Der regionalkirchliche Eigensinn wächst. Manche nennen es Diversität oder Vielfalt, andere Irritation und Konfusion. "Wir können Aufbruch!" hatte Bischof Dr. Heiner Wilmer in seinem ersten Hirtenwort erklärt. Er meinte das ermutigend. Diese Wendung entlockte trotzdem nicht wenigen Gläubigen in den Kirchenbänken vor einem Jahr ein hintersinniges Schmunzeln. Wer ist "wir", und wohin brechen "wir" auf?

"Aufbruch" können im Moment allerdings nahezu alle – wenn man den medialen Inszenierungen sowie den zugehörigen Nebelwörtern traut.

Nur wohin wollen – ein weiterer Begriffsschwamm – "die Menschen heute" eigentlich gehen? Die verkaufsoffenen Sonntage erfreuen sich eines größeren Zuspruchs als heilige Messen oder protestantische Gottesdienste. Auch in Fußballstadien versammeln sich Begeisterte, an jedem Wochenende. Die Protestmärsche der Greta-Thunberg-Klimabewegung ziehen Hunderttausende an. Auch am Berliner "Marsch für das Leben", der stets von Protestkundgebungen begleitet ist, nehmen jährlich ein paar Tausende teil.

Synodal wird sicherlich irgendwie bald ganz vieles integriert, inkludiert, inkorporiert und inkulturiert sein. Alles ist heute synodal, so scheint es, und alle können Aufbruch. Alle sind synodal motiviert und mittendrin – oder außen vor. Weiß noch jemand, wohin die Reise eigentlich geht? Das "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" bietet eine Erklärung für den Begriff Synodalität an und erklärt die "synodale Kirche" folgendermaßen:

"Synodalität meint begrifflich: einen Weg gemeinsam gehen. Als getaufte und geistbegabte Menschen gehen Christinnen und Christen gemeinsam auf einem Weg von der Zeit in die Ewigkeit. Christenmenschen leben eine Existenz auf dem Weg – wandernd immerzu wie Jesus in seiner Zeit in Galiläa und Judäa, gemeinsam miteinander unterwegs als Volk Gottes, begleitet dabei vom lebendigen Heiligen Geist. In diesem viatorischen Dasein des Menschen (»via« lateinisch für »Weg«) ist es eine angemessene geistliche Grundhaltung, sich in den eigenen Lebensprozessen von anderen Menschen trösten, aufrichten, beraten und zur Umkehr rufen zu lassen."

Von Sakramenten – die "Umkehr" erinnert von ferne an die Buße – ist nicht die Rede. Gewünscht werden aber "ergebnisoffene Gespräche". Auch Schwerpunkte werden benannt, die offenbar von "kirchlich engagierten Menschen" auf irgendeine Weise dialogisch-diskursiv abgestimmt wurden:

"Zu den Themen, die viele der kirchlich engagierten Menschen heute ergebnisoffen unter synodalen Rahmenbedingungen besprechen möchten, gehören vor allem: (1) der Zuschnitt der pastoralen Räume in Achtung der Ämter von ordinierten und nicht-ordinierten getauften Christinnen und Christen; (2) die Diskrepanz zwischen der römisch-katholischen Lehre und der gelebten Praxis im Blick auf das Beziehungsleben der Menschen mit seinen biographisch bedingten Wandlungen; (3) Wege, die bei der Suche nach Gott unter missionarischer Perspektive hilfreich sind; (4) neue Formen der Liturgie, die einladend auf Menschen wirken; (5) die diakonische Dimension kirchlicher Existenz; (6) Fragen der christlichen Ökumene und des interreligiösen Dialogs; (7) die sozial-politische und ökologische Verantwortung der christlichen Gemeinden."

Zugegeben, die Wittenberger Thesen des rebellischen Augustinermönches Martin Luther – er konnte übrigens 1517 auch das, was heute sibyllinisch "Aufbruch" genannt wird, und vielleicht ist er einigen Zeitgenossen ja ein geheimes Vorbild – waren pointierter, ja schneidiger formuliert. Wer den Sieben-Punkte-Katalog sich anschaut, am 16. Dezember 2016 vom ZdK publiziert, wird einiges davon demnächst auf den Gesprächsforen des "Synodalen Wegs" in Deutschland wiederentdecken. Ob der "lebendige Heilige Geist" die neuen Formen der Wanderschaft begleiten wird? Wer oder was sind eigentlich "kirchlich engagierte Menschen"? Woran ist das erkennbar? Wodurch zeichnen sich Engagierte aus? Ich kenne immerhin gläubige, betende Menschen. Anscheinend bin ich nicht kirchlich engagiert, zumindest dann nicht, wenn die vom ZdK genannten Themen der Identitätsmarker für kirchliches Engagement heute sind. Vielleicht sind das alles aber gar nicht die wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit? Könnte das sein? Sogar Martin Luther hätte zugestimmt: Es geht einzig und allein um die Frage nach Gott.

Der "synodalen Kirche" gehöre ich so wenig an wie einer kirchenpolitischen Partei – vielleicht geht Ihnen das auch so? Über das Credo der Kirche bin ich nicht hinausgekommen. In einer "biographisch bedingten Wandlung" stehe ich übrigens auch: Ich werde einfach nur älter. Doch die Kirche aller Zeiten und Orte hält mich von innen her jung. Auch darum bleibe ich römisch-katholisch.

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