Mit der vorliegenden „Hommage an das zeitlose Werk Thomas Molnars“ soll das „dröhnende Schweigen“ durchbrochen werden, das dem katholischen Philosophen, der aus Ungarn stammte und hauptsächlich in den USA lehrte, ungerechterweise entgegengebracht wird. Das Buch „Einer, der nicht nach Utopia wollte“ ist ihm zu seinem 100. Geburtstag gewidmet.

Thomas Steven Molnar wurde am 26. Juli 1921 in Budapest als Tamás István Molnár geboren. Nach seiner Flucht aus der Heimat studierte er ab 1944 in Brüssel und in New York. An der dortingen Columbia University promovierte er in Philosophie und Geschichte.

Molnar, verheiratet und Vater, lehrte am Brooklyn College und war Professor an der Long Island University. Im Jahr 1969 sehen wir den ungarisch-amerikanischen katholischen Philosophen, Historiker und politischen Theoretiker an einer Hochschule in Südafrika. Wieder auf den amerikanischen Kontinent zurückgekehrt, lehrt er am Hillsdale College in Michigan, an der Yale University und schließlich an der Universidad de Mendoza in Argentinien.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der erfolgten politischen Wende in Ungarn war er Gastprofessor für Religionswissenschaften an der Universität Budapest sowie an der Katholischen Péter-Pázmány-Universität. Thomas Molnar war seit 1995 Mitglied der Ungarischen Akademie der Künste. Er starb am 20. Juli 2010 in Richmond, Virginia, USA.

Da „Molnars Werk beschwiegen“ wird, kann man den acht Gelehrten, die in diesem Buch die Kernpunkte des Denkens Molnars „mit Scharfsinn und Durchblick“ skizzieren, nur dankbar sein. Die Arbeiten Molnars, der in französischer und englischer Sprache schrieb, sind im Deutschen kaum bekannt. Seine Überlegungen im Bereich Religion, Politik und Erziehung wurden bisher geflissentlich überhört.

Molnar war ein konservativer Denker. Im Vorwort des Buches werden drei Schwerpunkte seines Denkens festgestellt: „Die Frage nach dem Sinn von Autorität, die Analyse des utopistischen Gehalts von Ideologie und philosophischen Theorien sowie das Verhältnis von Staat und Kirche.“ Dass eine Auseinandersetzung mit diesen Themen gerade heute und in unserer Heimat notwendig erscheint, sollte jedem denkenden Menschen, der an der gesellschaftspolitischen Situation Europas – aber auch der Kirche – leidet, klar sein.

Nicht nur durch seine „Abneigung gegen den freien Markt und den Liberalismus“ hat sich Molnar vom amerikanischen Mainstream abgegrenzt, dies geschah auch „durch seine offene Ablehnung vieler Elemente des amerikanischen konservativen Denkens“. Stattdessen importierte Molnar „französisch-katholische konservative Ideen“ in die USA, die aber wenig Beachtung fanden. Zu nennen sind besonders „Gleichheit, Autorität, Hierarchie und das Heilige“.

„Wie beurteilt der realistische Philosoph, der auch gläubiger Katholik ist, die Entwicklungen, die sich in der westlichen Gesellschaft und Kultur seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und insbesondere seit 1968 vollzogen haben?“ Diese Frage stellt Prof. Alain Contat in seinem Beitrag über Molnar und Thomas von Aquin – und gibt diese Antwort:

Dies ist der rote Faden, der sich durch das gesamte umfangreiche und verdienstvolle Werk von Thomas Molnar zieht. Er gehört zu der gar nicht so großen Gruppe derer, die schon früh die Alarmglocken läuteten angesichts eines Prozesses, für den es in der Geschichte Vorbilder gibt – zum Beispiel der Fall des Römischen Reiches – und den man schlechthin „Dekadenz“ nennt:

So besagt Dekadenz übereinstimmend mit Perikles: Ein politisch mächtiges Volk, verbunden durch edle Ideale, die ihm eine edle Haltung geben, ist von diesen Idealen abgefallen und hat sich damit von dieser Haltung gelöst. Einst stark, ist es schwach geworden, einst zielbewusst, jetzt zögernd und verzichtend, einst wahrheitsgläubig, nun aber zynisch. Was ihm einst Wirklichkeit bedeutete (denn anders hätte es kein Opfer dafür gebracht), betrachtet es nun mit Gleichgültigkeit, Skepsis, Spott. Eine solche Wirklichkeit kann Transsubstantiation bedeuten – wirkliche Gegenwart –, sie kann nationale Integrität, Naturrecht usw. sein. Jetzt glaubt es, alles in dieser Welt sei vergänglich und illusorisch, und so gibt es sich den Vergnügungen und Annehmlichkeiten des Augenblicks hin.

Die Dekadenz manifestiert sich demnach als jenes kollektive Phänomen, das durch gnoseologischen Skeptizismus und moralischen Hedonismus gekennzeichnet ist, und sie zerstört von innen her den Glauben – beispielhaft in der Transsubstantiation –, das politische Gemeinwohl – die nationale Integrität – und die Grundlagen der Moral – das Naturrecht.

Seine Beschäftigung mit zahlreichen sozialen und religiösen Phänomenen – all das, was er der Nachwelt hinterlassen hat – ist es wert, nicht vergessen zu werden. Molnar arbeitete schon in den Zeiten, als antiautoritäre Erziehungsmodelle en vogue waren, das Positive an der Autorität heraus. Dies war den „Weltrevolutionären“ seiner Epoche wie dem heutigen Mainstream zuwider und wurde totgeschwiegen. Doch der Philosoph ließ sich dadurch nicht bedrängen, sondern „schuf mit klarem Stil und Konzentration auf das Wesentliche“ „eine philosophische Antipode zu den bestimmenden Theorien unserer Zeit“.

Molnar zeigt mit seinen Untersuchungen „detailliert und mit einem weiten historischen Rundumschlag, wie die Mehrzahl der großen westlichen Philosophien seit der Moderne utopische Denkmuster aufweisen. Seine Analyse ist aktuell wie nie und ermöglicht dem Leser einen neuen geschärften Blick auf die derzeitigen politischen und gesellschaftspolitischen Strömungen.“

Die acht jungen internationalen Wissenschaftler tragen mit ihren Essays in diesem Buch dazu bei, das Verständnis für Thomas Molnar auch im deutschen Sprachgebiet zu wecken. Sein Denken, das sich nicht nur gegen den überkommenen kommunistischen Internationalismus richtete, sondern auch gegen den Liberalismus, „der so oft die nationalen Grenzen, aber auch die Identität und Kulturen zerstört“, ist aktueller denn je.

Jan Bentz, Jochen Prinz (Hrsg.): Einer, der nicht nach Utopia wollte: Thomas Molnar zum 100. Geburtstag; Patrimonium-Verlag 2022; 162 Seiten; 25 Euro

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