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Voderholzer: "Suppe des Synodalen Wegs wird auf Feuer des Missbrauchs gekocht"

Bischof Rudolf Voderholzer am Hochfest des heiligen Wolfgang, dem 31. Oktober 2018.

Versuchen "Pressure Groups" die Kirche in Deutschland durch eine Instrumentalisierung des Missbrauchs zu verändern? Davor hat Bischof Rudolf Voderholzer am Silvesterabend gewarnt. Ein gefährlich falsches Verständnis von Kirche und eine unaufrichtige Vorgehensweise beim "Synodalen Weg" waren nur zwei der Themen der Predigt des Regensburger Bischofs am 31. Dezember.

In einer Zeit, in der nicht mehr an die Offenbarung Gottes geglaubt werde, fuhr Voderholzer fort, werde Kirche  "allenfalls noch als Verfechterin eines alle Religionen irgendwie vereinenden 'Welt-Ethos' geduldet, das sie als Nicht-Regierungsorganisation mit frommem Anstrich in die Debatten einbringen darf".

"Ganz problematisch wird es, wo diese Sicht von Kirche zu ihrer Selbstdefinition wird".

Vor diesem Hintergrund bekomme der als "Synodaler Weg" bezeichnete Prozess in Deutschland seine ganze Brisanz. Wörtlich sagte Voderholzer am 1. Januar 2020, der Hebel für eine "von manchen offen als 'Neuerfindung der Kirche' titulierte Reform" sei der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker der Katholischen Kirche.

"Von gewissen Pressure-Groups wird, mit kräftiger Unterstützung der führenden Medien in unserem Land, die Anpassung der katholischen Kirche und ihrer sakramentalen Struktur an die Plausibilitäten eines vermeintlich aufgeklärten Mainstreams gefordert."

Im Wesentlichen stehe – auch innerkirchlich – die sakramentale Struktur der Kirche im Feuer. Und für diese sakramentale Struktur stehe "wie keine andere Wirklichkeit der Dienst und das Wesen des Priesteramtes", betonte der bayerische Oberhirte.

"Die Empörung über den Missbrauch ist das Feuer, auf dem die Suppe des Synodalen Weges gekocht werden soll. Deswegen muss dieses Feuer am Lodern gehalten werden. Es darf durch nichts verkleinert werden, auch nicht durch den wissenschaftlich belegten Hinweis, dass Ehelosigkeit um des Himmelreiches von sich aus mit sexuellem Missbrauch nichts zu tun hat und dass die allermeisten Fälle dieses Verbrechens im familiären Umfeld geschehen durch Menschen, die nicht den Zölibat versprochen haben."

Auch nicht durch den Hinweis auf erfolgreiche Prävention und andere Maßnahmen "dürfe" aus dieser Sicht abgelenkt werden, so der Bischof weiter.

Er habe "erhebliche Zweifel, dass auf der Basis einer solchen Unaufrichtigkeit die Beratungen des Synodalen Weges einen wirklich einen geistlichen Gewinn bringen können, zumal öffentlich auch schon die Erwartungen hochgeschraubt werden, an deren Erfüllung sich dann Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens bestimmen", unterstrich Voderholzer.

"Papst Franziskus hat mir im persönlichen Gespräch dringend ans Herz gelegt: Der Synodale Weg ist kein soziologischer Prozess, kein politischer Prozess, kein Ringen von Parteien. Es geht nicht um Tarifverhandlungen, wo man sich zwischen dem Angebot von Arbeitgebern und Forderungen der Arbeitnehmer irgendwo in der Mitte treffen wird."

Ähnlich äußerte sich Papst Franziskus in seiner gestrigen Neujahrspredigt im Petersdom: Wie CNA Deutsch berichtete, warnte der Pontifex in seinem Aufruf zur Einheit eindringlich davor, die Kirche als "Struktur" oder "Programm" zu sehen.  

CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut der Predigt von Bischof Voderholzer, wie ihn das Bistum Regensburg zur Verfügung stellte. 

Predigt zur Messfeier am Silvesterabend 2019

 

Liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt,
ehrwürdige Schwestern,
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Wenn ich in diesen letzten Stunden des zu Ende gehenden Jahres innehalte, zurückschaue und das kirchliche Leben in Regensburg Revue passieren lasse, dann kommt mir zuerst der Blick auf die beiden Türme des Regensburger Doms in den Sinn, deren Vollendung im Jahr 1869, also vor 150 Jahren, heuer in mehreren Stationen gefeiert wurde.

