16 Mai, 2022 / 8:30 AM
Es bleibt wichtig, die Texte und Dokumente, die auf dem „Synodalen Weg“ in der Kirchenprovinz Deutschland kursieren, ebenso wie die Statements prominenter Würdenträger zu prüfen, ob diese mit der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte übereinstimmen oder nicht. So lässt sich auch erkennen, ob und inwieweit die beschlossenen Texte oder Beschlussvorlagen mit dem Geist und Buchstaben des Zweiten Vatikanischen Konzils übereinstimmen oder nicht. Ich frage mich manchmal: Was hätte der große und bis heute bewunderte Konzilspapst Johannes XXIII. über diese Veranstaltung gesagt? Als Anregung, um darüber nachzudenken, möchte ich an eine sicher selten gelesene und nahezu vergessene Homilie erinnern, vorgetragen bei der Krönungsmesse am 4. November 1958.
Johannes XXIII. dankt für den Zuspruch und die ermutigenden Worte, die er nach seiner Wahl zum Stellvertreter Christi erhalten hat. Er spricht von der „Vielfalt der gewaltigen Aufgaben“, skeptisch äußert er sich über die Erwartungen an ihn: „Die einen hoffen im Papst vor allem den geschickten Diplomaten und Staatsmann zu finden, die andern den Wissenschaftler, den Organisator des Gemeinschaftslebens oder den, dessen Geist allen Formen des Fortschritts des modernen Lebens ohne Ausnahme aufgeschlossen ist.“
Diesen Wünschen erteilt er eine eindeutige Absage: „Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, sie alle sind nicht auf dem rechten Weg, da sie sich ein Papstideal vorstellen, das der wahren Idee keineswegs entspricht.“ Johannes XXIII. erinnert an das „wunderbare Bild des Evangeliums“ aus Joh 10,7, als sich der Herr, der Gute Hirte, als „Tür des Schafstalls“ bezeichnet: „In diesen Schafstall Jesu Christi gelangt niemand, wenn nicht unter der Leitung des Papstes; und die Menschen können nur, wenn sie mit ihm verbunden sind, mit Sicherheit gerettet werden, denn der römische Papst ist der Stellvertreter Christi und repräsentiert Ihn auf Erden. Wie süß, wie tröstlich ist es, das Bild des Guten Hirten vor Augen zu haben, das im Evangelium so wunderbar beschrieben und ausgeschmückt wird!“ Die „menschlichen Qualitäten“, die so oft betont und gewünscht werden, bleiben sekundär, denn sie „können das Hirtenamt ergänzen und schmücken, können es aber niemals ersetzen“. Genauso erwarten heute auch Gläubige von ihrem Bischof oder ihrem Papst nicht eine besondere Affinität zum Zeitgeist. Ein Hirte wird nicht als Moderator von modernen Meinungen vorgestellt. Johannes XXIII. sagt: „An erster Stelle muss der Eifer und die Wachsamkeit des Guten Hirten stehen; er muss immer für die schwierigsten Lagen bereit sein, geradlinig, klug, beständig, und darf auch die äußerste Prüfung nicht scheuen: ,Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe´ (Joh 10,11).“ Die Kirche des Herrn sei der Schafstall. Er sei berufen, die Schafe „zu schützen“. Darum müsse er „gegen den angreifenden Wolf kämpfen“. Zugleich sei er berufen, noch weiter zu blicken: „,Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafstall sind, und ich werde sie herbeiführen; sie werden meine Stimme hören, und es wird ein Schafstall und ein Hirte sein´ (Joh 10,16). In diesen Worten ist die ganze Größe und Würde der Missionsaufgabe ausgedrückt. Das ist die erste – wenn auch nicht die einzige – Aufgabe des römischen Papstes; denn mit dieser sind auch noch viele andere Sorgen von nicht geringerem Gewicht verbunden.“ In der dem Evangelium gemäßen „Sanftmut und Demut“ solle der Papst wachsen.
Johannes XXIII. erinnert an den hl. Karl Borromäus und dessen Einsatz für die Durchführung der Dekrete des Konzils von Trient: „Die Kirche Gottes hat, wie ihr wißt, im Laufe der Jahrhunderte Zeiten des Stagnierens und des neuen Lebens gekannt. In einer solchen Zeit hat die Vorsehung dem hl. Karl Borromäus die hohe Aufgabe vorbehalten, in besonderem Maße an der Wiederherstellung der kirchlichen Ordnung mitzuarbeiten.“
Die lichtreiche Gestalt des verehrten Papstes Johannes XXIII. steht uns vor Augen. Viele erinnern sich dankbar an sein Wirken – und alle Päpste, die ihm folgten, sind ihm in großer Wertschätzung verbunden, so sehr wie er selbst seinem unmittelbaren Vorgänger Pius XII. Wenn wir uns heute inmitten der Glaubens-, Gottes- und Kirchenkrise in Deutschland ins Gedächtnis rufen, was der heilige Johannes XXIII. zu Beginn seines Petrusdienstes den Gläubigen und allen Menschen guten Willens zurief, so erkennen wir den Weg der Kirche und die Abwege der Weltlichkeit. Gottesfürchtige Katholiken zittern heute weder vor den Beschlüssen der Synodalversammlung noch vor den luftigen Debatten in deren Umfeld, aber die aufrichtige Sorge vor einem konzilswidrigen Synodalen Irrweg besteht.
Ein Beispiel dafür aus dem „Grundtext Macht“: „Dass Mehrdeutigkeit auch in der Interpretation von Lehraussagen legitim und eine Chance ist, betrifft auch die Debatten auf dem Synodalen Weg.“ So ersetzt die Diskursgläubigkeit den Glauben an Gott und die Kirche des Herrn. Wenn Sie sich die Homilie aus der Krönungsmesse ansehen und bedenken – sehen Sie irgendwelche Spielräume für die virulente Unbestimmtheit? Johannes XXIII. hätte – so wie er das Amt des Papstes bestimmt hat – an den Schafstall Jesu Christi erinnert und an die Notwendigkeit der Treue zur Kirche von Rom. Natürlich könnte sich auch eine deutschkatholische Kirche der zeitgeistlich inspirierten Postmodernisten weiterhin römisch-katholisch nennen, aber der Name allein genügt nicht.
Fragen wir uns also: Was würde Johannes XXIII. heute über den deutschen „Synodalen Weg“ denken? Wir könnten die Worte des Papstes vom 4. November 1958 als prophetisch verstehen, bezogen auf den Weg der Kirche in Deutschland in dieser Zeiten: „In diesen Schafstall Jesu Christi gelangt niemand, wenn nicht unter der Leitung des Papstes; und die Menschen können nur, wenn sie mit ihm verbunden sind, mit Sicherheit gerettet werden, denn der römische Papst ist der Stellvertreter Christi und repräsentiert Ihn auf Erden.“
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