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Geheimnis der Eucharistischen Wandlungen: Die Gründonnerstagspredigt von Kardinal Koch

Der Leib Christi
Der Schweizer Kardinal Kurt Koch ist Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Der ehemalige Bischof von Basel hat über 60 Bücher und Schriften verfasst, darunter Mut des Glaubens (1979) und Eucharistie (2005).

In der Kirche am Campo Santo Teutonico hat am heutigen Gründonnerstag-Abend der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch gepredigt. CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut der Predigt mit freundlicher Genehmigung.

Geheimnis der Eucharistischen Wandlungen

In der menschlichen Erfahrung ist "Wandlung" seit jeher ein Urwort. Alles, was lebt, befindet sich in Wandlungen. Im Laufe eines Jahres wandelt sich die Natur immer wieder. Auch der menschliche Organismus wandelt sich nicht nur in den verschiedenen Lebensabschnitten, sondern ist jederzeit in Wandlung. Von daher kann es nicht erstaunen, dass das Wissen um Wandlung auch zu den Urgegebenheiten des eucharistischen Glaubens der Kirche gehört. Das Wort "Wandlung" kann am besten beschreiben, worum es zutiefst in der Eucharistie geht, die wir zum Gedächtnis an jenes Letzte Abendmahl feiern, das in der heutigen Heiligen Messe bewusst im Vordergrund steht. Wandlung in der Feier der Eucharistie vollzieht sich dabei in einem vielfachen Sinn, dem wir in dieser Heiligen Stunde nachdenken wollen.

Wandlung des Todes in Liebe

Beim Letzten Abendmahl spricht Jesus nicht nur von seinem Leib, sondern er redet bewusst von "meinem Leib für euch", von seinem Leib, der für euch hingegeben wird, und von seinem Blut, das für euch vergossen wird. Jesus vollzieht damit beim Letzten Abendmahl sein Sterben am Kreuz voraus und verwandelt es von innen her in ein Geschehen der Hingabe und der Liebe. An sich und von außen betrachtet ist der Kreuzestod Jesu ein profanes Ereignis, nämlich die Hinrichtung eines Menschen in der grausamsten der von Menschen ersonnenen Arten. Die Heilige Schrift aber ist überzeugt, dass Jesus diese erbärmliche Gewalttat der Menschen gegen ihn in einen Akt der Hingabe für uns Menschen, in einen Akt der Liebe, umgewandelt hat, und zwar von innen her. Die Heilige Schrift – vor allem Paulus – deutet den Kreuzestod Jesu mit kultischen Aussagen und versteht ihn als den wahren Versöhnungstag, den Yom Kippur, an dem der Tod so umgewandelt ist, dass sich die Liebe als stärker erweist denn der Tod. Diese Wandlung des Todes in Liebe ist die grundlegende Wandlung, die im Mittelpunkt der Feier der Eucharistie steht.

Dass Jesus bei seinem Letzten Abendmahl seinen Tod am Kreuz in geistiger Weise vorweg vollzieht, ist auch der tiefere Sinn der Erzählung von der Fußwaschung Jesu, die im Johannes-Evangelium an der Stelle des Berichts vom Letzten Abendmahl steht. Indem Jesus die Gewänder der Herrlichkeit ablegt und sie mit dem Leinentuch des Sklavendienstes ersetzt und den Jüngern die Füße wäscht, lebt er jene Hingabe, die am Kreuz ihren Höhepunkt erreicht und beim Letzten Abendmahl bereits vorausgenommen wird. Denn beides gehört hier unlösbar zusammen: Ohne den Tod am Kreuz wären die Abendmahlsworte Jesu letztlich eine Währung ohne Deckung. Umgekehrt aber wäre ohne die Abendmahlsworte Jesu der Kreuzestod eine bloße Hinrichtung ohne jeden erkennbaren Sinn. Sinn hat der Kreuzestod Jesu vielmehr nur aufgrund der Wandlung des Todes in Liebe von innen her. Diese Umwandlung ist die innere Voraussetzung dafür, dass wir in der Feier der Eucharistie Christus als gegenwärtig erfahren können und dürfen.