War der Gedanke anfangs vielen eher fremd oder zumindest überraschend, so rückte der Brand des Dachstuhls der älteren Schwester unseres Domes, der Kathedrale Notre Dame de Paris in der Karwoche, der in ganz Frankreich geradezu Trauer und Tränen, und weltweit Bestürzung ausgelöst hatte, die überragende kulturelle und religiöse Bedeutung dieser Kirchenbauten ins öffentliche Bewusstsein, freilich auch deren Gefährdung und Vergänglichkeit. Mit einem Festgottesdienst, einem Symphoniekonzert mit Gustav Mahlers Auferstehungssymphonie, mit einem Fotowettbewerb und zwei begleitenden Ausstellungen haben wir das Jubiläumsjahr begangen. Unbestrittener Höhepunkt und zugleich Abschluss war dann aber die beeindruckende Lichtinstallation Ende September, als eine Woche lang allabendlich die Westfassade des Domes in einer faszinierenden Folge von Bildern in die unterschiedlichsten Lichtgewänder gehüllt wurde.

Die durch die Social Media unterstützte Flüsterpropaganda verbreitete offenbar in Windeseile die Nachricht, dass dieses Ereignis außerordentlich sehenswert sei, so dass Domplatz und ganz Regensburg zuletzt an die Grenzen ihres Fassungsvermögens geführt wurden.

Ich bin den Organisatoren dieser Lichtinstallation außerordentlich dankbar, haben sie doch dazu beigetragen, die Kathedrale von Regensburg nicht nur als Wahrzeichen der Stadt neu wahr zu nehmen, sondern auch die Bischofskirche als Sympathieträger und Identifikationsort bewusst zu machen.

Das ist nicht mehr selbstverständlich. Der christliche Glaube ist zwar geschichtlich die prägende Kraft der Kultur unseres Landes. Ihm verdanken wir nicht nur die Architektur der Gotik, aber natürlich noch viel mehr als nur diese Epoche. Im Grunde ist unsere Heimat, die Festkultur, der Kalender, unser Zeitempfinden, das grundsätzliche moralische Koordinatensystem usw. zutiefst christlich geprägt, auch wenn dies vielen nicht mehr bewusst ist. Diese prägende Kraft des christlichen Glaubens ist im Schwinden begriffen.

Papst Franziskus hat es im Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom Juni 2019 ungeschminkt formuliert und jüngst in seiner Ansprache an die Kurienmitarbeiter bekräftigt. „Das Christentum – so der Papst im Blick auf Europa und andere ehemals christlich geprägte Gesellschaften – ist keine dominante Größe mehr, denn der Glaube – vor allem in Europa, aber auch im Großteil des Westens – stellt keine selbstverständliche Voraussetzung des allgemeinen Lebens mehr dar, sondern wird oft sogar geleugnet, belächelt, an den Rand gedrängt und lächerlich gemacht.“ [Ende des Zitats.]

Über diesen Sachverhalt können auch die Begeisterung über die Lichtinstallation in Regensburg oder die Trauer über Notre Dame de Paris nicht hinwegtäuschen, wenngleich sich darin vielleicht doch eine Ahnung oder eine tiefe Sehnsucht nach dem ausgedrückt hat, wofür die Kathedrale steht, was vielen aber im allgemeinen säkularisierten Mainstream nicht mehr erschwinglich scheint:

  • die Transzendenzbezogenheit des Menschen,
  • die Wirklichkeit Gottes als die bestimmende Größe meines Lebens,
  • die Ausrichtung meines Handelns an den Weisungen, die mir aus dem Glauben zuwachsen,
  • und die Gnade, mit deren Hilfe ich ein gottgefälliges Leben führen kann.

Gerade die Perspektive über den Horizont der Geschichte hinaus, die Verantwortung gegenüber dem ewigen Gott, erscheint abgeschnitten. Die innerweltliche Perspektive, die ökologische Frage, der Protest gegen einen tatsächlich oder nur vermeintlich menschengenerierten Klimawandel wird zum einzigen Lebensbereich, in dem man noch moralisch sein darf, ja in dem die junge Generation geradezu hemmungslos moralisch ist. Man hat manchmal den Eindruck, die geballte Wucht des menschlichen Bedürfnisses nach Moral konzentriere sich allein auf die Ökologie.

