Den Kreuzweg zu beten ist einer der ältesten Andachtsübungen der Christenheit. Dabei gehen Beter die 14 Stationen der "Schmerzreichen Straße" – Via Dolorosa – in Jerusalem betend und gedanklich mit Jesus verbunden, hinauf nach Golgota, wo sich sein Leidensweg in aller Brutalität am Kreuz vollendet.

Das Kreuzweg-Gebet ist in den vergangen fünf Jahrzehnten aus sehr vielen Pfarrkirchen verschwunden; vielerorts sogar die 14 Kreuzwegstationen, welche in jeder katholischen Kirche angebracht waren. Wie bei einer Wallfahrt wurde an den einzelnen Stationsbildern auf dem Leidensweg Jesu Christi gebetet und betrachtet.

Der furchtbar demütigende und schmerzhafte Leidensweg des Heilandes, der am Kreuz erst mit dem Lanzenstich in sein Herz ein brutales Ende fand, ist dem heutigen Menschen kaum mehr zu vermitteln. Viele verschließen davor die Augen.

Bei der Andacht des Kreuzweges geht es nicht um eine Deutung von Jesu Tod. Beter gehen glaubend entlang der 14 Stationen, halten inne, und erkennen die Großtat Jesu Christi, durch die ihnen die Erlösung zukommt. Sie erkennen im Passionsgeschehen, das sie mit Gott in Verbindung bringt, weil Jesus nicht nur im Namen Gottes gelebt hat, sondern auch im Namen Gottes verurteilt und umgebracht wurde, stückweise ihren eigenen Lebensweg und legen ihn in die Hände des Erlösers. Beter des Kreuzweges glauben an Gott; und sie "wissen" um das Geschehen.

In der Zeitschrift "Theologisches" (Juli/August 2014) erschien ein Aufsatz von Dr. med. Ewa Kucharska mit dem Titel "Der Kreuzestod Jesu unter medizinischen Gesichtspunkten". Darin beleuchtet die Direktorin des Medizinzentrums "Vadimed" am Collegium Medicum der Jagiellonen-Universität von Krakau Jesu Tod anhand der neuesten medizinischen Erkenntnisse. Sie lässt dabei Fachleute aus verschiedensten medizinischen Fachrichtungen zu Wort kommen, die manchmal ihre Forschungen anhand tatsächlicher Geschehnisse begründen oder verifizieren.

Der Autor dieses Beitrages veröffentlicht hier, mit der Erlaubnis des Herausgebers von "Theologisches", Prof. Dr. Manfred Hauke, in weiten Teilen Ausschnitte aus dem Aufsatz von Dr. Kucharska.

Über "Direkte Todesursachen Jesu Christi am Kreuz" schreibt die Medizinerin:

"Christus ist am Kreuz verstorben. Aber was war die direkte Ursache seines Todes? Diese Frage bleibt immer noch offen. Die Untersuchungen und Diskussionen unter medizinischen Gremien geben keine befriedigende Antwort. War es die Prellung des Herzmuskels? War es Erstickung? Handelte es sich um Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt im Verlauf der Folter? Die Kenntnisse der Anatomie und der altertümlichen Kreuzigungsmethoden helfen bei den Untersuchungen. Die Frage des Todes von Christus bleibt jedoch unbeantwortet. Man sollte nicht vergessen, dass sich Jesus vor der Kreuzigung in einem kritischen Zustand befand. Er starb vor Erschöpfung. Wie Dr. Pierre Barbet, Chirurg im St. Joseph-Krankenhaus in Paris, meinte, starb Jesus vor Erstickung. Ein solcher Aspekt kann angenommen werden, wenn ein gekreuzigter Mensch einen geöffneten Brustkorb hat, was das Einatmen wesentlich beeinträchtigt. Der Körper des Verurteilten hängt mit gestreckten Armen und gebogenen Knien.

[…] Um einzuatmen, musste der gekreuzigte Mensch die Arme heben, sich auf die Füße stützen und die Knie strecken. Dann kommen starke Schmerzen der durchbohrten Füße, der Handwurzeln und der Hände vor, was mit Beschädigung und Unterbrechung der Kontinuität von Gelenken und Muskeln verbunden ist."

Im Folgenden werden Teile des Aufsatzes von Dr. Ewa Kucharska in eine Kreuzwegandacht eingefügt. Die geschilderten medizinischen Erkenntnisse sollen darin dem Leser, Betrachter und Beter die Möglichkeit geben, in die (angenommene) menschliche Erfahrung Jesu bei seinem Kreuzweg einzutauchen. Aus Gründen der Verständlichkeit wurden viele medizinische Fachausdrücke weggelassen, erklärt oder anders formuliert.

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Kreuzweg unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus

+ Kreuzweg - 1. Station - Jesus wird unschuldig zum Tode verurteilt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und preisen Dich,

denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöst.

Es ist Fastenzeit! Bald ist die Karwoche. Die Liturgie der Kirche führt uns mit den Texten der hl. Schrift an das Geheimnis des Opfers Jesu heran, an seinen Tod am Kreuz.

Aber WIE haben wir uns den Kreuzestod Jesu unter medizinischen Gesichtspunkten vorzustellen?

Wir lesen diese Texte und beten den Kreuzweg.

Christus ist am Kreuz verstorben. Aber was war die direkte Ursache seines Todes? Diese Frage bleibt immer noch offen. Die Untersuchungen und Diskussionen unter medizinischen Gremien geben keine befriedigende Antwort. War es die Prellung des Herzmuskels? War es Erstickung? Handelte es sich um Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt im Verlauf der Folter?

Die Kenntnisse der Anatomie und der altertümlichen Kreuzigungsmethoden helfen bei den Untersuchungen. Die Frage des Todes von Christus bleibt jedoch unbeantwortet. Man sollte nicht vergessen, dass sich Jesus vor der Kreuzigung in einem kritischen Zustand befand. Er starb vor Erschöpfung.

Allmächtiger, ewiger Gott, verleihe uns, die Geheimnisse des Leidens des Herrn so zu begehen, dass wir Vergebung unserer Sünden zu erlangen verdienen. Amen.

Vater unser.

Die nächste Station des Kreuzwegs erscheint morgen. Eine Übersicht aller Stationen – und mehr zum Thema Kreuzweg – finden Sie hier. 

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