Redaktion - Sonntag, 29. Juni 2025, 8:00 Uhr.
In einem ausführlichen Interview mit dem Rechtsanwalt Lothar C. Rilinger auf der französischen Seite La Nef hat der Abt der Benediktinerabtei Fontgombault, Dom Jean Pateau OSB, erläutert, warum seine Gemeinschaft die Liturgie nach dem Messbuch von 1965 feiert und wie sich diese Praxis in die Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils einordnet.
Dabei sprach er offen über Spannungen innerhalb der Kirche, die Rolle des Motuproprio Traditionis custodes und die Hoffnung auf einen liturgischen Dialog, der zur Versöhnung führen könne. „Wir müssen aus der für alle erschöpfenden Opposition zwischen Traditionalisten und Progressiven herauskommen und den Frieden um den Altar herum wiederherstellen!“, stellte Dom Jean klar.
Auf die Frage, wie er das Pontifikat von Papst Franziskus beurteile, antwortete der Abt: „Es ist noch zu früh, um eine Bilanz des Pontifikats von Franziskus zu ziehen. Papst Franziskus war ein Geschenk Gottes für die Kirche unserer Zeit, so wie es Papst Leo heute ist. Von Papst Franziskus bewahre ich sein Motto Miserando atque eligendo – Barmherzigkeit üben und auswählen – wie einen kostbaren Schatz.“
Mit Blick auf das neue Pontifikat von Papst Leo XIV. zeigte sich der Abt zuversichtlich. Er beschrieb ihn als „einen jungen Papst, den der Herr mit vielen Gaben ausgestattet hat“.
Er erwarte, dass Leo XIV. „die Früchte der drei großen Päpste vor ihm, Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus, erntet: von Johannes Paul II. den Aufruf zur Mission, von Papst Benedikt die Spiritualität und Lehre und von Franziskus die Aufnahme aller Menschen.“
Besonders betonte der Abt das neue päpstliche Motto, das eine klare Orientierung vorgibt: „In illo uno, unum. In dem, der eins ist, lasst uns eins sein.“
Zur Liturgie und der gegenwärtigen Debatte um die traditionelle lateinische Messe meinte Dom Jean, dass Robert Francis Prevost OSA, der jetzige Papst Leo, als Schüler des heiligen Augustinus „ein Mann der Einheit, ein Mann des Gebets“ sei, der für die „betende Dimension des Vetus Ordo empfänglich sein könnte“.
Bezüglich seines Kloster stellte er klar: „Die Klostermesse in der Abtei wird nicht nach dem Messbuch von 1962, genannt Vetus Ordo oder alter Ritus, gefeiert, sondern nach dem Messbuch von 1965.“ Dieses sei zwar eine Umsetzung der Konzilsvorgaben von 1963, bleibe aber „eng mit dem Messbuch von 1962 verbunden und behält das Offertorium und die meisten Gesten bei.“
Ergänzend sagte er: „Wir haben uns für die Verwendung des aktuellen Heiligenkalenders entschieden. Wir haben den Kalender mit den alten liturgischen Zeiten beibehalten, der die Zeit der Septuagesima, die Oktav von Pfingsten und die Quatember umfasst, aber wir feiern mit der universellen Kirche am letzten Sonntag des Jahres Christkönig.“
Zur Frage, ob die alte Form der Liturgie die Einheit der Kirche gefährden könne, verwies Dom Jean auf Benedikt XVI., der in seinem Begleitbrief zum Motuproprio Summorum Pontificum zwei Einwände behandelt habe: die Autorität des Zweiten Vatikanischen Konzils und mögliche Unruhen in den Pfarreien.
