7. November 2020
Herr Meuser, mit "Freie Liebe – Über neue Sexualmoral" haben Sie die "neue Sexualmoral" und den Synodalen Weg scharf kritisiert. Welche Reaktionen gab es seit Erscheinung des Buchs Anfang Oktober?
Ein Bischof fand mein Schreiben wohl so unverschämt, dass er mir den Brief ungeöffnet mit der Post zurückschickte. Privat gab es einige ermutigende Reaktionen aus dem Episkopat. Sonst ist das große Schweigen im Wald ausgebrochen. Bei den meisten katholischen Medien: Nichts. Schweigen. Entweder sind die synodalen Betreiber langsam im Lesen oder schwach in ihren Argumenten. Oder es gibt eine Art von Omertà ...
"Omertá"?
Kennen Sie nicht? Es gibt dieses sizilianische Sprichwort: "Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden." Sollte man annehmen, dass manchen Medien sanft bedeutet wurde: Es ist besser, Ihr haltet jetzt mal die Klappe? Eine alte Geschichte: Wenn man bei Hofe genehm sein möchte, muss man sich an die Regeln halten.
Ihre eigene Forderung steht zumindest klar formuliert im öffentlichen Raum: Die Zurücknahme der synodalen Entwürfe zu einer "neuen Sexualmoral".
Ich wüsste nicht, warum ich sie zurücknehmen sollte. Die Entwürfe sind Populismus pur – zudem eine theologische Katastrophe. Sie durchbrechen ganz klar die Hermeneutik der Kontinuität, sind ebenso schriftfern, wie fern von den realen Beziehungs- und Sexkatastrophen der Gegenwart, dabei einseitig auf die kirchliche Etablierung homosexueller Verhaltensweisen bedacht. Ein Wort wie "Sünde" gibt es im Kontext der "neuen Sexualmoral" nicht mehr. Es wurde 1:1 durch "Wertschätzung" ersetzt. Noch ist Zeit für die deutsche Kirche, sich nicht endgültig vor der Weltkirche zu blamieren. Bin mir sicher: Rom wird dieser ideologische Farce am Ende genauso das Wasser abgraben, wie es bei anderen Kernanliegen des Synodalen Weges bereits geschehen ist.
Angenommen, Ihre These sollte sich bewahrheiten. Was dann?
Dann ist die Frustration groß. Gejaule bei den Wortführern. Dumpfer Zorn bei den fehlgeleiteten einfachen Leuten. Und die Bischöfe stehen wie begossene Pudel da, indem sie in Richtung Rom eine Art moderater Unterwerfung signalisieren, während sie in den einschlägigen Zirkeln die große Betroffenheit bekunden. Schlimmer kann man das Milieu des Glaubens nicht zerstören.
Wenn Sie an eine "neue Sexualmoral" denken, was würden Sie nach vorne stellen?
Moral ist "Flankenschutz für die Liebe und das Leben". Sie muss dort ansetzen, wo die Not am größten ist. First things first! Und wo haben wir die größte Not? Ich nenne einmal fünf Punkte: 1. Sexuelle Übergriffigkeit und Missbrauch in der Gesamtgesellschaft. 2. Damit es ein "Lustrecht für alle" gibt, muss es ein "Tötungsrecht von Kindern" geben. 3. Pornographie als Generalangriff auf die Seele unserer Kinder. 4. Zerstörung der klassischen Familie und Ignoranz der Kollateralschäden fragmentierter Sexualität. 5. Der Kampf um die Produktionsmittel war gestern – heute gibt es den Kampf um die Reproduktionsmittel.
Ist das für den Prozess des Synodalen Wegs wichtig, aus Sicht der Organisatoren und Teilnehmer?
Das kann ich nicht sagen. Ich lese nur, was geschrieben wird, denn einen Austausch gibt es mit mir nicht. Und da entdecke ich nichts dergleichen. Ich denke, dass eine wirklich zeitgemäße Sexualmoral das Erste, das Vierte, vor allem auch das Fünfte Gebot neu entdecken müsste.
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