Redaktion - Dienstag, 27. August 2024, 11:00 Uhr.
In mehreren Ländern soll als Teil eines Pilotprojekts ein europaweit gültiger Impfpass eingeführt werden. Das auch aus Steuergeldern finanzierte Projekt „European Vaccination Beyond COVID-19“ (EUVABECO) will den europäischen Impfpass ab September in Deutschland, Belgien, Portugal, Griechenland und Lettland testen.
„Die Karte soll den Bürgern die Möglichkeit geben, alle ihre Impfdaten an einem einzigen, leicht zugänglichen Ort zusammenzufassen“, berichtete das einschlägige Portal VaccinesToday bereits am 22. Juli. „Er wird in verschiedenen Formaten erhältlich sein, darunter gedruckte Karten, per Post versandte Exemplare und digitale Versionen für Smartphones.“
Im Zuge der Corona-Krise herrschte besonders in Deutschland und Österreich einerseits ein hoher Druck in der Öffentlichkeit, sich impfen zu lassen und diese Impfung per Impfpass auch nachweisen zu können. Andererseits gab es deutlichen Widerstand gegen die Corona-Politik, konkret auch gegen das Nachweisen von Impfungen.
Der Paderborner Professor für Moraltheologie, Peter Schallenberg, betonte gegenüber CNA Deutsch, grundsätzlich gebe es „keine ethischen Schwierigkeiten, gesundheitliche Daten zu Impfungen zentral und digital zu verwalten“, wobei man „zum Schutz der personalen Intimität“ auf Anonymisierung achten müsse.
Schallenberg sagte, „jede personale Diskriminierung ist zu vermeiden und gleicher und gerechter Zugang zu Krankenversicherungen zu gewährleisten, was allerdings nicht gegen eine gesetzlich verankerte Impfpflicht mit entsprechenden Sanktionen spricht“.
Der Lehrstuhlinhaber für Soziologie an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT), Elmar Nass, würdigte zunächst „die Vorzüge einer solchen neuen europäischen Karte“: „Dadurch können Leben gerettet und Therapien individuell optimiert werden.“
„Datenschutzrechtliche Probleme betreffen die Frage nach dem Kreis derer, die Zugriff darauf haben“, fuhr Nass gegenüber CNA Deutsch fort. „Hier geht es schließlich auch um höchst persönliche Informationen. Keineswegs dürfen die Krankenkassen darauf zugreifen, die entsprechend ihre Kunden selektieren könnten.“
Der Ethiker stellte die Frage, wie „im Zeitalter internationaler digitaler Vernetzung sicher ausgeschlossen werden“ könne, dass fremde Mächte Zugriff auf die Daten hätten, und ergänzte: „Aber auch unsere Regierung könnte die Daten benutzen, gezielt paternalistische Zwangsmaßnahmen durchzuführen und kranke Menschen zu diskriminieren oder in ihrer Freiheit einzuschränken.“
„Letztlich muss dem christlichen Personalitätsprinzip entsprechend aber die Verantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit gewahrt werden, solange dadurch nicht andere an Leib und Leben unmittelbar gefährdet werden“, forderte Nass.
In der Corona-Krise durften Ungeimpfte manche Einrichtungen nicht betreten. In vielen Ländern der Welt verloren ungeimpfte Angestellte sogar ihren Arbeitsplatz. Angesprochen auf diese Problematik sagte Schallenberg: „Grundsätzlich hat der Staat als Hüter des Gemeinwohls das Recht zur Einschränkung von individuellen Freiheiten, auch im Fall der Impfpflicht, sofern diese parlamentarische Mehrheit findet, medizinisch indiziert ist und zeitlich begrenzt und evaluiert wird.“
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Nass betonte demgegenüber, es gebe zu dieser Frage „unterschiedliche ethische Meinungen“. Er selbst halte aus Sicht des Schutzes „von Leib und Leben und unter Abwägung mit dem hohen Gut individueller Verantwortung […] flächendeckende Pflichtimpfungen – unter der Voraussetzung ethisch legitimer Herstellung der Impfstoffe und der Gewissheit des Nicht-Schadens für die jeweils Geimpften – dann für legitim, wenn dadurch mit Evidenz eine hoch gefährliche wie ansteckende Seuche besiegt werden kann.“
„In der Corona-Zeit war eine solche Evidenz nicht gegeben, so dass hier eine Impfpflicht nicht legitimierbar war“, stellte er klar. „Einzelne dürfen keinesfalls zugunsten der Mehrheit geopfert werden, das wäre die Kapitulation vor einem kruden Utilitarismus.“
Mit Blick auf den neuen europäischen Impfpass rief Schallenberg in Erinnerung, dass in der Corona-Krise „verständlicherweise so viele Fehler gemacht“ worden seien, „dass erst eine gründliche parlamentarische und transparente Aufarbeitung erfolgen muss, bevor ein neues System eingeführt wird. Solche Aufarbeitung darf dann auch nicht durch geschwärzte Teile von Protokollen und Akten behindert werden.“
Auch Nass mahnte: „Anstatt vorzupreschen und allein die zweifellos vorhandenen Vorzüge eines solchen Ausweises einseitig zu propagieren, wünschte man sich in einer Republik, die sich die Rechte von Minderheiten doch auf alle Fahnen schreibt, doch genau die Einbeziehung“ von Menschen, die etwa vor einigen Jahren als Impf-Skeptiker galten.
Embryonale Stammzellen und Impfstoffe
Die katholische Kritik an vielen modernen Impfstoffen bezieht sich auf die Verwendung aus Abtreibungen gewonnener embryonaler Stammzellen zur Entwicklung, Prüfung oder Herstellung des jeweiligen Mittels. Nass erläuterte, den Embryonen werde durch diese Verwendung „ihr Lebensrecht und ihre Würde abgesprochen“.
„Stammen sie aus abgetriebenen Föten, so wird der Eindruck erweckt, mit der Abtreibung und damit der Tötung des ungeborenen Lebens habe man noch etwas Gutes getan im Dienst der Forschung“, beklagte der Ethiker der KHKT. „Beides widerspricht dem christlichen Menschenbild und damit christlicher Moral.“
Schallenberg ergänzte, dass die Verantwortung für die Verwendung abgetriebener Kinder bei der Entwicklung, Prüfung oder Herstellung der Impfstoffe „nicht primär den Nutzer von Impfstoffen“ treffe, „der nie genau wissen kann, wie ein Impfstoff hergestellt wurde, sondern den Gesetzgeber, der sicherstellen muss, dass keine Embryonen für medizinische Zwecke getötet werden“.
„Die katholische Moraltheologie unterscheidet daher zwischen formaler Mitwirkung an einem Übel, eine willentliche Mitwirkung also, die beim Nutzer von Medikamenten und Impfstoffen nicht angenommen werden kann, und einer bloßen materiellen Mitwirkung am Übel, also einer Nutzung des Materials in Unkenntnis der Herstellung oder Ursache“, so der Paderborner Moraltheologe. Diese Unterscheidung entlaste „eben den Nutzer der Impfstoffe, nicht aber den Gesetzgeber, der Verantwortung trägt für den ethisch einwandfreien Prozess der Herstellung von Impfstoffen“.