Traurige Erfahrungen sammeln einfach gläubige Katholiken zuweilen mitten in der heiligen Messe. Ein älterer, selbstbewusst auftretender Priester der "Generation Konzil" erklärte vor einigen Jahren nach dem Eingangslied der versammelten kleinen Herde: "Heute feiert die Kirche das Fest Kreuzerhöhung. Aber deswegen sind Sie nicht zur Messe gekommen. Sie wären ja wahrscheinlich auch sowieso heute Abend hier." Dem Sermon zur Eröffnung folgten weitere schulmeisterliche Betrachtungen, unbesonnen vorgetragen, nicht zur Besinnung einladend. Wie oft sind Gläubige im Gottesdienst einer modernistischen Form von religionspädagogischer Erklärungssucht ausgesetzt. Demütig das "Confiteor" zu sprechen und auf sämtliche Kommentare zu verzichten, die nicht zur Liturgie der Kirche hinführen, sondern eher eine Perspektive der souveränen Distanz, wenn nicht der auf- wie abgeklärten Abwendung bezeugen, könnte der erste Schritt zur Umkehr sein. Auch im Alltag wird einfach gläubigen Katholiken, an diesen wie an anderen Tagen im Kirchenjahr, die Erfahrung des Kreuzes am Fest Kreuzerhöhung zuteil.

Im Zuge der Liturgiereform wurde der Text des Evangeliums, das am 14. September verkündet wird, ausgetauscht. Wer an diesem Tag die heilige Messe nach dem Missale Romanum von 1962 mitfeiert, hört die Worte des Herrn über den Opfertod: "Ich aber werde, wenn ich von der Erde erhöht bin, alles an Mich ziehen." In der liturgischen Erklärung heißt es dazu präzise: "Das bewahrheitet sich auch bei der unblutigen Erneuerung des Kreuzesopfers." In der revidierten Fassung im "Novus Ordo" wechselt nicht nur die Perikope des Johannes-Evangeliums – das Wort über den Opfertod ist nur im Kommunionvers enthalten –, sondern auch die erläuternden Worte werden neu formuliert. Das Evangelium im Missale von 1962, Joh 12,31-36, endet mit einer Mahnrede über die Bedrohung durch die Finsternis und den Worten Jesu: "Glaubt an das Licht, solange ihr das Licht habt, damit ihr Kinder des Lichts seid." Dem freilich steht nicht entgegen, was wir im "Novus Ordo" hören – in der ausgewählten Perikope, Jesu Rede an Nikodémus (Joh 3,13-17), wird betont, dass Gott seinen Sohn in die Welt gesandt habe, nicht damit sie gerichtet, sondern gerettet werde: "Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat."

Die Hingabe, das Kreuzesopfer, scheint besonders in den erklärenden Texten abgeschwächt zu werden und in den Hintergrund zu treten. Wir lesen dort: "Unmenschlich wäre das Kreuz, wäre es nicht das Kreuz des Gottmenschen. So aber ist es die Wende der Zeit, der Altar der Welt. Gottes Heiligkeit und seine unfassbare Freiheit leuchten im Kreuz. Im Kreuz Jesu und im Kreuz, das dem Jünger zu tragen gegeben wird." Die präzise liturgische Deutung verliert sich nunmehr in einem gutgemeinten theologischen Wortnebel. Doch ganz normale Katholiken wissen von innen her: So wenig wie der Herr können auch wir dem Kreuz ausweichen. Es ist in unsere Wege eingezeichnet. So wenig wie die Taufe ein Wellnessbad ist, so wenig gleicht die Pilgerreise des Christen durch diese Welt einer sonnigen Reise auf einem Ozeandampfer. Schmerz, Traurigkeit und Not begleiten uns, von Anfang an bis ans Ende der Zeiten, so auch bis zu unserem letzten Amen, dass nicht wir selbst sagen, sondern dass der Herr uns zusprechen wird. Dem Kreuz werden wir nicht ausweichen können. Wir treten als gläubige Katholiken in die Passionsgemeinschaft mit Christus ein.

Das Fest Kreuzerhöhung spricht von der Liebe Gottes zur Welt. Von innen her sehen wir den am Kreuz erhöhten Herrn. Christus schaut am Kreuz voller Liebe auf diese Welt, auf jeden Einzelnen von uns. Dieser Blick des Gekreuzigten ist in die Botschaft dieses Festes eingezeichnet. Benedikt XVI. hat am 9. September 2007 die Abtei Heiligenkreuz besucht und uns mit seinen Worten auch eine kostbare Deutung für dieses Fest geschenkt: "Unser Licht, unsere Wahrheit, unser Ziel, unsere Erfüllung, unser Leben – all das ist nicht eine religiöse Lehre, sondern eine Person: Jesus Christus. Noch viel mehr als wir Menschen Gott je suchen und ersehnen können, sind wir schon zuvor von ihm gesucht und ersehnt, ja gefunden und erlöst! Der Blick der Menschen aller Zeiten und Völker, aller Philosophien, Religionen und Kulturen trifft zuletzt auf die weit geöffneten Augen des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes Gottes; sein geöffnetes Herz ist die Fülle der Liebe. Die Augen Christi sind der Blick des liebenden Gottes. Das Kreuzesbild über dem Altar, dessen romanisches Original sich im Dom von Sarzano befindet, zeigt, daß dieser Blick einem jeden Menschen gilt. Denn der Herr schaut jedem von uns ins Herz."

Am Fest Kreuzerhöhung mögen wir besonders daran denken, dass Gottes Augen auf uns ruhen und dass Sein Herz unruhig ist nach uns. Gott bettelt um unsere Liebe. Spüren wir das noch? Sind auch wir unruhig nach Gott? Oder möchten wir Ihm und dem Kreuz am liebsten ausweichen? Am Fest Kreuzerhöhung sind wir eingeladen, Jesu Worte an an Nikodémus zu bedenken: Gott hat die Welt so sehr geliebt … und dieses Wort möge uns im Herzen treffen und ganz erfüllen, so dass wir uns neu zu Ihm bekehren.

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