Noch kein Urteil über Medjugorie – und warum es erstmal so bleiben wird

Neue Regularien zum Umgang mit übernatürlichen Phänomenen vorgestellt

Kardinal Victor Manuel Fernández bei einer Pressekonferenz in Rom am 17. Mai 2024.
Kardinal Victor Manuel Fernández bei einer Pressekonferenz in Rom am 17. Mai 2024.
Rudolf Gehrig / CNA Deutsch
Kardinal Victor Manuel Fernández, Präfekt des Glaubensdikasteriums
Kardinal Victor Manuel Fernández, Präfekt des Glaubensdikasteriums
Rudolf Gehrig / CNA Deutsch

Glaubt man der weltweiten, gläubigen Fangemeinde, dann erscheint seit dem Jahr 1981 die Gottesmutter regelmäßig in Medjugorie. In dieser Kleinstadt, die damals noch zu Jugoslawien gehörte, soll die Mutter Jesu persönlich ein paar damals 10 bis 16-jährigen Jugendlichen erschienen sein. Doch nicht nur das: Einigen „Sehern“ von damals erscheint sie noch heute, sagen sie.

Ist dies ein besonderes Zeichen göttlicher Gnade, bei dem die Muttergottes eine liebenswürdige Anhänglichkeit an die ehemals jugendlichen Seher zeigt und ihnen unter Umständen sogar ins Ausland folgt (die Medjugorie-„Seherin“ Marija Pavlovic-Lunettin sagte, ihr sei die Mutter selbst im Wiener Dom erschienen)? Schickt Gott täglich die Mutter Jesu nach Bosnien-Herzegowina, um die Christenheit an das Gebet zu erinnern? Ist es ein genial inszenierter Betrug, der nun seit 43 Jahren andauert? Oder ist es gar eine Mischung aus allem: Gutgläubige, fromme Kinder, die getäuscht wurden und Opfer ihres eigenen Ruhms wurden?

Bisher ist der Vatikan um eine endgültige Entscheidung bei der Beurteilung der Phänomene in Medjugorie herumgetänzelt. Konflikte zwischen dem damaligen Ortsbischof und den Franziskanern, die sich hauptsächlich um den Vertrieb der „Botschaften von Medjugorie“ kümmern, haben eine sachliche Klärung zusätzlich erschwert wie auch die Tatsache, dass die ehemalige jugoslawische Kleinstadt in den letzten Jahrzehnten zu einem der größten katholischen Wallfahrtsorte in Europa wurde. Es gibt tausende Zeugnisse von Pilgern, die in Medjugorie einschneidende Erlebnisse hatten – Gottesbegegnungen, die zu Bekehrungen führten.

Keiner der drei Päpste hatte ein Urteil sprechen wollen, seit die ersten Berichte von den angeblich übernatürlichen Erscheinungen die Runde machten. Die Phänomene dauern noch immer an, hieß es lange aus dem Vatikan, erst danach könne man ein Urteil treffen. Erst 2019 hatte Papst Franziskus offizielle Wallfahrten nach Medjugorie erlaubt.

Seit heute ist klar, dass sich diejenigen noch etwas gedulden müssen, die sich eine eindeutige Antwort erhofften auf die Frage, ob die angeblichen Erscheinungen nun echt sind oder nicht. Nachdem der Vatikan heute in Rom die neuen Regelungen zum Umgang mit übernatürlichen Phänomenen vorgestellt hat, stellt sich gar die Frage, ob es jemals eine eindeutige Antwort geben wird.

Neues Dokument mit Regularien vorgestellt

All diese Neuerungen im Umgang mit sogenannten „übernatürlichen Phänomenen“ wurden am Freitagmittag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Kardinal Víctor Manuel Fernández, der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, betonte vor den anwesenden Journalisten, dass es bei der Prüfung der Phänomene vor allem auch darum gehe, mit „Klugheit und pastoraler Sorge“ auf solche Ereignisse zu reagieren.

