Erzbischof Fernández über Missbrauchsfall: Würde heute anders handeln

Erzbischof Victor Manuel Fernández
screenshot / YouTube / Arquidiócesis de La Plata

Der von Papst Franziskus neu ernannte Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, der argentinische Erzbischof Víctor Manuel Fernández, hat mit Blick auf seinen Umgang mit einem Missbrauchsfall im Jahr 2019 erklärt: „Wenn Sie mich fragen, ob ich heute wieder genauso handeln würde: Ich glaube nicht.“

„Ich habe damals so gehandelt, wie man es zu dieser Zeit tat“, sagte Fernández im Gespräch mit katholisch.de am Freitag. „Es ging um einen Fall, in dem schon ermittelt wurde und der zehn Jahre vor meiner Ankunft in La Plata von der Justiz zu den Akten gelegt worden war. Gerade als ich mein Amt als Erzbischof antrat, erreichten die Ankläger, dass der Fall neu aufgerollt wurde.“

Das Projekt BishopAccountability.org, das es seit mittlerweile 20 Jahren gibt und das Missbrauch im Raum der Kirche dokumentiert, berichtete unmittelbar nach der Ernennung von Fernández durch Papst Franziskus über den Fall.

„Anfang Februar 2019 verteidigte Fernández öffentlich einen einflussreichen Priester aus La Plata, Pfarrer Eduardo Lorenzo, nachdem eine Anzeige wegen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen den Priester aus dem Jahr 2008 wieder aufgetaucht war“, so BishopAccountability.org. „Fernández veröffentlichte auf der Website der Erzdiözese einen Brief von Lorenzo, in dem der Priester die Vorwürfe bestritt und seine Kritiker der ‚Verleumdung, Beleidigung und Diffamierung‘ beschuldigte. Der Erzbischof stimmte Lorenzo öffentlich zu, dass seine Kritiker eine andere Agenda verfolgten, und nannte ihre Proteste gegen den Priester einen ‚plumpen Kampf, um ihn lächerlich zu machen‘. Im März 2019, als Lorenzo erneut strafrechtlich verfolgt wurde, reiste der Erzbischof in die Pfarrei des Priesters, um eine Messe zu konzelebrieren, in der Lorenzo sein Bekenntnis zum Priesteramt erneuerte.“

„Bis September 2019 meldeten sich zwei weitere mutmaßliche Opfer von Lorenzo, aber Fernández behielt den Priester weiterhin im Pfarrdienst und erinnerte ihn lediglich an die Regel der Erzdiözese, die es Priestern verbietet, zu reisen oder Zeit allein mit Minderjährigen zu verbringen“, hieß es weiter. „Im Oktober 2019, als sich das Strafverfahren gegen Lorenzo vertiefte, entfernte der Erzbischof ihn schließlich aus der Pfarrei und erklärte, Lorenzo habe ‚aus gesundheitlichen Gründen‘ um die Beurlaubung gebeten.“

„Im Dezember 2019, wenige Stunden nachdem ein Richter einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatte, beging Lorenzo Selbstmord“, so der Bericht. „Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits fünf Opfer gemeldet. Fernández gab eine kurze Erklärung ab, in der es hieß, Lorenzo habe sich ‚nach langen Monaten enormer Spannungen und Leiden‘ umgebracht. Er richtete keine tröstenden Worte an die Opfer, sondern sagte nur, dass er für diejenigen beten werde, ‚die durch die Anschuldigungen gegen den Priester beleidigt oder betroffen wurden‘.“

Fernández erklärte gegenüber katholisch.de: „Ich bat den Priester, dass er jeden Kontakt mit Minderjährigen vermeidet, und einige Monate später, dass er sein Priesteramt nicht mehr öffentlich ausübt. Er wurde von uns sogar zu einer Einrichtung der Caritas geschickt, wo ihn ein Arzt untersuchte. Später wurde er vorsorglich ins Gefängnis eingewiesen und beging dort Suizid. Das war das härteste Jahr meines Lebens.“

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Heute würde er „viel drastischere Maßnahmen früher treffen im Bewusstsein, dass das nicht bedeutet, den Entscheidungen der Justiz vorzugreifen“, räumte der Erzbischof ein. „Auf diese Weise hätten alle mehr Ruhe gehabt. Aber damals gab es andere kirchliche Vorgaben, heutzutage sind die vorgesehenen Prozesse Gott sei Dank wesentlich besser. In diesem Sinne kann ich sagen, dass ich nichts Unangemessenes gemacht habe: Ich habe weder den Priester verteidigt noch etwas getan, das sich auf die Opfer oder die Justiz auswirkte.“

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„Wenn die Opfer mich gefragt haben, ob ich ihnen glaube, habe ich immer Ja gesagt“, betonte Fernández. „Sagt man mir heute, dass mein Handeln nicht ausreichend war, stimme ich zu. Auch wenn ich nicht gegen das gehandelt, was damals üblich war, hätte ich besser handeln können als ich es getan habe.“

Das Dikasterium für die Glaubenslehre ist auch für das Thema Missbrauch zuständig. Nach Absprache mit Papst Franziskus werde er jedoch „keine direkte Zuständigkeit mehr dafür haben“, so Fernández. „Das erscheint mir sehr vernünftig, wenn man bedenkt, dass ich kein spezialisierter Kirchenrechtler, sondern ein Theologe bin. Außerdem ist es für den Präfekten schwierig, Zeit und Aufmerksamkeit für die Entwicklung des kirchlichen Denkens aufzuwenden, wenn er unmittelbar für die Frage des Missbrauchs zuständig ist.“

Der neue Präfekt erklärte, er werde vielmehr dafür sorgen, dass „eine Stimmigkeit in den lehramtlichen Aussagen der Kirche“ gewährleistet werde, „eingeschlossen das Lehramt von Franziskus. Manchmal hat man den Eindruck, dass sich bereits bekannte theologische Argumentationen unendlich lang wiederholen. Ganz so, als ob Franziskus nicht existieren würde, als ob er nichts habe verlauten lassen, als ob er nichts zu den auf dem Tisch liegenden Themen zu sagen habe. Aber Franziskus hat schon so viel dazu beigetragen!“

„Mit Blick auf diesen Punkt gibt es in jedem Fall eine Priorität, genauso wie beim Bemühen um eine Theologie im Dialog mit dem konkreten Leben der Menschen, mit ihrem Leiden, ihren Schicksalsschlägen und ihrer Hoffnung“, sagte Fernández.

„Manchmal haben diese Leute mich zwar leiden lassen, aber ich kann niemanden leiden sehen“, so Fernández mit Blick auf Kritiker an Papst Franziskus. „Ich bin mir nie zu fein dafür, mit diesen Gruppen zu sprechen, um etwas zu klären. Aber niemals würde es dem Papst oder mir einfallen, unsere Macht zu gebrauchen, um anderen das Leben schwer zu machen.“