und seine Jünger hätten kein Geld besessen oder gar Besitz und Privateigentum abgelehnt – wir wissen ja zum Beispiel von der gemeinsamen Kasse, die Judas Ischariot veruntreut hat – aber doch wollte der Menschensohn radikal arm sein. Er wollte auf Erden obdachlos sein, damit wir im Himmel ein Zuhause finden.

Freilich – das übersieht man seit den 1960er Jahren allzu gerne, war der Herr kein Hippie mit wallenden Haaren und kein "Make Love Not War"-Heiland, der in den berühmt-berüchtigten "Jesus-Latschen" auf Selbsterfahrungstour durch Galiläa zog. Er trug bei seiner Hinrichtung – er ist ja König und Hoherpriester – den kostbaren Leibrock, der aus einem Stück gewebt war, und den die Soldaten deshalb nicht zerreißen wollten. Jesus war auf dem Weg zum Altar des Kreuzes, um dort sein Opfer darzubringen, das in jeder heiligen Messe gegenwärtig wird – salopp und provokant gesagt – nicht in eine mausgraue Mantelalbe mit einer selbstgestrickten Regenbogenstola des örtlichen Frauenbundes, sondern in ein wahrhaft prächtiges und wertvolles Kleid gehüllt. In unseren heutigen Sakristeien würde Jesus – mit Sicherheit! – zur Feier seines eucharistischen Opfers den golddurchwirkten Ornat anlegen, der in die untersten Schubladen verbannt wurde; nicht zuletzt, weil Jesus Geschmack hat!

Sowohl Meister und Herr, also auch Knecht und Diener

Der Herr war kein Kommunist – er lehnte Besitz und Privateigentum nicht ab, auch wenn er vor den Gefahren des Mammon warnte; Jesus war sich auch bewusst – wie er vor Pilatus sagt – dass er ein König sei und als Hoherpriester, nicht als tragisch gescheiterter Revolutionär, hinauf nach Golgotha gehe; daher sein kostbares Gewand. Und doch war er – das war zum Beispiel die Inspiration für Charles de Foucauld, der eine radikale Besitzlosigkeit anstrebte, so dass er auf seinem Berufungsweg immer armseligere Klöster und am Ende eine winzige Einsiedelei in der Sahara suchte – der "Ärmste der Armen".

Es stimmt, dass er mit einem teueren Kleid den Kalvarienberg betritt, aber dort stirbt er nackt und besitzlos – der heilige Franziskus wird deshalb genauso bloß am Boden seiner Zelle sterben wollen. Ja, schon am Tag seiner Geburt lag er arm und mittellos als hilfloses Kind im Stall. Jesus ist König und Bettler, Herr und Diener, Löwe und Lamm. Er trägt sowohl das goldene Gewand, als auch die Lumpen des Obdachlosen. Wer nur eines sieht oder anerkannt, läuft Gefahr – wie so viele, die das katholische "et...et..." (sowohl...als auch...) verkennen – den christlichen Glauben zu verraten.

Wehe uns, wenn wir das frierende Christkind nicht erkennen!

Warum aber ist Christus, der König, arm? Weil er uns reich machen will. Seine persönliche Mittellosigkeit geschieht nicht aus spartanischer Selbstbegrenzung oder dem Sinn für ökologische Nachhaltigkeit (die keineswegs etwas schlechtes oder geringes ist!), sondern um uns alle zu beschenken und die Leidenden – allen voran uns Sünder – von jeder Not zu erlösen. Ja, mehr noch, Christus identifiziert sich mit allen, die arm sind, von Hunger und Durst gequält werden oder kein Dach über dem Kopf haben. In der berühmten Gerichtsrede, die in den Werken der Barmherzigkeit zusammengefasst ist und die wir gerade im vergangenen Heiligen Jahr so oft betrachtet haben, misst der Herr die Liebe zu ihm am konkreten Einsatz für die Notleidenden. Ja, wehe denen, die den Armen nicht helfen, denn sie verachten Christus, der sagt: "Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan oder nicht getan habt, dass habt ihr mir getan oder mir verweigert." Wehe uns! – es muss in dieser Deutlichkeit eines "Denk mal!" gesagt werden – wenn wir an einem Obdachlosen gedankenlos vorbeigehen oder, schlimmer noch, uns über seine stinkende Kleidung und die "Hausbesetzung" einer Parkbank empören, um ihn dann davon zu vertreiben. Wehe dem, der Christus im goldenen Gewand umarmt, ihn aber in seinen zerrissenen Lumpen nicht sehen will! Wehe uns, wenn wir Christus nicht erkennen, der da frierend vor unserer Haustüre liegt! Wehe uns, wenn wir im Namen dessen, der in einer Futterkrippe lag, denen nicht helfen, die heute schlechter leben als Tiere!

