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Postmodernistische Ideologien

Büste Karl Marx (1953) des Bildhauers Will Lammert Standort: Berlin-Friedrichshain

Papst Benedikt XVI. hat in den Enzykliken seines Pontifikates furchtlos und respektvoll Schriften der „Frankfurter Schule“, also der „Kritischen Theorie“, aufgenommen und bedacht. Wer die Signaturen der Zeit verstehen möchte, der mag sich als Katholik anregen lassen von der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte und Abweichungen von dieser als solche benennen. Der Katechismus schenkt verlässliche Orientierung und ermöglicht die Unterscheidung der Geister, die nötig ist und nötig bleibt.

Zugleich aber könnten auch Gedanken von zwei versierten Theoretikern aus dem 19. Jahrhundert bedacht werden. Dietmar Dath hat schon vor einigen Jahren im „Deutschlandfunk“ darauf aufmerksam gemacht, freilich nicht bezogen auf das real-existierende Kuriositätenkabinett namens Kirche. Karl Marx und Friedrich Engels analysieren „Die deutsche Ideologie“. So legt Engels dar: „[Der Ideologe] arbeitet mit bloßem Gedankenmaterial, das er unbesehen als durchs Denken erzeugt hinnimmt und sonst nicht weiter auf einen entfernteren, vom Denken unabhängigen Ursprung untersucht, da ihm alles Handeln, weil durchs Denken vermittelt, auch in letzter Instanz im Denken begründet erscheint.“

Ideologisches Denken bedarf einer ökonomischen Grundlage. Es findet statt in einem ganz eigenen Kosmos und wird als plausible Weltdeutung verstanden. So firmieren heute die von Michel Foucault inspirierten „Humanwissenschaften“, in denen oft bunt illuminierte Ideen, Theorien und Vermutungen jeglicher Art verknüpft werden, als wissenschaftliche Autorität. Wer in der Kirche öffentliche Geltung und Resonanz für modernistische, vermeintlich aufklärerische Ideen beansprucht, tritt in der Regel als Freund und Verfechter der „Humanwissenschaften“ auf. Marx und Engels sprechen dagegen von „unschuldigen“ und „kindlichen Phantasien“. Die scheinbaren Reformer und Aufklärer werden beschrieben: „Die Menschen haben sich bisher stets falsche Vorstellungen über sich selbst gemacht, von dem, was sie sind oder sein sollen. Nach ihren Vorstellungen von Gott, von dem Normalmenschen usw. haben sie ihre Verhältnisse eingerichtet. Die Ausgeburten ihres Kopfes sind ihnen über den Kopf gewachsen. Vor ihren Geschöpfen haben sie, die Schöpfer, sich gebeugt. Befreien wir sie von den Hirngespinsten.“

Manche Personen also, die sich heute als Aufklärer verstehen und die Kirche neu erfinden möchten, richten sich darauf aus, „falsche Vorstellungen“ des Volkes Gottes ingeniös und kritisch zu entzaubern. Sie appellieren unbestimmt an „DIE Wissenschaft“, als ob eine wissenschaftliche These oder Meinung die letzte Offenbarung wäre. Peter Schneider hat mit „Follow the Science“ einen hellsichtigen Essay dazu verfasst. Bischof Dr. Georg Bätzing warb am 15. März für eine „Offenheit für neuere Ergebnisse der Humanwissenschaften“ – und, wohlgemerkt, nicht für eine kritische Diskussion, wie sie für Geistes- und Sozialwissenschaften angemessen wäre. Wer irgendwelche „Ergebnisse der Humanwissenschaften“ absolut setzt, wird – absichtlich oder nicht – zu einem Sympathisanten von Ideologien.

Theodor W. Adorno schreibt in „Theorie der Halbbildung“ klarsichtig: „Die gegenwärtig in Wahrheit wirksamen Leitbilder sind das Konglomerat der ideologischen Vorstellungen, die in den Subjekten sich zwischen diese und die Realität schieben und die Realität filtern.“ (Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 8, Frankfurt/Main 1972, 104) Das kategorische Bekenntnis zu den „Humanwissenschaften“ bekräftigte Bischof Bätzing dann am 23. März 2021 in einem Interview: „Ich bin jedoch zutiefst davon überzeugt, dass die katholische Sexuallehre einer Weiterentwicklung im Licht der seit Jahrzehnten vorliegenden humanwissenschaftlichen und theologischen Erkenntnis bedarf. Veränderung gehörte schon immer zum Wesen der Kirche. Wer sie verweigert, der gefährdet die Einheit der Kirche.“

Man darf dagegen sagen: Die Kirche lehrt keine Hirngespinste, das christliche Menschenbild fußt auf der Heiligen Schrift. Die kirchenpolitischen Debatten, die gegenwärtig bestehen, sowie deren öffentlichkeitswirksame Inszenierung wären nicht möglich – und das würden Karl Marx und Friedrich Engels bestätigen – ohne ökonomische Grundlage, d. h. ohne die finanzielle Alimentierung der Beteiligten und der Veranstaltungen durch Kirchensteuermittel. Bei dem digital durchgeführten „Synodalen Tag“ am 29. Mai 2021 waren – so informiert das Bistum Hildesheim – „300 Gläubige“ virtuell beteiligt. Wie viele davon mögen Hauptamtliche des Bistums, Kleriker wie Weltchristen, und Mitglieder des Synodalforums „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ aus ganz Deutschland gewesen sein?

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