Wandlung von Brot und Wein

Erst in diesem größeren Zusammenhang bekommt die zweite Wandlung ihren tiefen Gehalt, nämlich die Umwandlung der Gaben von Brot und Wein, so dass in diesen verwandelten Gaben der Schöpfung der sich hingebende Christus, seine Hingabe und damit Er selbst, sein Leib und Blut, gegenwärtig sind. Mit dieser Wandlung der Schöpfungsgaben ist jene Wandlung gemeint, die wir in unserem Glaubensverständnis mit diesem Wort bezeichnen, nämlich die Wesensverwandlung, die Transsubstantiation von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi. Dies ist freilich ein schwieriges Wort, nicht nur wegen der Fremdheit der Sprache, sondern vor allem auch wegen des damit Gemeinten, zumal in einer Zeit wie der heutigen, in der wir Menschen oft nur noch in Funktionen denken und leben können – bis dahin, dass der Mensch selbst nur noch nach seinem Funktionswert eingestuft wird. Gerade in dieser Zeit bekennen wir mit dem Sakrament der Eucharistie, dass sie aus dem rein Funktionalen hinaus führt und den tiefsten Grund der Wirklichkeit berührt. Das, was in der Eucharistie geschieht, ist nicht Umfunktionierung, sondern wirkliche Umwandlung von Brot und Wein. Diese werden dadurch zu realisierenden Zeichen der Gegenwart Jesu Christi selbst in der Eucharistie. In ihr erfahren wir den auferstandenen und erhöhten Herrn als gegenwärtig.

Im Geheimnis der eucharistischen Wandlung dürfen wir dieselbe Erfahrung machen wie bereits die Jünger beim Wunder der Brotvermehrung. Wie damals die Jünger fünf Brote und zwei Fische besorgten, so kommen wir heute mit unseren Gaben. Wir bringen Brot und Wein vor den Herrn, und er wandelt die Gaben zum Brot des ewigen Lebens. In der Eucharistie ereignet sich das Wunder der unerhörten Überbietung wie bei der Brotvermehrung: Aus Erdenbrot wird Himmelsbrot. Unser Brot wird Leib Christi, damit sein Leib unser Lebensbrot wird. Auch heute braucht Christus unseren Beitrag, um das Wunder seiner Gegenwart wirken zu können. Dieses Wunder besteht darin: Was in keinem Verhältnis zueinander steht – fünf Brote und zwei Fische und das Wunder der Brotvermehrung damals und unsere Gaben von Brot und Wein und das Wunder der Brotvermehrung in der Eucharistie heute –, dies wird von Christus in ein gutes Verhältnis gebracht in der Verwandlung, die er an den Gaben der Schöpfung vollzieht. Darin geschieht die Große Brotvermehrung der Eucharistie und zeigt sich das schöne Geheimnis der Überbietung.

Wandlung des christlichen Lebens

Das verwandelte Brot und der verwandelte Wein, in denen sich uns der auferstandene Christus schenkt, verweisen von selbst auf die dritte Wandlung, nämlich die Wandlung von uns Menschen, die wir an der Eucharistie teilnehmen. Die Wandlung des Todes in Liebe und die Wandlung des Brotes in den Leib Christi sind nicht der Schlusspunkt: "Das Ziel der Eucharistie ist die Verwandlung der Empfänger in der wahren Communio mit seiner Verwandlung."[1] Diese Umgestaltung des christlichen Lebens der Menschen, die Eucharistie feiern, hat der Heilige Augustinus in sehr schöner Weise zum Ausdruck gebracht in einer Vision, die er noch vor seiner Bekehrung hatte. In dieser Vision sagt eine Stimme zu ihm: "Ich bin das Brot der Starken, iss mich! Doch nicht du wirst mich in dich verwandeln, sondern ich werde dich in mich verwandeln."[2]

In dieser Vision wird der grundlegende Unterschied zwischen unserer alltäglichen Speise und der eucharistischen Speise sichtbar. Beim gewöhnlichen Essen ist der Mensch der Stärkere, indem er die Speisen in sich aufnimmt und sie in seinem Körper assimiliert werden, so dass sie Teil seiner eigenen Substanz werden. Bei der eucharistischen Speise hingegen ist Christus der Stärkere, und zwar dadurch, dass wir in ihn hinein assimiliert werden und mit ihm eins werden. Die Eucharistie ermöglicht und schenkt uns die innerste Sympathie von uns Christen mit Christus, den Gleichklang unseres Herzens mit dem Herzen Jesu, das für uns Menschen geschlagen hat, bis es aus Liebe für uns Menschen verblutet ist.