Jesus war Menschenfischer, kein wohltätiger "Geldhai"

Mit dem Weihnachtstrubel kommen die "Spendenmarathons", bei denen man nette, gutaussehende Stars und Sternchen sieht, die um Hilfe für arme Menschen bitten. Das sind oft wunderbare und sehr sinnvolle Aktionen – aber könnten wir uns vorstellen, dass Jesus mit einem strahlenden Lächeln in die Kameras blickt und um Geld bittet, ja die Werbetrommel rührt, damit die Scheine und Schecks zu seinen Füßen fliegen? Christus sammelt Menschen, nicht Geld. Er gibt, was er hat, um damit ein Beispiel zu geben, dem viele folgen mögen. Er wird wirklich arm; sogar seines guten Rufes beraubt, denn mit Mördern wird er als Verbrecher hingerichtet. Wer der fröhlich-weihnachtlich gestimmten Schauspieler, Musiker und Politiker würde so weit gehen? Würde ich soweit gehen? Almosen geben – gerade Papst Franziskus unterstreicht das durch die neue Bedeutung der Elemosineria Pontificia – gehört neben dem Fasten und dem Gebet zum christlichen Alltag. Ein Almosen ist aber nicht nur die Münze im Klingelbeutel, sondern manchmal auch ein Opfer, das wirklich etwas kostet, wie es uns die arme Witwe im Evangelium zeigt, die mit einer kleinen Münze doch alles gibt, was sie besitzt. Geben darf wehtun, wie die hl. Mutter Teresa so oft gesagt hat, und soll eben nicht nur dazu dienen, das Gewissen am "Fest der Liebe" zu beruhigen. Ein Opfer muss zuerst und vor allem dem anderen dienen, und nicht mir. Ist es wirklich nötig, dass mein Bild im Fernsehen, in der Tageszeitung oder im Pfarrbrief erscheint? Vor allem aber muss es nicht immer Geld sein, das zum Almosen wird. Ist ein selbstgebackener Kuchen für die behinderte Dame im Altersheim nicht wertvoller als ein Geldschein? Kostet uns am Heilig Abend der Platz auf dem weichen Familiensofa für den alleinstehenden Herrn von nebenan nicht viel mehr als irgendein materielles Geschenk?

Ein Liebeslied für Jesus

Was Timothy Schmalz mit seinem Denkmal des "Obdachlosen Jesus" ohne Wort und doch nicht ohne Provokation sagt, das singt das stimm- und wortgewaltige österreichische Duo Seiler und Speer in ihrem bewegenden Lied "Der Letzte Schnee", das von einem Sandler (Obdachlosen) auf der Parkbank handelt. Die Botschaft der liegenden Statue vor der Elemosinera Apostolica erkennt nur der aufmerksame Betrachter. Ähnlich verhält es sich mit dem genannten Liedtext, der – schon allein wegen des österreichischen Dialektes – Aufmerksamkeit verlangt; aber die ist er sicherlich wert! Ganz anders als manche Schunkel-Balladen, deren wahllose Worte zum einen Ohr hinein und zum anderen hinausgehen, hat dieses Lied eine Botschaft. Gerade weil es kein schmalziges Liebeslied ist und auch nicht melodiös, jedoch völlig belanglos hinausposaunt "ich wünsch Dir noch ein g...es Leben", ist es – wenn auch mit harten, manchmal vielleicht derben und provozierenden Worten – ein wirkliches Liebeslied. Ist das Christkind, von dem da die Rede ist, etwa der arme Sandler auf seiner Bank, den der weiße Schnee zudeckt? Ja! - Für Christen, die die Gerichtsrede des Herrn kennen, kann es in der Tat ein vertontes Gedicht sein, das Jesus gilt, und so zu einem wirklichen Liebeslied wird.

 

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DER LETZTE SCHNEE

Da erste Schnee, foit gaunz saunft

und die Leid, gfrein sie ois wia,

sie kaufn Sochn, an schenan Bam und fiad Geschenke a Papier,

da klane Maxl sogt zua Mutter:

ich wünsch mir heuer an teuan Computer,

do sogt die Mutter: is ka problem,

wauna da ned gfallt kömman umtauschn gehen.


Auf an Bangl huckt a Sandla,

und er schaut gaunz gspaunnt zua,

Christkind, wos is los, wos is los mit dia?


Da erste Schnee foid gaunz saunft und de Leid vaprackn ihrn Lohn,

sie singan oh du fröhliche Weihnochtsdepression,

fressen kiloweis de picksiassn Keks,

saufn literweis in Glühwein und Punsch,

foische Tränen,

in Read

foische Gfühle,

a Bam aus Plastik, lieblicher Duft.


Und da Sandla sitzt do und erm schewats ois wia,

Christkind wos is los, wos is los mit dia?


Da letzte Schnee foit gaunz saunft und weit und breit is kana mehr do,
es is Bescherung die Kinda gfrein sie und de Eltern san unheimlich froh,
waun da Drummerboy nimma mehr trommelt und die Mama sogt: is Christkind is da, wauns daun singan ihr Kinderlein kommet,
was a jeda is Christkind woa brav.


Auf an Bangl liegt a Toda und da Schnee deckt erm zua,

pfiat Gott oame Sö, vielleicht findst jetzt dei Rua.
Fliag fliag fliag auf und davo vo vo,

wei do om friast friast friast du ned a so so so,

sei so guad fliag fliag fliag auf und davo vo vo,

wei do om friast friast friast du ned a so so so,

sei so guad fliag fliag fliag auf und davo vo vo,

wei do om friast friast friast du ned a so so so.

 

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