Zu einer lebhaften Debatte unter Christen verschiedener Konfessionen haben sich die Disputa del Sacramento bei CNA Deutsch entwickelt. Der in in Frankfurt am Main und Köln tätige Rechtsanwalt René Udwari kommentiert, warum die Kirche und die Sakramente für jeden Menschen relevant sind - und auf welche Weise.

 

René Udwari (Foto: EWTN / Paul Badde)

Ins Schwarze getroffen hat Paul Badde mit seiner Analyse einer horizontalen "Kirchenspaltung", die, am Beispiel des Eucharistieverständnisses, zwischen den Gläubigen, der alltäglichen "pastoralen Praxis" einerseits sowie den Theologen und der kirchlichen Hierarchie andererseits verläuft. Längst haben es katholische Pfarrer, Katecheten und Theologen in den meisten Ortskirchen aufgegeben, den Glauben zu lehren, den die Apostel – auch das ist Bestandteil dieses Glaubens - vom Herrn empfangen und weitergegeben haben.

In Pfarreien, Bistümern und Instituten, in denen noch vor vergleichsweise kurzer Zeit Katholiken unter Gefahr für Leib und Leben dem Nationalsozialismus und dem Sozialismus trotzten, hat man sich heute bequem mit dem Zeitgeist eingerichtet. Zu diesem Zeitgeist gehört es, absolute Wahrheiten nicht kennen zu wollen, weil es vermeintlich das friedliche Zusammenleben der Menschen in Gemeinschaft fördere. 

Die Kirche als Säule und Fundament der Wahrheit (1 Tim 3,15) ist so vielerorts zu einem weltoffenem Debattierclub verkommen, in dem die Mitglieder auch schon gerne die Anwesenheitspflicht für die sonntägliche Mitgliederversammlung in Frage stellen dürfen, während in dieser Mitgliederversammlung die noch Anwesenden mit brüderlich-bürgerlichem shake hands sich der gegenseitigen Gleichgültigkeit versichern, ehe der eine zum Mahl schreitet,  ein anderer zum Gedächtnis des letzten Abendmahls, wieder ein anderer der Vollendung des Messopfers beiwohnt und so weiter.

Kann man dem Protestanten Jörg Bremer überhaupt gram sein, wenn er in seinem Widerspruch auf Baddes "Tagesposting" mit seinem Verständnis vom Glauben der Kirche völlig daneben liegt? Kann man katholischen oder protestantischen Laien einen Vorwurf daraus machen, wenn sie die gottesdienstlichen Handlungen in Heiliger Messe und protestantischem Gottesdienst für einerlei halten und nicht mehr unterscheiden wollen, welche Liturgie sie besuchen? Nein – Gram und Vorwurf würden sich stattdessen gegen die Betreiber der von Badde beschriebenen horizontalen Kirchenspaltung richten: "Für wen hat das noch Relevanz?" fragt sich die Leiterin der Kinder- und Jugendabteilung eines deutschen katholischen Ordinariats. Ihre Frage ist rhetorisch gemeint und wird als Antwort vielen suggerieren, was sie ohnehin denken: "Es ist doch heute gleichgültig, ob Heilige Messe oder Abendmahl, ob protestantisch oder katholisch".

Ein Katholik sollte die richtige Antwort auf die Frage nach der Relevanz der Sakramente kennen, und er sollte die Antwort erst recht kurz und knackig formulieren können, solange er noch kein Theologiestudium absolviert hat. Die Antwort gehört zum Grundwissen eines Katholiken. Sie findet sich in Katechismus der Katholischen Kirche (KKK).

Die Kirche und ihre Sakramente haben Relevanz für jeden: Jeder Mensch ist berufen, Gott in seinem Leben zu erkennen und die Einheit mit ihm in der Kirche mit dem Ziel des ewigen Lebens bei Gott anzustreben (KKK 1, KKK 846). Die Sakramente ordnen den Menschen auf dieses Ziel aus (KKK 1123). Sie sind der Kirche – nur der Kirche – anvertraut und ihre Abänderung steht nicht im Belieben des Einzelnen oder der Hierarchie (KKK 1124 f.). "Abendmahl oder Heilige Messe" wäre daher nur eine irrelevante Frage, wenn es sich dabei jeweils um ein und dasselbe handelt und wenn Kirche und protestantische Gemeinschaften ein und dasselbe wären. Das soll die Frage nach der Relevanz dieses Unterschieds ja auch suggerieren. Es ist aber nicht ein und dasselbe (KKK 1400). Die Kirche ist die Kirche Christi, die eine heilige, katholische und apostolische Kirche (Mystici Corporis, AAS XXXV, 245, Nr. 13).

Protestanten mögen das anders sehen, Katholiken können es aber nicht anders sehen, ohne aufzuhören, katholisch zu sein: Die Kirche ist der notwendige Weg zu Gott. Um zu ihr zu gehören muss der Mensch die Taufe empfangen, den vollen katholischen Glauben annehmen und in sichtbarer Gemeinschaft mit der Kirche stehen – das lehren Päpste und Konzilien für Katholiken verbindlich.