Angesichts dieser unschätzbaren Kostbarkeit der Eucharistie müssen wir uns gerade am Hohen Donnerstag die unbequeme Frage stellen, was uns die Eucharistie noch wert ist: Was kostet uns die Eucharistie? Nur eine Stunde Zeit? Dies kann doch unmöglich alles sein! Die Eucharistie hat Jesus nichts weniger als das Leben gekostet. Die Teilnahme an der Eucharistie ist deshalb immer auch Teilhabe am Todesgehorsam Jesu, der sein Leben hingegeben hat zur Vergebung der Sünden. Ist dies nicht Grund zu großer Dankbarkeit, die wir in der Feier der Eucharistie vor den dreifaltigen Gott tragen? Könnten wir nicht gerade von der Eucharistie her neu lernen, dass wir Christen dazu berufen sind, als dankbare Menschen zu leben, oder noch präziser: als eucharistische Menschen, die sich im Fest der Eucharistie so tief in den auferstandenen Christus hinein verwurzeln, dass sie ihr ganzes Leben Gott verdanken, dass sie im Alltag sich selbst als lebendige Hostien den Menschen zur Verfügung stellen und dass ihr alltägliches Leben, wie der Heilige Franz von Assisi einmal gesagt hat, zu einem einzigen eucharistischen Hochgebet wird.

Es kann von daher nicht erstaunen, dass bereits die Heilige Schrift eine eucharistische Sprache verwendet, wenn sie vom christlichen Leben im Alltag redet und die Sendung der Christen in der Welt als Frucht der Eucharistie betrachtet. Paulus selbst versteht seinen eigenen apostolischen Dienst der Glaubensverkündigung als priesterliches Wirken, nämlich als Vollzug der von Christus begründeten neuen Liturgie. Und er versteht auch das christliche Leben der Getauften und der Gemeinden als einen vernünftigen Gottesdienst, wenn er die Römer mahnt, sie sollen ihre Leiber und damit sich selbst "als lebendiges und heiliges Opfer darbringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst" (Röm 12. 1).

Wandlung der Kirche in den Leib Christi

Paulus bringt damit zum Ausdruck, dass die Feier der Eucharistie ihr Ziel darin findet, dass die Teilnehmenden in den auferstandenen Christus hinein assimiliert werden und durch diesen Umschmelzungsprozess auch untereinander zu einer geschwisterlichen Gemeinschaft werden. Damit tritt die vierte Wandlung der Kirche in den Leib Christi und zugleich die innere Verbindung von Eucharistie und Kirche ans Tageslicht, die Paulus so eindringlich herausstellt. Er findet für den engen Zusammenhang von Eucharistie und Kirche einen prägnanten Ausdruck, wenn er das Wort "Leib Christi" sowohl für den eucharistischen Leib als auch für die kirchliche Gemeinschaft verwendet: "Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben Teil an dem einen Brot" (1 Kor 10, 16-17).

(Die Geschichte geht unten weiter)

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In der Eucharistie empfangen wir den Leib des Herrn und werden zu seinem Leib umgewandelt. Der Leib des Herrn, der die Kirche ist, wird in der Eucharistie aufgebaut, ja die Kirche ist in ihrem tiefsten Wesen Eucharistie. Von daher hat es seinen guten Sinn, dass der adäquate Ausdruck für den Empfang der Eucharistie "Kommunion" heißt. Denn Kirche entsteht und besteht dadurch, dass Christus sich uns Menschen kommuniziert, in Kommunion mit uns tritt und uns auch zur Kommunion miteinander bringt. Diese Kommunion ist die schönste Frucht der Wandlung, die in der Eucharistie geschieht.

Die Eucharistie ist im Grunde ein großer Kreislauf von Wandlungen: Wandlung des Todes in Liebe, Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, Wandlung des christlichen Lebens und Wandlung der Kirche in den Leib Christi. Die existenziell am meisten herausfordernde dieser Wandlungen ist zweifellos die Umgestaltung des christlichen und kirchlichen Lebens in der Eucharistie. Denn sie bringt für alle Christen, die an der Eucharistie teilnehmen, die Verpflichtung mit sich, "das Leben zu , damit es in gewisser Weise ganz werde"[3]. Von daher beginnt man zu erahnen, dass die Eucharistie nicht nur Quelle und Höhepunkt, sondern auch die Herzmitte des christlichen und kirchlichen Lebens ist und dass dieses Herz Liebe heißt. Nur wenn dieses Herz Herz bleibt, können auch die anderen Organe des Leibes Christi leben. Dieses Geheimnis dürfen wir in der Messe vom Letzten Abendmahl mit besonderer Freude und Dankbarkeit feiern.

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[1]  J. Cardinal Ratzinger, Eucharistie – Communio – Solidarität: Christus gegenwärtig und wirksam im Sakrament, in: Ders., Unterwegs zu Jesus Christus (Augsburg 2003) 129.

[2]  Augustinus, Confessiones VII, 10, 16.

[3]  Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia, Nr. 20.

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