Redaktion - Freitag, 23. Mai 2025, 8:00 Uhr.
„Ich glaube schon, dass er die Leute zusammenführen kann“ – mit dieser Einschätzung beschreibt Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Interview mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (aktuelle Ausgabe) das Potenzial von Papst Leo XIV., Spannungen zwischen Nord- und Südamerika sowie zwischen politischen Lagern zu überwinden.
Müller sieht in der Herkunft, Sprachfähigkeit und Lebensgeschichte des neuen Papstes eine einmalige Chance zur Verständigung: „Er spricht ja schon beide Sprachen, Englisch und Spanisch, und das hilft schon viel, wenn es da keine Vermittlung durch Übersetzer geben muss.“
Müller kennt die kirchliche und gesellschaftliche Realität Lateinamerikas aus eigener Erfahrung. „Zum ersten Mal war ich 1988 in Peru“, erzählte der Kardinal. Damals habe er gemeinsam mit Theologieprofessoren aus Deutschland und Österreich ein Seminar mit Gustavo Gutiérrez abgehalten, „einem der Mitbegründer der Befreiungstheologie, der ihr auch diesen Namen gab“.
Dieses erste Zusammentreffen sei der Beginn einer langjährigen Verbindung gewesen: „Bis zum ersten Jahr meiner Bischofszeit in Regensburg – 2002 – war ich dann fast jedes Jahr ein oder sogar zwei Mal während der Semesterferien dort.“
Auf die Frage, wie Papst Leo XIV. die Lage auf dem Kontinent beurteile, erklärte Müller: „Als ich ihn vor zwei Jahren kennengelernt habe, dachte ich erst, er sei ein Peruaner, weil er so gut Spanisch spricht.“
Die Wahl Leos XIV. zum Papst sehe er als „eine glückliche Fügung“. So sagte er: „Es ist sozusagen providentiell, dass er in seiner Person und mit seinem Lebenshintergrund die beiden Amerikas vereinigt.“
Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.
Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.
Diese Verbindung finde auch im kirchlichen Leben ihren Ausdruck: „Die heilige Rosa von Lima ist ja auch die Patronin beider Amerikas. Früher hat man immer von ‚beiden Amerikas‘ gesprochen.“ Auch Guadalupe sei als Marienwallfahrtsort für den gesamten Kontinent von zentraler Bedeutung.
Zur politischen Dimension des Pontifikats betonte Müller, Papst Leo XIV. sei kein ideologischer Gegenspieler bestimmter Staatschefs: „Der Papst und die vatikanische Diplomatie sind da nicht innerhalb der geregelten Auseinandersetzung demokratischer Parteien ein politischer Kontrapunkt zur dieser oder jener amerikanischen Regierung, sondern das moralische Gewissen aller irdischen Machthaber.“
Ziel der Kirche sei nicht politische Einflussnahme. Stattdessen gehe es darum, „die göttliche Wahrheit über den Menschen, seine Würde und sein endgültiges Ziel in Gott“ zu teilen.
Ebenso äußerte sich der Kardinal zu Donald Trump: „Auch ich habe nach seiner ersten Amtszeit eine Stunde mit Donald Trump gesprochen“, berichtete Müller. Man müsse unterscheiden zwischen dem realen Menschen und dessen Darstellung in den Medien: „Er kommt natürlich aus der Wirtschaft, ist aber doch ein Mann, der irgendwie etwas Gutes bewirken will.“
Ähnlich offen zeige sich J. D. Vance, der sich bei seinem Übertritt zur katholischen Kirche theologisch habe begleiten lassen. Über ihn sagte Müller: „Dessen Glauben hat ein reflektiertes theologisches Niveau.“