Trier - Dienstag, 7. Mai 2024, 15:45 Uhr.
Einer am Dienstagnachmittag veröffentlichten Missbrauchsstudie zufolge hat der bekannte Priester Edmund Dillinger insgesamt 19 Personen „in verschiedenen Schweregraden sexuell missbraucht“. Der Ende 2022 verstorbene Priester war Gegenstand einer 96-seitigen Untersuchung von Jürgen Brauer und Ingo Hromada, die im Auftrag der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier (UAK) angefertigt wurde.
Hintergrund für die Untersuchungen waren „umfangreiches Bildmaterial und Schriftgut“ im Nachlass von Dillinger, „das den Verdacht begründete, er habe über Jahrzehnte sexuellen Missbrauch zum Nachteil von Kindern, Jugendlichen und anderen Schutzbefohlenen begangen“.
Dillinger war von 1966 bis 1999 im staatlichen Schuldienst tätig. 1972 gründete er die CV-Afrika-Hilfe mit Mitgliedern des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV). Erste Hinweise auf sexuellen Missbrauch gab es wohl schon sehr früh. In der Zusammenfassung der Studie heißt es, die Verantwortlichen im Bistum Trier hätten „insbesondere 1964 und 1970 unangemessen reagiert und Vorwürfe vertuscht“.
Tatsächlich seien außer den 19 Personen, die sexuell missbraucht wurden, „sehr viele, nach ihrer Anzahl aber nicht annähernd zu beziffernde Personen von sexuell motiviertem Verhalten“ des Priesters betroffen, so die Studie. Sie seien etwa „in sexualisierten Posen fotografiert“ worden oder „Berührungen in allen Körperregionen ausgesetzt“ gewesen. Zudem hätten manche Personen „Annäherungsversuche abwehren“ müssen.
In den Pfarreien, in denen Dillinger tätig war oder wohnte bzw. in Vereinen, Verbänden und Verbindungen, in denen er Mitglied war, seien „Vorfälle totgeschwiegen und Hinweisen oder ‚offenen Geheimnissen‘ nicht nachgegangen“ worden.
So habe Dillinger „das Gegenteil dessen“ vorgelebt, „was er in seinen Predigten, Vorträgen und Veröffentlichungen als ethisch, moralisch und gottgewolltes vorbildliches Leben eines guten Christen und Menschen zeichnete“.
Für das Bistum Trier reagierten „namentlich Bischof Stephan Ackermann und Generalvikar Ulrich von Plettenberg“ auf die Ergebnisse der Studie, wie es in einer Pressemitteilung heißt: „Die beiden Ermittler zeichnen das Bild eines Menschen, der über Jahrzehnte ein Doppelleben führte und einerseits als Priester eine ausgesprochen enge Position der kirchlichen Lehre vertrat, andererseits aber genau das Gegenteil dessen gelebt hat, was er als moralisch und vorbildlich propagiert hat. Es wird offenkundig, dass ein Priester der Trierer Kirche Kinder und Jugendliche missbraucht hat, und dass dies auch möglich war, weil Verantwortliche früherer Zeiten es unterlassen haben zu handeln oder unangemessen reagiert haben.“
Es zeige sich „ein Muster: nämlich, dass vor allem in den Jahren vor 2000 viele von diesem Doppelleben wussten oder etwas ahnten, sich aber dafür entschieden, nichts zu unternehmen oder wegzuschauen. In besonderer Weise trifft dies auf die im Bistum Verantwortlichen in den 1960er und 1970er Jahren zu. Das damalige Handeln entsprach in keinster Weise einer Betroffenenorientierung.“