München - Samstag, 3. August 2024, 9:00 Uhr.
Nach dem Stimmenverlust der hindunationalistischen Regierungspartei Bharatiya Janata Party (BJP) bei den Parlamentswahlen in Indien fürchten Christen und andere religiöse Minderheiten Vergeltungsaktionen. Das sagte Jesuitenpater Pradeep aus dem Bundesstaat Jharkhand im Nordosten des Landes im Gespräch mit dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN). Aus Sicherheitsgründen möchte der Ordensmann seinen vollen Namen nicht veröffentlicht sehen. „Wir befürchten, dass die BJP, die in unserem Bundesstaat weniger Stimmen erhalten hat als vor fünf Jahren, den Augenblick nutzen wird, um Minderheiten wie Christen und Muslime noch mehr zu schikanieren“, sagte der Jesuit.
Dennoch sei das Wahlergebnis auch Anlass zu vorsichtigem Optimismus: „Premierminister Modi hat zwar gewonnen, aber er hat nicht so viele Stimmen erhalten wie erwartet. Für uns Christen ist das ein starkes Zeichen für den Sieg des Volkes, weil es sich getraut hat, seinen Widerstand gegen die BJP zum Ausdruck zu bringen.“ Trotz der starken Wahlpropaganda in den Medien für Modi habe sich gezeigt, „dass er nicht so unbesiegbar ist, wie er immer gesagt hat“.
„Konstante und systematische Unterdrückung“
Die Unterdrückung religiöser Minderheiten besonders in Nordindien sei „konstant und systematisch“, erklärte der Jesuit. Er erinnerte an seinen Mitbruder Pater Stan Lourduswamy (bekannt als Stan Swamy), der sich für Menschenrechte eingesetzt hatte und daraufhin wegen Terrorismus und Volksverhetzung angeklagt worden war. Der 84-Jährige war nach Monaten im Gefängnis im Juli 2021 gestorben.
Kirchliche Schulen hätten aktuell Schwierigkeiten, Lehrer einzustellen, da die Behörden die Ausstellung von Ausweisdokumenten blockierten, sagte Pater Pradeep. Ausländische Priester erhielten kaum noch Visa für die Einreise nach Indien. Verhöre und andere Repressalien seien an der Tagesordnung. Christlichen Organisationen im Bundesstaat Jharkhand sei es jüngst verboten worden, Gelder aus dem Ausland anzunehmen, beklagte der Ordensmann: „Warum? Weil die Verantwortlichen in den Behörden wissen, dass die Minderheiten nicht für die BJP stimmen.“
Versuch, Christen von staatlichen Hilfen auszuschließen
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2017 wurden im Bundesstaat Jharkhand sogenannte Antikonversionsgesetze erlassen. Ähnliche Bestimmungen sind in elf weiteren indischen Bundesstaaten in Kraft. „Diese Gesetze wurden eingeführt, um Menschen vor Zwangsbekehrungen zu schützen, aber in Wirklichkeit dienen sie dazu, Missionare und Christen, die Stammesgruppen angehören, zu schikanieren“, beklagte der Ordensmann.
Viele Christen gehören ethnischen Minderheiten an, die einem Schutzstatus unterliegen und von der Regierung unterstützt werden. Vertreter der BJP hätten versucht, Christen von diesen Hilfen auszuschließen; das sei jedoch bislang nicht gelungen, erläuterte Pater Pradeep. Trotz aller Schwierigkeiten bleibe er mit Blick auf die Zukunft hoffnungsvoll: „Ich sehe den Mut der Menschen, gegen die BJP zu stimmen. Ich bete darum, dass trotz der weiteren Amtszeit unter Premier Modi die Schwierigkeiten, denen wir täglich ausgesetzt sind, abnehmen.“
Bevölkerungsanteil der Christen unter fünf Prozent
Am 1. Juni war die sechswöchige Parlamentswahl in Indien zu Ende gegangen. Gewonnen hat der amtierende Premierminister Narendra Modi mit seiner Partei BJP. Modi regiert das Land seit 2014. Das Wahlergebnis fiel diesmal schwächer aus als erwartet. Die absolute Mehrheit für die BJP ging verloren. Die oppositionelle Kongresspartei konnte ihren Stimmenanteil fast verdoppeln. In den kommenden fünf Jahren ist die Regierung Modi auf Koalitionspartner angewiesen.
Von den über 1,4 Milliarden Einwohnern Indiens sind unter fünf Prozent Christen. Wie die Muslime, die etwa 14 Prozent der Bevölkerung stellen, verzeichnen die Christen seit Jahren eine Zunahme religiöser Gewalt durch hindunationalistische Kräfte.