Redaktion - Freitag, 16. August 2024, 9:00 Uhr.
Mit Blick auf die Spendung und den Empfang des Bußsakraments hat der an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrende Pastoraltheologe Andreas Wollbold konstatiert: „Von Ausnahmen abgesehen, ist die Beichte in Deutschland schlicht tot. Man muss es so ungeschminkt sagen.“
„Um Gläubige in der Breite für die Wiederentdeckung dieses Sakramentes zu gewinnen, muss man wirklich dicke Bretter bohren“, zeigte sich Wollbold im Gespräch mit der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost (aktuelle Ausgabe) überzeugt. Dies könne „nur sehr gezielt und mit viel Ausdauer“ gelingen: „Allgemeine Appelle, damit man es mal wieder gesagt hat, verlaufen dagegen im Sand.“
Für die priesterliche Identität spiele die Beichte derzeit „wohl nur eine marginale Rolle“, so der Pastoraltheologe. „Das ist nicht gut, denn neben der Vollmacht zur Eucharistie ist die zur Sündenvergebung das große Alleinstellungsmerkmal des Priesters. Doch wahrscheinlich müssen die Geistlichen dafür erst einmal selbst die Kraft dieses Sakramentes wiederentdecken.“
Gefragt, ob die sogenannte Andachtsbeichte sinnvoll sei, also der regelmäßige Empfang des Bußsakraments auch dann, wenn keine schweren, sondern nur lässliche Sünden vorliegen, sagte Wollbold: „Mehr denn je! Andachtsbeichte oder einfach regelmäßige Beichte ist fast ausschließlich die Praxis von geistlich ernsthaft Lebenden geworden. Da ist sie ein unverzichtbares Element geistlichen Wachstums geworden, aber auch der Überwindung von tiefsitzenden sündhaften Neigungen.“
Skeptisch zeigte sich Wollbold bei der Frage, „ob alle Priester die dafür notwendigen Kompetenzen mitbringen“: „Früher hat man es sehr ernst genommen, nur denjenigen Priestern eine breite Beichterlaubnis zu geben, die durch Studium und regelmäßige Schulung den Anforderungen des Bußsakramentes gewachsen waren.“
„Heute findet man bei vielen Geistlichen dagegen einen Verschnitt von Populärpsychologie, Lieblingsspiritualität und frommer Vertröstung“, sagte der Theologe, der selbst Priester ist. „Das kann bei den Gläubigen die Erwartung wecken, der Priester sei eben hauptsächlich für die Absolution wichtig. Wenn er dann auch noch ein paar geistliche Streicheleinheiten zu geben versteht, ist alles in Ordnung. Ist es aber nicht!“
Im Gespräch mit der Tagespost betonte Wollbold auch die Bedeutung des Gewissens. Ob eine bestimmte Handlung sündhaft sei, etwa in Bezug auf die Medien, die Umwelt oder den Konsum, hänge „stark von den Lebensumständen ab“, wobei „vor allem das Gewissen gefragt“ sei.
„Bei Medien, Umwelt und Konsum gibt es ja nur Weniges, was in sich schlecht ist“, erläuterte Wollbold. „Konsum von Pornographie etwa wäre so etwas, aber das ist eine Ausnahme. Ansonsten hängt viel vom Maß ab, auch vom Augenmaß, also etwa mittels der Frage: Was und vor allem wie viel an Internet tut mir gut? Wo ist die kritische Grenze überschritten? Oder wo handele ich wirklich unverantwortlich? Wann bin ich wirklich ein Umweltsünder oder jemand, der Sachen kauft, ohne sie wirklich zu gebrauchen? Maß und Ziel hängen dabei stark vom Einzelnen ab.“