Erzbischof Gössl laut Erzbistum Bamberg über Brosius-Gersdorf „falsch informiert“

Weihbischof Herwig Gössl
screenshot / YouTube / Deutsche Bischofskonferenz

Nach einem Telefonat zwischen Erzbischof Herwig Gössl und der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf erklärte das Erzbistum Bamberg in einer kurzen Mitteilung, Gössl sei über die Ansichten der Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht „falsch informiert“ gewesen.

Außerdem teilte die Pressestelle der Erzdiöze unkommentiert mit: „Frau Prof. Brosius-Gersdorf stellte klar, dass sie sich immer schon für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzte und das auch heute tut.“ Zentrale Äußerungen der Juristin, die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht als Kandidatin aufgestellt wurde, deren Wahl allerdings zunächst vertagt wurde, stellen diese Charakterisierung in Frage.

Gössl hatte in einer Festpredigt von einem „innenpolitischen Skandal“ gesprochen und gewarnt, ohne Verantwortung vor Gott drohe ein „Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung“ – eine Anspielung auf die Nominierung von Brosius-Gersdorf, wie CNA Deutsch berichtete. Nach massiver Kritik telefonierte der Erzbischof mit der Juristin, worauf eine knappe Pressemitteilung folgte.

Zentrale Zitate von Brosius-Gersdorf

Eine genaue Lektüre juristischer Schriften und Anhörungsprotokolle zeigt, dass Brosius-Gersdorf eine klare Abtreibungsposition vertritt.

In ihrer Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Bundestages (10. Februar 2025) erklärte sie: „Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt. Doch selbst wenn man das anders sieht und schon dem Embryo pränatal dann aber die volle Menschenwürde zuerkennt, wird sie bei einem Schwangerschaftsabbruch regelhaft nicht verletzt.“

Sie betonte in derselben Stellungnahme, dass Abtreibung in der Frühphase nicht bloß straffrei sein solle, sondern „rechtmäßig“; Krankenkassen müssten die Kosten tragen. „Dass der Gesetzentwurf den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase der Schwangerschaft rechtmäßig stellt, ist grundgesetzkonform“, so die Juristin.

2024 formulierte Brosius-Gersdorf in ihrem Beitrag für eine Festschrift zu Ehren ihres Doktorvaters, dem Rechtsphilosophen Horst Dreier, „die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert“, sei „ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“. 

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In der Sendung von Markus Lanz im ZDF wies Frauke Brosius-Gersdorf die Kritik zurück, sie wolle Abtreibungen bis kurz vor der Geburt legalisieren. Sie erklärte ausdrücklich: „Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt.“ Ebenso bezeichnete sie es als falsch, dass sie gesagt oder geschrieben habe, dem Embryo stehe „kein Lebensrecht“ zu.

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Allerdings präzisierte Brosius-Gersdorf, dass sie sich für eine Legalisierung der Abtreibung in der Frühphase ausgesprochen habe. Sie erläuterte: In diesem frühen Stadium der Schwangerschaft habe sie dem Lebensrecht des Embryos „ein geringeres Gewicht in der Gegenüberstellung mit den Grundrechten der Frau beigemessen und in den späteren Phasen ein höheres“.

In Deutschland werden nach aktueller Rechtslage jährlich mehr als 100.000 ungeborene Kinder im Mutterleib getötet. Von 1996 bis 2023 wurden ungefähr 1,8 Millionen Kinder abgetrieben.

Position der katholischen Kirche

Vertreter der katholische Kirche haben sich unmissverständlich gegen die Nominierung Brosius-Gersdorfs positioniert. Besonders deutlich wurden die bayerischen Bischöfe Stefan Oster SDB (Passau) und Rudolf Voderholzer (Regensburg), die von einem „radikalen Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung“ sprachen.

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme betonten sie: „Unser Grundgesetz ist maximal inklusiv. Jedem Menschen wird unabhängig von seiner Lebenssituation Menschenwürde und das Recht auf Leben zugesprochen.“

Wer die Ansicht vertrete, dass der Embryo oder Fötus im Mutterleib keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe, dem dürfe „nicht die verbindliche Auslegung des Grundgesetzes anvertraut werden“. Ihre Warnung war eindeutig: „Es darf in Deutschland nie wieder Menschen zweiter Klasse geben.“

Der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, betonte zudem, dass die Kirche verfassungsrechtliche Positionen für ein abgestuftes Lebensschutzkonzept nicht teile und die Menschenwürde des ungeborenen Lebens nicht infrage stelle.

Laut der katholischen Kirche ist Abtreibung in all ihren Formen ein schweres sittliches Vergehen, das gegen das göttliche und natürliche Gesetz verstößt. Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es dazu: „Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten und zu schützen.“