Bisher war der Prozess zur Entscheidungsfindung, ob ein bestimmtes Ereignis übernatürlichen Ursprungs ist oder nicht, in einem Dokument aus dem Jahr 1978 festgelegt.

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Künftig wird nur noch der Papst im Ausnahmefall entscheiden, ob ein Ereignis wie eine angebliche Marienerscheinung tatsächlich „übernatürlichen Ursprungs“ ist oder nicht. Außerdem sollen die Ortsbischöfe künftig bei derartigen Phänomenen enger mit dem Glaubensdikasterium zusammenarbeiten statt wie bisher selbst zu definieren, ob eine Erscheinung „echt“ ist. Ob ein Phänomen übernatürlichen Ursprungs oder nicht – dies soll bei der pastoralen Sorge um die Gläubigen jedoch in Zukunft nicht mehr die entscheidende Rolle spielen.

Echt oder nicht – egal für die Volksfrömmigkeit?

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Der Kardinal hob die Wichtigkeit hervor, künftig schneller zu reagieren und in Zeiten der globalisierten Welt auch die überregionalen Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Bislang war das Urteil über diese Phänomene dem jeweiligen Ortsbischof vorbehalten. Jetzt muss eine etwaige Entscheidung des Bischofs vom Glaubensdikasterium bestätigt werden. 

Fernández argumentierte, dass durch die neuen Regelungen die Volksfrömmigkeit gestärkt werde, indem das Lehramt der Kirche (vertreten durch das Glaubens-Dikasterium) lediglich prüft, ob ein Freifahrtschein zur Wallfahrt und Verehrung ausgestellt werden kann in Form eines Nihil Obstat oder nicht. Nur dem Papst bleibt es demnach vorbehalten, endgültige Urteile wie die Feststellung eines übernatürlichen Ursprungs eines bestimmten Phänomens festzustellen.

Die „guten Früchte“ schützen

Dadurch, dass man in der Regel nun keine definitiven Urteile mehr darüber fälle, ob etwa eine bestimmte Marienerscheinung „echt“ sei oder nicht, schütze man den Glauben der „einfachen Gläubigen“, ist Fernández überzeugt. Damit werde – anders als bisher – den Gläubigen ermöglicht, beispielsweise Wallfahrten zu angeblichen Erscheinungsorten zu unternehmen, auch wenn nicht klar ist, ob es sich dort um „echte Erscheinungen“ handelt. Die einzige Voraussetzung ist, dass das Glaubensdikasterium ein Nihil obstat ausgesprochen hat.

Kardinal Fernández sagte, dadurch, dass die Frage nach der Echtheit nicht mehr zu sehr im Vordergrund stehe, könne leichter vermieden werden, dass Gläubige sich Phantastereien, apokalyptischen Ängsten und dem Fanatismus hingeben und darüber die Botschaft des Evangeliums vergessen. Außerdem werde dadurch sichergestellt, dass selbst bei „unechten“ Erscheinungen der „Reichtum der geistlichen Früchte“ nicht verloren gehe.

Keine Entscheidung zu Medjugorie – bisher oder nie?

Die Frage eines Journalisten, ob nun mit den neuen Regularien ein endgültiges Urteil über die Phänomene in Medjugorie zu erwarten sei, verneinte der Präfekt des Glaubensdikasteriums. Nicht nur in Medjugorie, sondern auch bei ähnlich gelagerten Fällen würden jedes Jahr viele Pilger zu den Orten kommen.

Das Frömmigkeitsempfinden dieser Menschen und das Bedürfnis, solche Orte aufzusuchen, hänge oftmals allerdings nicht davon ob, ob das Phänomen tatsächlich übernatürlicher Natur sei, behauptete Fernández.

Wann – und ob überhaupt – es jemals ein kirchliches Urteil darüber geben wird, ob die „Erscheinungen“ in Medjugorie echt seien, konnte der Kardinal nicht beantworten. „Wir werden sehen“, sagte er. Man werde Phänomene weiter zu studieren und zu analysieren. „Wir werden gut darüber nachdenken“, versprach er.