Gleichzeitig bleiben andere ebenso klaffende Wunden unerwähnt, ungesehen und unbehandelt; Wunden, die freilich erst im Licht des Glaubens und geschwisterlicher Solidarität mit den Leidenden ins Blickfeld geraten. Am erschütterndsten ist hier wohl die Tatsache einer weltweit zunehmenden und erschreckende Ausmaße annehmenden Verfolgung von Christen. Der Salzburger Weihbischof Hofer hat es jüngst so formuliert: „Noch nie war Christsein so gefährlich wie heute“. Die Berichte über die Christenverfolgungen weltweit, besonders, aber nicht nur, im Kontext eines radikalen Islams, sprechen eine eindeutige Sprache. Weitgehend unerwähnt und unbeachtet bleiben auch – mit Ausnahme des alljährlichen „Marsches für das Leben“ in Berlin – die Themen „Lebensschutz“ und die „Sorge für das ungeborene Leben“ und die „pränatale Selektion vermeintlich unwerten Lebens“. Dabei muss man die unterschiedlichen Sorgen gar nicht gegeneinander ausspielen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Sorge um das gemeinsame Haus auch den Menschen miteinbezieht im Sinne einer „Ökologie des Menschen“, wie Papst Benedikt sie in seiner Bundestagsrede 2011 angemahnt hat.

Zu den Zeichen der Zeit gehört aber wohl diese zunehmende Selbstverschließung in der Immanenz, das Nicht-mehr-Rechnen mit der alles bestimmenden Wirklichkeit Gottes und einer von außen her kommenden Offenbarung. Kirche wird dabei allenfalls noch als Verfechterin eines alle Religionen irgendwie vereinenden „Welt-Ethos“ geduldet, das sie als Nicht-Regierungsorganisation mit frommem Anstrich in die Debatten einbringen darf. Ganz problematisch wird es, wo diese Sicht von Kirche zu ihrer Selbstdefinition wird.

Vor diesem Hintergrund bekommt der so genannte Synodale Weg, den die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken im abgelaufenen Jahr beschlossen haben und der im Blick auf das kommende Jahr unsere ganze Aufmerksamkeit beanspruchen wird, seine ganze Brisanz.

Von gewissen Pressure-Groups wird, mit kräftiger Unterstützung der führenden Medien in unserem Land, die Anpassung der katholischen Kirche und ihrer sakramentalen Struktur an die Plausibilitäten eines vermeintlich aufgeklärten Mainstreams gefordert.

Im Wesentlichen steht – auch innerkirchlich – die sakramentale Struktur der Kirche im Feuer. Und für diese sakramentale Struktur steht wie keine andere Wirklichkeit der Dienst und das Wesen des Priesteramtes.

Hebel für eine von manchen offen als „Neuerfindung der Kirche“ titulierte Reform ist dabei der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker der Katholischen Kirche.

Die Empörung über den Missbrauch ist das Feuer, auf dem die Suppe des Synodalen Weges gekocht werden soll. Deswegen muss dieses Feuer am Lodern gehalten werden. Es darf durch nichts verkleinert werden, auch nicht durch den wissenschaftlich belegten Hinweis, dass Ehelosigkeit um des Himmelreiches von sich aus mit sexuellem Missbrauch nichts zu tun hat und dass die allermeisten Fälle dieses Verbrechens im familiären Umfeld geschehen durch Menschen, die nicht den Zölibat versprochen haben. Auch nicht durch den Hinweis auf erfolgreiche Prävention und andere Maßnahmen.

Aber der Eindruck wird fast gewaltsam aufrechterhalten, als sei der sexuelle Missbrauch vor allem ein Phänomen der katholischen Kirche. Dabei kann jeder, der auch die leisen Töne in den Medien wahrnimmt und sammelt, eines anderen belehrt werden: Ich erinnere an die Enthüllungen von Lügde oder jetzt ganz aktuell in NRW mit erschreckenden Dimensionen. Ich erinnere an hin und wieder auftauchende, aber ganz schnell wieder verschwindende Berichte über das Problem im Sport, in der Filmbranche usw. Trotzdem halten interessierte Kreise, auch innerkirchlich, den Anschein aufrecht, als sei dieses schreckliche Phänomen vor allem eines der katholischen Kirche und ihrer sakramentalen Struktur. Abgesehen davon, dass jedes dieser Vergehen nicht nur ein strafbewährtes Tun war und ist, sondern auch im Widerspruch zur katholischen Sexualmoral steht, ist die katholische Kirche noch immer die erste Institution, die sich in diesem Umfang und in dieser Schonungslosigkeit dem Thema in ihren eigenen Reihen gestellt hat.

