Essen, 15 Januar, 2024 / 10:00 AM
Bischof Franz-Josef Overbeck hat erklärt, die gegenwärtige Kirchenkrise „berührt die Wurzeln unseres Selbstverständnisses als Christinnen und Christen, vor allem aber als katholische Kirche“. In einem am Sonntag in den Kirchen der Diözese Essen verlesenen Hirtenwort betonte der Bischof: „Das, was manche als ‚Kirchenkrise‘ bezeichnen, ist schlicht und ergreifend eine Realität, die bleibt.“
Tatsächlich gehe der „dramatische Umbruch, den wir zu bestehen haben“, letztlich „viel tiefer als jede ‚Krise‘“. Vor diesem Hintergrund gelte: „Vieles, was lange Zeit als unantastbar und unveränderlich galt, steht heute in Frage. Wer insgeheim immer noch hofft, irgendwann werde die ‚Krise‘ schon überstanden sein und dann werde all das, was früher galt, wieder ‚neu‘ und ‚verändert‘ ins Recht gesetzt, erliegt einer Illusion.“
„Es ist gefährlich, dieser Illusion zu folgen oder gar zu meinen, den Zustand einer vermeintlich guten alten Kirchen-Zeit mit autoritärem Druck wieder herstellen zu wollen“, warnte Overbeck. „Denn solche Wege verschließen den Blick für die Realität der Welt von heute – und vor allem für die Menschen, die heute und in den kommenden Generationen in dieser Welt leben.“
Er wolle eine Wahrheit „ungeschminkt“ aussprechen, erklärte der Bischof von Essen: „Es gibt kein Allheilmittel, das den Trend einer sogenannten ‚Entkirchlichung‘ unserer Gesellschaft stoppen könnte. Daran werden auch die aus meiner Sicht dringend notwendigen Reformen, die der synodale Weg beschreibt, nicht etwas grundsätzlich ändern – und auch nicht die flammenden Appelle zu einer ‚Neuevangelisierung‘, die oft so klingen, als bräuchte den Menschen einfach nur besser erklärt werden, woran sie glauben sollen, damit sie es dann auch tun.“
„Nein, wir werden aushalten müssen, dass eine zunehmende Mehrheit in unserem Land keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören will“, zeigte sich Overbeck überzeugt. „Wir werden aushalten müssen, dass Religion und Glaube für sehr viele Menschen noch nicht einmal mehr eine Frage ist.“
Es brauche „den Mut, endlich damit aufzuhören, an einer verklärten Gestalt von ‚Volkskirche‘ festzuhalten, die es so nicht mehr gibt und auch nicht mehr geben wird“, forderte der Bischof.
„Unser Glaube an den lebendigen Gott verträgt keinen Stillstand“, betonte er. „Jeder Versuch, im Namen einer angeblich unveränderlichen Tradition bedingungslos alle Veränderungen zu verhindern, ist zum Scheitern verurteilt. Tradition ist wie ein Fluss, dessen Wasser sich aus unterschiedlichen Quellen speist, aber doch aus dem Grund der Erde stammt – und dann stets in Bewegung bleibt.“
„Es besorgt mich sehr, mit welcher Unbarmherzigkeit viele innerkirchliche Auseinandersetzungen zuweilen geführt werden“, führte Overbeck aus. „Manche Themen werden zu Schauplätzen äußerst intensiver und verletzender Anfeindungen, oft getarnt im Mantel vermeintlicher Rechtgläubigkeit. Einige gehen dabei gar so weit, ihren Mitchristinnen und Mitchristen aufgrund einer anderen Meinung oder Haltung das Katholisch-Sein abzusprechen. Das dürfen wir nicht zulassen. So etwas widerspricht auf fundamentale Weise dem Evangelium.“
Das Bistum Essen wurde erst 1958 gegründet. Laut aktueller Statistik gehen dort nur noch etwa 30.000 Katholiken zur Messe, obwohl sich rund 680.000 Menschen auf dem Gebiet der Diözese als katholisch bezeichnen. Bis 2040 rechnet das Bistum mit „weniger als 30“ in der Seelsorge tätigen Priestern. Bischof Overbeck tritt für teils drastische Änderungen in der kirchlichen Lehre ein, wie sie auf dem deutschen Synodalen Weg etwa mit Blick auf Frauenordination und Homosexualität formuliert wurden.
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