Auf einem anderen Blatt steht die Frage danach, wie es kommen konnte und wessen Schuld es ist, dass nach außen der Eindruck entstand, die katholische Kirche sei nur eine prinzipien- und hierarchieversessene Variante des Protestantismus: Gleiche Wirkung, nur mehr Brimborium. Wenn schon Katholiken ein solches indifferentes Verständnis von Kirche und protestantischen christlichen Gemeinschaften in die Diskussion einbringen, kann man nicht ernsthaft von ökumenischen Bemühungen besprechen, die den Begriff der Ökumene ernst nehmen.

Oft und auch an dieser Stelle wird zur Versinnbildlichung einer Abhandlung über das Sakrament der Eucharistie das Kunstwerk Disputa del Sacramento herangezogen; das Werk Raffaels zeigt gerade nicht einen Streit über das Wesen und die Wirkung der gottesdienstlichen Handlung. Die Frage – Messopfer oder Abendmahlsgedächtnis, Sacramento oder Cena – hat hier keine Relevanz. Das Gemälde ist bildgewordene katholische Theologie im besten Sinne und zeigt das immer tiefer gehende Verständnis der Kirche von dem ihr anvertrauten Altarsakrament, es zeigt die Kirchenväter, die die heilige Messe in Form gebracht haben, Kirchenlehrer wie den Hl. Thomas von Aquin, die die akademischen Begrifflichkeiten zum Verständnis des Sakraments geschärft haben, und es zeigt die Verbindung von Himmel und Erde in der Teilnahme an diesem Wunder. Der eine und dreifaltige, die Heiligen und himmlischen Heerscharen sind eins mit der irdischen Kirche.

Raffaels Disputa (Wikimedia / Gemeinfrei)

Die katholische Theologie hat das Verständnis des überlieferten Glaubens immer nur vertieft, wie einen Rohdiamanten immer feiner geschliffen, aber nie verändert. Zentrum des Bildes ist das Sakrament selbst. Den Kontrast zur Disputa del Sacramento bildet das Gemälde "Die Schule von Athen", in dem die Protagonisten der verschiedenen philosophischen Schulen der antiken Welt in einem heillosen Durcheinander palavern, ohne Ziel und Zentrum, bildhaft eingeschlossen im Gedankengebäude ihrer Theorien und Vermutungen: Hier mag ein Großteil der kirchlichen Hierarchie, der Funktionäre und Theologen zuhause sein.

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Raffaels Schule von Athen (Wikimedia / Gemeinfrei)

Statt gram muss man den horizontalen "Kirchenspaltern" regelrecht dankbar sein für die Offenherzigkeit, mit der sie katholische Glaubenswahrheiten zugunsten eines Appeasements an den Zeitgeist und die deutsche Kirchensteuerökumene opfern möchten. Das Ansinnen ist so offensichtlich und die Verwirrung, die solche Anbiederung bei Protestanten wie bei katholischen Laien auslöst offensichtlich so groß, dass Widerspruch statthaft und notwendig ist. Dankbar darf man auch den Protestanten und Nichtgläubigen sein, die die ernsthafte Frage an die Kirche nach ihrem eigenem Wesen und dem Wesen ihrer Sakramente richten. Die Argumente, der alltäglichen "horizontalen Kirchenspaltung" im Kleinen zu widersprechen und aufrichtig mit Protestanten und Nichtchristen über den Glauben zu diskutieren, sind für Laien schnell und leicht greifbar.

Angst vor Kritik, Unverständnis oder Zurückweisung ist hier auch nicht angebracht. Dass die Frage nach der Eucharistie immer ein Skandal, ein Grund zur Spaltung sein wird, werden bibelfixierte Protestanten auch leicht anerkennen können, den schon die Ankündigung des Sakraments durch Christus selbst sorgte für Entzweiung unter den Jüngern (Joh 6, 60). "Wollt auch ihr weggehen?" (Joh 6, 67). fragt der Herr die verbleibenden Jünger, statt den Weggegangenen hinterherzurufen: "Kommt zurück. War alles gar nicht so gemeint. Es ist doch nicht mehr relevant."

Das Bekenntnis zum katholischen Glauben und zur Kirche und die Nutzung der Sakramente zur Erreichung des Lebensziels ist für jeden Menschen eine individuelle persönliche Entscheidung. Jeder Mensch, erst recht jeder gläubige Protestant, verdient eine ehrliche Antwort darauf, was seinen Glauben von dem Glauben der katholischen Kirche unterscheidet und warum der katholische Glaube für ihn relevant ist. Sich mit Beschwichtigungen, Halbwahrheiten und Verkürzungen anzubiedern, ist nicht Aufgabe oder gar Zierde eines Katholiken.

Eine Übersicht und weitere Beiträge rund um den "Kommunionstreit" finden Sie hier.  

https://twitter.com/CNAdeutsch/status/1011555388632813568 

Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Ansichten des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.