Ich habe erhebliche Zweifel, dass auf der Basis einer solchen Unaufrichtigkeit die Beratungen des Synodalen Weges einen wirklich einen geistlichen Gewinn bringen können, zumal öffentlich auch schon die Erwartungen hochgeschraubt werden, an deren Erfüllung sich dann Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens bestimmen.

Papst Franziskus hat mir im persönlichen Gespräch dringend ans Herz gelegt: Der Synodale Weg ist kein soziologischer Prozess, kein politischer Prozess, kein Ringen von Parteien. Es geht nicht um Tarifverhandlungen, wo man sich zwischen dem Angebot von Arbeitgebern und Forderungen der Arbeitnehmer irgendwo in der Mitte treffen wird. Es geht nicht um Koalitionsverhandlungen, wo jede Seite Abstriche machen muss, damit am Schluss ein tragfähiger Kompromiss herauskommt, jede Seite vor ihren Anhängern das Gesicht wahrt und dann eine Legislaturperiode recht und schlecht zusammengearbeitet werden kann.

Es geht um zentrale Fragen des Glaubens, um die diachrone Einheit mit der Kirche aller Jahrhunderte und die synchrone Einheit mit der Weltkirche. Es geht um die Treue zum Evangelium.

Zentral geht es um die Frage, ob die Kirche als Stiftung Jesu Christi teilhat an seiner göttlichen Sendung. Ob sie als Sakrament der Einheit Gottes mit den Menschen und der Menschen untereinander die Gnade Gottes vermittelt in den Sakramenten, als Gabe und Geschenk, die die Welt sich nicht selber besorgen, sondern nur je neu von oben sich schenken lassen kann. Wo diese Frage im Glauben bejaht wird, kann die sakramentale Struktur der Kirche nicht in eine Quasi-Demokratie, und das Weihepriestertum nicht in ein Delegationsamt der Gemeinde umdefiniert werden. Wir werden die Kirche mit ihrer sakramentalen Struktur nicht irgendwelchen Kompromissen opfern. Der Heilige Geist möge allen Mitgliedern des Synodalen Weges beistehen, dass wir nicht den Glauben und die Kirche verändern, sondern Wege finden, wie wir uns ändern können, bessere Christen werden können, die den Glauben glaubwürdiger verkünden. Dass wir Mittel und Wege finden für eine dringend notwendige Neuevangelisierung.

Es ist mir am Abend des zu Ende gehenden Jahres und Jahrzehnts ein Anliegen, gerade auch den Priestern und Ordensleuten zu danken für Ihren hingebungsvollen Dienst, für Ihren Einsatz zur Weitergabe des Evangeliums und ihr Lebenszeugnis in der Nachfolge Jesu; sie vor allem auch in Schutz zu nehmen vor einem Generalverdacht, der sie zu den „Prügelknaben“ der Kirche macht.

Das schuldhafte Versagen derer, die sich über ihre Weiheversprechen und ihr Gelübde hinweggesetzt und die Weisungen der katholischen Morallehre missachtet haben, darf die Verdienste der überwältigenden Mehrheit der Priester und Ordensleute nicht in Vergessenheit geraten lassen. Ausdrücklich möchte ich dabei auch die Priester wie auch die Ordensmänner und Ordensfrauen aus der Weltkirche mit einbeziehen, die uns oftmals nun zurückgeben, was von Missionarinnen und Missionaren aus Europa in früheren Zeiten in den jungen Kirchen ausgesät wurde. Gerade auch unsere Schwestern und Brüder aus Indien und aus Afrika und anderen Ländern halten uns die Katholizität der Kirche und ihre kulturelle Vielfalt lebendig vor Augen.

Seit 150 Jahren ragen die beiden Türme des Regensburger Domes wie steinerne Zeigefinger in den Himmel, mahnend, tröstend, Mitte gewährend, die Heimat segnend.

Ihre Botschaft korrespondiert letztlich mit der des Weihnachtsevangeliums: Der ewige Gott ist hereingekommen in unsere Zeit und Geschichte, hat Fleisch angenommen und unser Menschenschicksal geteilt, um uns schließlich herauszuführen aus der Verkrümmung in Schuld und Sünde, uns aufzurichten und uns hinaufzuführen zur Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel.

Im Glauben an seine bleibende Gegenwart werden wir diese Feier denn auch beschließen mit dem eucharistischen Segen, vor dem wir anbetend das Knie beugen, und im „Te Deum“ mit dem Lobpreis des dreifaltigen Gottes, dem die Ehre sei, heute und in Ewigkeit, Amen.

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