Redaktion - Freitag, 30. August 2024, 11:30 Uhr.
In einem Beitrag für das theologische Portal feinschwarz.net hat Claudia Lücking-Michel, die langjährige Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die Bedeutung kontinuierlicher „Reformen“ in der Kirche unterstrichen: „Bleiben wir dabei: Wortgottesdienste mit Kommunionfeier, Trauerfeiern und Beerdigungen, Taufe durch Laien. Ermutigung und Selbst-Ermächtigung, wo immer wir gegenseitig füreinander Kraftquellen erschließen können. Ich hoffe auf viele Wegbegleiter*innen mit einem langen Atmen, die den Weg weiter mitgehen.“
Mit Blick auf die Weltsynode im Oktober betonte sie, wie wichtig es sei, die bisherigen Erfolge des Synodalen Weges nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. „Eigentlich haben wir keine Zeit für ‚große Pausen‘, aber nutzen wir sie, um Bilanz zu ziehen und uns neu zu orientieren“, schrieb Lücking-Michel und erinnerte daran, dass der Synodale Weg nicht aus idealistischer Motivation, sondern als Reaktion auf eine „existenzielle Kirchenkrise“ begonnen worden sei.
Die Veröffentlichung der MHG-Studie zum Thema Missbrauch im Jahr 2018 habe gezeigt, wie tiefgreifend die strukturellen Probleme innerhalb der Kirche seien: „Die Erkenntnisse und Erschütterungen, die in Deutschland 2018 mit Erscheinen der sog. ‚MHG-Studie‘ über sexuelle Gewalt durch Kleriker zu der Vereinbarung dieses großangelegten Reformprozesses geführt haben, sind so massiv und weiterhin so präsent, dass man sie wirklich nicht vergessen kann.“
Die MHG-Studie von 2018 war die erste große Missbrauchsstudie innerhalb der katholischen Kirche und Ausgangspunkt sowohl für weitere Studien in den einzelnen Bistümern als auch für den Synodalen Weg. Nach der Veröffentlichung einer ähnlichen protestantischen Studie Anfang dieses Jahres, ForuM genannt, betonte die Initiative „Neuer Anfang“ jedoch, „das Dauernarrativ des Synodalen Weges, nach dem Missbrauch systemische Ursachen spezifisch katholischer Prägung habe“, sei nun „endgültig vom Tisch gefegt“.
Besonders hob Lücking-Michel in ihrem Beitrag die Bedeutung des Forums „Macht und Gewaltenteilung“ hervor, das sich im Rahmen des Synodalen Wegs mit den grundlegenden Machtstrukturen in der Kirche auseinandergesetzt hat.
„Demokratisch geschult, können Staatsbürger*innen einer modernen Demokratie des 21. Jahrhunderts aus dem Stand über die Notwendigkeit von Gewaltenteilung referieren“, erklärte sie, um dann den Kontrast zur Kirche aufzuzeigen: „In der Kirche leben wir dagegen in einem weitgehend autokratischen System ohne funktionierende Macht- und Gewaltenteilung.“
Trotz einiger Fortschritte, wie der Entscheidung zur Einrichtung eines permanenten „Synodalen Rates“, bleibe viel zu tun. „Wer Partizipation ernst meint, kann diese nicht auf begrenzte Zeit einführen“, betonte sie.
In einer gemeinsamen Presseerklärung des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz von Anfang Juli hieß es demgegenüber zum Synodalen Rat: „Man wünscht eine Änderung der Bezeichnung und verschiedener Aspekte des bisherigen Entwurfs für ein solches mögliches nationales synodales Gremium […]. Hinsichtlich der Stellung dieses Gremiums besteht Übereinkunft darin, dass es nicht über der Bischofskonferenz steht oder gleichrangig mit ihr ist.“
Die genaue Ausgestaltung dieses Rates sei deswegen noch offen, so Lücking-Michel. Es sei trotzdem wichtig, diesen Prozess fortzuführen, auch wenn Widerstände auftreten, insbesondere aus Rom. Ein Brief aus Rom, der kurz vor der fünften Vollversammlung für Aufsehen sorgte, habe die Debatten erschwert.
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„Der Handlungstext ‚Gemeinsam Beraten und Entscheiden‘ sollte demnach – so der Brief – unbedingt abgelehnt werden“, berichtete sie. Dennoch habe der Wille der Synodalen, die Beratungen fortzusetzen, überwogen. „Der Synodale Ausschuss zur Vorbereitung des Synodalen Rats ist wichtig“, unterstrich Lücking-Michel.
Auch die Frage, wie Macht in der Kirche kontrolliert und geteilt werden kann, bleibe zentral. „Was ist, wenn man sich gar nicht einigen kann?“, fragte Lücking-Michel und betonte, dass es in solchen Fällen kein „Machtwort“ oder eine „Letztentscheidung“ des Bischofs geben dürfe, sondern ein Konsensverfahren, „bei dem keine Seite ohne die anderen weitermachen kann“.
Lücking-Michel äußerte zudem ihre Sorge, dass die Gläubigen, wenn die Reformen scheitern, die Kirche verlassen könnten: „Die Massen der Gläubigen werden wohl nicht wie vor dem Mauerfall protestierend auf die Straße gehen, sondern weiterhin massenhaft mit einem stillen Auszug und hoffnungslosem Kopfschütteln ihre Kirche verlassen.“
Besonders kritisch beschrieb Lücking-Michel die Situation der Frauen in der Kirche. Trotz zahlreicher Appelle sei man in den letzten 50 Jahren kaum über die Forderungen der Würzburger Synode hinausgekommen. „Frauen werden nicht mehr in der Kirche bleiben, wenn sie weiter als Menschen zweiter Klasse behandelt werden“, schreibt sie eindringlich. Lücking-Michel weiter: „Kirche hat keine Zukunft, wenn die Frauen gehen.“
Die Würzburger Synode, offiziell als „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ bekannt, war eine kirchliche Versammlung, die von 1971 bis 1975 in Würzburg stattfand. Sie wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) einberufen. Die Synode behandelte zahlreiche Themen, darunter die Laienbeteiligung, Liturgie, Kirchenverwaltung und soziale Fragen. Einige der Neuerungen waren beispielsweise die Einführung von Pfarrgemeinderäten und die Mitbestimmung von Laien.
Auch in anderen Bereichen, wie dem Zölibat und der Anerkennung nicht-heterosexueller Beziehungen, forderte Lücking-Michel nächste Schritte. Sie wies darauf hin, dass die Diskussion über den Sinn eines rein männlichen, zölibatären Klerus angesichts der abnehmenden Priesterzahlen längst überholt sei. Andererseits habe sich bei der Anerkennung und Segnung queerer Beziehungen sowohl in der Wahrnehmung als auch formal einiges getan.
Der Vatikan hatte jedoch den deutschen Bischöfen Ende letzten Jahres mitgeteilt, dass es keine Gespräche über die Weihe von Frauen zu Priestern oder eine Änderung der Lehre zur Homosexualität bei Treffen mit Delegierten des umstrittenen Synodalen Wegs in Rom geben wird.
Lücking-Michel machte abschließend deutlich: „Es muss sich noch viel ändern, damit wir als glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen der Botschaft Jesu Christi wieder ernst genommen werden können.“ Ihre Botschaft: Die Zeit für Reformen sei jetzt, und es liege an den Gläubigen, diesen Wandel aktiv voranzutreiben.