Washington, D.C. - Donnerstag, 30. August 2018, 14:08 Uhr.
Patricia Heaton ist außer sich. Die Schauspielerin ist eine von vielen Katholiken in den USA, die mit Erstaunen, Empörung und zunehmend Zorn auf das reagieren, was sie als Scheinheiligkeit, Lügen und Doppelmoral von Kardinälen und Bischöfen wahrnehmen. Letztlich gerinnt es im Schweigen, die von mehreren Kommentatoren als "Omertà" verurteilte, systematische Vertuschung inakzeptablen Verhaltens, bis hin zu Verbrechen und Missbrauch.
Im Zeitalter von Twitter hat das Konsequenzen: Katholikin Heaton, vierfache Mutter, hat knapp 370.000 Follower. Wenn sie - haltlos, ja, unverschämt im Ton - den Papst auffordert, endlich den Rücktritt von Kardinal Donald Wuerl anzunehmen, unterstützen dies tausende Menschen:
Seriously, how tone deaf can you get?! You sound like Don Corleone! How about protect the “children”? And what actionable steps are you taking to protect them? How about accepting @Cardinal_Wuerl ‘s resignation, for starters? https://t.co/HyGfYIyguh
— Patricia Heaton (@PatriciaHeaton) August 22, 2018
Nun gut, werden einige sagen, das ist halt die Filterblase von Twitter. Doch das greift zu kurz. Die Krise spielt sich nicht nur in den sozialen Medien ab. Vor Kardinal Wuerls Residenz in Washington haben aufgebrachte Katholiken demonstriert, die auf Plakaten Aufklärung fordern. Auch sie verlangen, dass der Papst endlich den Rücktritt des – im Pennsylvania-Bericht schwer belasteten – Erzbischofs annimmt.
“If you love the Church, please resign,” is one sign held up at Cardinal Wuerl’s home yesterday.
— Jason Calvi (@JasonCalvi) August 26, 2018
Hours later, that call was amplified by the Pope’s former eyes and ears in Washington, when Archbishop Vigano said the Pope himself should resign. pic.twitter.com/SDn9LQRTNB
Öffentliche Termine nimmt Wuerl derzeit nur wenige wahr. Manche spekulieren gar, er verlasse das Land. Am Schild der nach dem Kardinal benannten High School haben erboste Menschen seinen Namen übersprüht– mittlerweile hat die Erzdiözese mitgeteilt, der Erzbischof wolle diesen auch dort nicht mehr haben. Über der Graffiti ist mittlerweile ein Blech geschraubt worden, dass den Namen verdeckt.
Cardinal Donald Wuerl has requested that his name be removed from North Catholic High School. https://t.co/CvLimptLBo via @905wesa pic.twitter.com/h3lDW28EcU
— WITF news (@witfnews) August 22, 2018
Mit Brettern und Schweigen wird diese Krise aber nicht gelöst. In den sozialen Medien schreiben entrüstete Beobachter: Wie lange will, wie lange kann das noch weitergehen? Wieviele Gläubige wenden sich enttäuscht und angeekelt von der Kirche ab?
Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.
Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.
Wuerls Verhalten als Nachfolger von Erzbischof Theodore McCarrick wirft weitere Fragen auf, und sie werden laut gestellt - sei es auf der Straße oder im Internet: Warum hat Papst Franziskus den Rücktritt Wuerls trotzdem immer noch nicht angenommen? Sollte Wuerl gehen, folgen dann weitere? Etwa die von Vigano genannten? Wie konnte McCarrick sogar Seminaristen als Assistenten haben, nachdem bereits gegen ihn ermittelt wurde?
Die für viele wohl wichtigste, zu klärende Frage ist diese: Was ist dran an den Vorwürfen des ehemaligen Nuntius in den USA?
Diese Frage ist wichtiger als die Motivation Viganos, so sehr diese zu analysieren ist, wie auch die Agenda mancher verbohrter Papst-Kritiker und -Unterstützer, die nun irrlichtern und Nebelkerzen werfen.
Jeder Journalist weiss: Natürlich spielt die Motivation eines Whistleblowers eine Rolle. Aber auch der Wahrheitsgehalt seiner Vorwürfe ist dringend zu prüfen, und das nicht nur, weil mehrere hochrangige Kirchenvertreter Vigano in Schutz genommen haben, darunter der Erzbischof von San Francisco, während mittlerweile sechs Bischöfe allein in den USA öffentlich fordern, dass Viganòs Behauptungen wirklich geprüft werden.
Nicht nur diese Bischöfe und die aufgebrachten Laien wissen: Den Opfern – wie auch den einfachen Katholiken – steht es zu, die Wahrheit zu erfahren. Und der Kirche steht es zu, sie vom "Schmutz" – Franziskus benutzte in Dublin dafür ein anderes Wort – zu befreien.
Nun hat der Papst die Anschuldigungen bislang aber weder von sich gewiesen noch bestätigt, wie CNA Deutsch berichtete.
Diese Haltung mag man für nachvollziehbar halten. Ob sie sich durchziehen lässt, wird sich zeigen müssen: Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo von Galveston-Houston, hat betont, dass die Vorwürfe Viganòs "prompt und gründlich" geprüft werden müssen.
Viganòs Brief werfe ein Schlaglicht der "Aufmerksamkeit und Dringlichkeit" darauf, "wie die schwerwiegenden moralischen Mängel eines Bischofsbruders so lange geduldet werden konnten und sich als kein Hindernis für seinen Aufstieg erwiesen haben", so DiNardo in seiner Erklärung.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz weiter: Er wiederhole die Einladung der US-Bischöfe an den Vatikan, mittels einer Apostolischen Visite in den Vereinigten Staaten der "Wahrheit auf den Grund zu gehen".
DiNardo weiß, was man im Vatikan bislang ignoriert: Katholiken wie Patricia Heaton werden nicht locker lassen. Diesmal nicht. Zumal Reporter in den USA jetzt schon an der Residenz von Erzbischof McCarrick klingeln, und italienische Journalisten mit dem – aus Angst um seine Sicherheit – verreisten Viganò, der alle Vorwürfe gegen seine Person von sich weist, weitere Interviews führen.
In seiner Erklärung schreibt DiNardo denn auch, dass er "sehnsüchtig" auf eine Audienz bei Papst Franziskus warte, um "seine Unterstützung für die Pläne der US-Bischöfe zu gewinnen". Demnächst wird wieder Besuch aus den USA in Rom eintreffen.
(Letztes Update am 31. August mit jüngsten Informationen zum Fall McCarrick)
Das könnte Sie auch interessieren:
Der Sprecher des Vatikans betont, dass Franziskus mit seinem "Brief an das Volk Gottes" keineswegs nur die Verbrechen und das Fehlverhalten in den USA gemeint hat. Es geht um die weltweite Krise der Kirche, betonte @GregBurkeRome https://t.co/KrEjNLJBxw via @CNAdeutsch