Chur - Mittwoch, 15. Juni 2022, 6:51 Uhr.
Der Churer Priesterkreis vertritt nach einem zweiten Treffen mit Bischof Joseph Bonnemain am Montag die Ansicht, der Verhaltenskodex zur Prävention von Missbrauch sei "nicht bindend".
In einer CNA Deutsch vorliegenden internenen E-Mail an die Mitglieder des Priesterkreises heißt es, der Bischof bestehe darauf, die kritisierten Stellen im Verhaltenskodex "im Einklang mit der Lehre der Kirche erklären zu können". Er wolle auch weder seine eigene Unterschrift zurückziehen noch den Kodex überarbeiten.
Den Churer Priestern zufolge enthält der neue Kodex für Chur gleich mehrere problematische Stellen, durch die "der Glaubens- und Sittenlehre ein Maulkorb umgehängt würde", wie es in einer Stellungnahme vom 29. April heißt.
Im Verhaltenskodex steht etwa: "Ich verzichte auf pauschal negative Bewertungen von angeblich unbiblischem Verhalten aufgrund der sexuellen Orientierung." Bei einer Zustimmung zu diesem Satz dürfe man "nicht mehr die kirchliche Lehre zur Homosexualität verkünden", betonen die Priester.
Interview in der NZZ am Sonntag
Bischof Bonnemain hatte gegenüber der NZZ am Sonntag vom 12. Juni gesagt, der Verhaltenskodex sei "kein bischöflicher Erlass". Der Priesterkreis folgert daraus in der internen E-Mail, "dass aufgrund dieser öffentlichen Erklärung des Bischofs der Verhaltenskodex für uns Priester und alle, die von staatskirchenrechtlichen Behörden angestellt sind oder werden, nicht bindend ist, da es sich ja nicht um einen bischöflichen Erlass handelt".
Außerdem hatte Bonnemain erklärt, er habe den Kodex "unterzeichnet, weil ich mich an ihn halten werde". Dort aber, so die Priester, heißt es ausdrücklich: "Ich übe keinen vermessenen Erwartungsdruck durch Elitedenken aus (z. B. Überhöhung der eigenen Gemeinde oder Gemeinschaft) und fordere weder Gehorsam noch Unterwerfung ein."
Vor diesem Hintergrund betont der Priesterkreis: "Da der Bischof keinen bischöflichen Erlass unterzeichnet hat und auf die Einforderung von Gehorsam verzichtet, ist die Druckausübung staatskirchenrechtlicher Körperschaften auf kirchliche Mitarbeiter mittels des Verhaltenskodex unseres Erachtens illegal."
Tatsächlich habe es inzwischen mindestens einen Fall gegeben, wobei "eine Person von einer Kirchgemeinde nicht angestellt wurde, mutmasslich weil sie den Verhaltenskodex nicht unterzeichnen wollte". Dies zeige "auf tragische Weise jetzt schon die negativen Konsequenzen des Verhaltenskodex auf".
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