Vatikanischer Kirchenrechtler Graulich: Bei geistlichem Missbrauch „fehlen Definitionen“

Msgr. Markus Graulich
screenshot / YouTube / EWTN | Katholisches Fernsehen weltweit

Der Kirchenrechtler Msgr. Markus Graulich SDB hat eingeräumt, beim Thema geistlicher Missbrauch „fehlen Definitionen, was die Behandlung der Thematik erheblich erschwert, selbst wenn in verschiedenen Veröffentlichungen Versuche in dieser Richtung unternommen wurden“. Graulich ist als Untersekretär der dritte Mann im vatikanischen Dikasterium für die Gesetzestexte.

Im Gespräch mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (aktuelle Ausgabe) verwies Graulich trotz fehlender Definitionen auf „die Vorgaben des Kirchenrechts“, die „sehr dienlich“ sein könnten, wenn geprüft werde, ob geistlicher Missbrauch vorlag.

„Ich nenne nur einige grundlegende Kriterien“, begann Graulich. „Waren Mitglieder einer (Ordens-)Gemeinschaft frei bei der Entscheidung, ihren Lebensstand zu wählen, oder wurden sie – etwa von Gründergestalten – manipuliert? Gab es eine freie Wahl im Hinblick auf die Beichtväter? Wurde der Unterschied von „forum internum“ (Beichte und geistliche Begleitung als geschützte Räume) und „forum externum“ (äußere Leitung, etwa auch im Bereich der Zulassungen zu Gelübden und Weihe) getrennt oder vermischt? Wurde mehr Wert auf Privatoffenbarungen als auf die Lehre der Kirche gelegt? Gab es ein Beten und Handeln mit der Kirche oder empfand sich die Gemeinschaft als elitäre Gruppe der Endzeit?“

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Graulich sprach auch über die Praxis von sogenannten Visitationen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist damit gemeint, dass eine zuständige römische Stelle eine oder mehrere Personen bestimmt, die verschiedene Einrichtungen einer Gemeinschaft besuchen und sich mit Mitgliedern dieser Gemeinschaft unterhalten, um danach Bericht zu erstatten.

Rom ordne „von sich aus“ nur dann eine Visitation an, so Graulich, „wenn Missstände vorgebracht wurden. Wenn eine Gemeinschaft selber eine Visitation erbittet, deutet das auf die Bereitschaft hin, sich begleiten zu lassen, und das ist grundsätzlich eine gute Sache.“

Grundsätzlich seien Visitationen aber eine gewöhnliche Sache: „Der Bischof visitiert alle fünf Jahre seine Diözese, die Ordensoberen visitieren jedes Jahr die Gemeinschaften in ihrem Bereich und in bestimmten Abständen erfolgt die Visitation durch einen Visitator, den die Leitung des Gesamtordens schickt. Werden diese Visitationen gut durchgeführt, sind sie hilfreich.“