Der Abt erinnerte daran, dass der damalige Kardinalstaatssekretär Cicognani 1966 im Namen Papst Pauls VI. schrieb: „Das Charakteristische und Wesentliche dieser neuen überarbeiteten Ausgabe ist, dass sie die perfekte Krönung der Liturgischen Konstitution des Konzils darstellt.“
Gegen die These von einem Bruch entgegnete er: „Es gibt Stellen, an denen es Brüche gab und gibt. Es gibt auch Orte, an denen es friedlich zugeht.“ Viele junge Menschen, die sich heute traditionsverbundenen Gemeinschaften zuwenden, kämen nicht aus solchen traditionellen Milieus: „Auch ich selbst bin ein Beispiel dafür.“
In der modernen Welt suchten viele bewusst geistliche Tiefe: „Ertrunken in einer hypervernetzten und lauten Welt, in der Nachrichten allgegenwärtig sind, schätzen sie die Stille und Nüchternheit der Texte im Vetus Ordo. Dieser ausdrucksstärkere, weniger intellektuelle Charakter scheint mir auf pastoraler Ebene ein Vorteil zu sein.“
Die Frage, ob der alte Ritus zur Neuevangelisierung beitragen könne, beantwortete Pateau mit einem Rückgriff auf den französischen Liturgiewissenschaftler Pierre Jounel, der schrieb: „Darüber hinaus glaube ich, dass die Evangelisierung zweifellos durch eine Wiederentdeckung der traditionellen Ausrichtung und Gesten gestärkt werden könnte, die sehr gut nach Belieben in das aktuelle Messbuch aufgenommen werden könnten und die daran erinnern, dass die Eucharistie das lebendige Gedächtnis der Erlösung ist, dass es einen Anderen gibt, der gegenwärtig gemacht wird, und dass vor diesem Anderen alle in der Anbetung gehen.“
Mit Blick auf das Motuproprio Traditionis custodes sagte Abt Jean: „Es lässt sich nicht leugnen, dass die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Feier gemäß dem Vetus Ordo ermöglichten.“
Benedikt XVI. habe eine gegenseitige Bereicherung beider Formen gewollt: „In das alte Messbuch können und müssen die neuen Heiligen und einige der neuen Präfationen eingefügt werden […]. In der Feier der Messe nach dem Messbuch Pauls VI. kann diese Heiligkeit, die viele Menschen zum alten Ritus hinzieht, stärker zum Ausdruck kommen, als dies bisher oft der Fall war.“
Seit dem Inkrafttreten von Traditionis custodes habe sich die Situation verschärft: „Einige haben sich der Priesterbruderschaft St. Pius X. zugewandt. Andere nehmen viele Kilometer auf sich, um an der Messe nach dem Messbuch von 1962 oder 1965 teilzunehmen.“
Die Spannungen seien erneut aufgeflammt: „Eifersucht wird verstärkt; Missverständnisse werden besonders dann verstärkt, wenn die Zahl der Gläubigen, die die Messe nach dem Vetus Ordo besuchen, zunimmt und ihr Durchschnittsalter eher niedrig ist.“
Die Arbeit Benedikts XVI. zur gegenseitigen Annäherung der Ritusformen sei damit abgebrochen worden. Abt Jean Pateau OSB nannte am Ende des Interviews zwei wesentliche Gründe, warum die von Benedikt XVI. angestoßene liturgische Arbeit wieder aufgenommen werden sollte.
Erstens verwies er auf die geschichtliche Realität des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Zunächst einmal können wir die Tatsache nicht ignorieren, dass das Zweite Vatikanische Konzil stattgefunden hat und dass die Konstitution über die Liturgie Sacrosanctum Concilium veröffentlicht wurde, die eine Reform des Messbuchs fordert.“
Die bloße Rückkehr zum Messbuch von 1962 oder zum alten Pontifikale erscheine vor diesem Hintergrund problematisch, weil sie die verbindlichen Konzilsbeschlüsse außer Acht lasse.
Zweitens machte er den missionarischen Ernstfall geltend: „Darüber hinaus können wir den starken Rückgang der Religionsausübung nicht ignorieren.“ Dieser betreffe nicht nur bestimmte Länder, sondern sei weltweit spürbar.
Die Anziehungskraft des alten Ritus, auch bei jungen Menschen, zeige, dass viele Gläubige dort etwas finden, „was sie suchen“. Dom Jean sagte: „Eine Bereicherung des Messbuchs von 1969 nach Belieben hinsichtlich der Gesten, konkret die Verwendung des Ordinariums des Messbuchs von 1965 mit dem Offertorium […] würde nicht ohne Früchte bleiben. Dann wäre es legitim, wenn alle Priester und Christen davon profitieren könnten.“