Ankara, 30 Juni, 2017 / 8:34 AM
Die Türkei hat im Südosten des Landes mehr als 50 Kirchen und Klöster sowie deren Liegenschaften und Friedhofsgrundstücke beschlagnahmt. In der Region leben seit fast 2000 Jahren aramäische Christen, die auch noch die Sprache Jesu sprechen.
Nach Angaben des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschlandwurden sie der türkischen Religionsbehörde "Diyanet" übertragen, so das päpstliche Hilfswerk "Kirche in Not".
Ihr Vorsitzender, Daniyel Demir, sprach gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur "idea" von einem beispiellosen Vorgang. Die Entwicklung im Kernland des Christentums sei dramatisch. Eine solche Enteignungswelle habe es noch nicht gegeben. Nun könne die Behörde aramäisches Kulturerbe aus den frühen Jahrhunderten "an Dritte veräußern, in Museen verwandeln oder auch zu Moscheen umwidmen". Es sei zudem unklar, ob die Christen künftig eine Genehmigung beantragen müssen, wenn sie in ihren Kirchen Gottesdienst feiern wollen. Die Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel in der südosttürkischen Region "Tur Abdin" (Berg der Gottesknechte) bereite Klagen gegen das Vorgehen des türkischen Staates vor: "Die Christen sind entschlossen, das Ganze bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tragen." Die aramäische Minderheit sei im "Tur Abdin" bereits stark zurückgegangen. Mittlerweile lebten in der Region nur noch 2.000, in der gesamten Türkei rund 20.000. Demir: "Wir rufen die Bundesregierung auf, den Aramäern zur Seite zu stehen", meldet "Fides".
Dem Ausverkauf ausgeliefert
Kirchen und Klöster in der Türkei wurden beschlagnahmt und dem staatlichen islamisch-sunnitischen Religionsamt überschrieben.
Sie zählen zu den ältesten christlichen Gemeinden der Welt, ihre Zahl ist wie die aller Christen im Nahen Osten zuletzt stark geschrumpft, und jetzt werden ihnen auch ihre letzten Besitztümer genommen: die syrisch-orthodoxen Aramäer oder Assyrer in der Türkei, deren Siedlungsgebiet in der südostanatolischen Region Tur Abdin liegt. Ihnen gehören dort hunderte uralter Kirchen und Klöster. Nun enthüllte die türkisch-armenische Zeitung "Agos" aus Istanbul, dass der türkische Staat in einer beispiellosen Enteignungsoperation mindestens 50 frühchristliche Monumente beschlagnahmt und dem staatlichen islamisch-sunnitischen Religionsamt Diyanet überschrieben hat; dutzende weitere Enteignungen sollen laut dem Bericht folgen. Die frühchristlichen Bauten sind damit dem Ausverkauf und möglicherweise der Zerstörung ausgeliefert.
Praktisch vor der Auslöschung
"Agos" gegenüber bestätigte das Gouverneursamt der zuständigen Provinz Mardin die Beschlagnahmungswelle, die Kirchen, Klöster, Friedhöfe und Ländereien betrifft.
Damit stehen die christlichen Gemeinden Anatoliens, die ihre Existenz auf die Zeit der Apostel zurückführen und während des Völkermords von 1915 im Osmanischen Reich hunderttausende Opfer zu beklagen hatten, praktisch vor der Auslöschung.
Viele Aramäer verließen ihre angestammten Siedlungsgebiete bereits in den 1990er Jahren, als der Bürgerkrieg zwischen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und dem türkischen Staat seinen Höhepunkt erreichte. Heute leben nach Angaben ihres deutschen Bundesverbandes in der EU 350.000 und in Deutschland 150.000 Aramäer. In Tur Abdin blieben nur noch 2000 bis 3000 Christen, die versuchen, ihre religiösen Stätten zu bewahren.
Zum Opfer der aktuellen Enteignungen wurde auch das berühmteste Kloster der Türkei, Mor Gabriel aus dem Jahr 397, nahe der Stadt Midyat. Die Abtei ist eine der weltweit ältesten und eine der wenigen, die seit mehr als 1600 Jahren aktiv genutzt werden. Die Kloster-Stiftung wurde selbst während der Enteignungen von Minderheitenbesitz nach Gründung der Republik Türkei 1923 gesetzlich geschützt. Kaum eine Stiftung religiöser Minderheiten in der Türkei verfügt über so umfangreiche staatliche Schutzurkunden.
Das alles soll nun offenbar nicht mehr gelten. "Mit dem Gesetz von 2002 konnten wir einige Grundstückstitel sichern, die auf den Namen unserer Stiftung lauteten, für andere lief der juristische Prozess", zitierte "Agos" den Stiftungsvorsitzenden Kuryakos Ergün. "Es war uns aber nicht möglich, alle Besitztümer einzuklagen. Gleichzeitig wurden neue Grundbücher angelegt, und die Katasterämter ignorierten die Gesetzgebung", so Kirche in Not unter Berufung auf die "Wiener Zeitung".
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