Würzburg - Freitag, 11. Juni 2021, 11:45 Uhr.
Der Erzischof von Denver (USA), Samuel Joseph Aquila, hat erneut seine Bedenken gegenüber den von der deutschen Bischofskonferenz mitinitiierten "Synodalen Weg" geäußert. Im Interview mit der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost" erläuterte Aquila außerdem seine Beweggründe für seinen Mitte Mai veröffentlichten Brief, in dem er theologische Einwände gegen die Umsetzung des "Synodalen Weges" vorbrachte (CNA Deutsch hat berichtet).
Der offene Brief des Erzbischofs ist auf Christi Himmelfahrt datiert – den 13. Mai 2021 – und in mehrere Sprachen übersetzt worden. Den vollen Wortlaut des in deutscher Sprache 16 Seiten langen Schreibens lesen Sie hier.
Im Folgenden dokumentiert CNA Deutsch das Interview mit Bischof Aquila, welches "Die Tagespost" in ihrer Ausgabe vom 4. Juni 2021 erstmals veröffentlichte:
Exzellenz, Ihr Brief kam für viele Menschen - besonders hier in Deutschland - sehr überraschend. Woher kommt Ihr großes Interesse am "Synodalen Weg"?
Dadurch, dass der Heilige Vater die Synode über Synodalität auf das Jahr 2023 verschoben hat, um eine längere Vorbereitungszeit zu ermöglichen, macht er deutlich, dass die Frage der Synodalität für die Weltkirche sehr wichtig ist. Der Brief erkennt in einigen der aufgeworfenen Fragen den Wert von Synoden an. Die Sorge gilt mehr der Art und Weise, wie die Synodalität in Deutschland umgesetzt wird. Dort wird sie nicht nur genutzt, um lokale, pastorale Fragen zu behandeln, sondern um grundlegende Lehrfragen von universaler Bedeutung zu verhandeln.
Wie auch andere Bischöfe erkannt haben, betrifft der deutsche "Synodale Weg" die ganze Kirche, weil er grundlegende Lehren über das Wesen und die Struktur der Kirche, wie sie von Jesus eingesetzt wurde, in Frage stellt. Es gibt nur einen Glauben und einen Herrn. "Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit" (Hb 13,8). Einige Leser mögen denken, dass mein Brief nicht in Ordnung ist - dass es darum ginge, damit Politik oder Effekthascherei zu betreiben oder spaltend zu sein.
Es ist verständlich und unvermeidlich, dass manche Menschen so reagieren. Aber der Brief muss im Sinne dessen verstanden werden, wozu das Zweite Vatikanische Konzil jeden Bischof aufruft: "...als Mitglied des Bischofskollegiums und legitimer Nachfolger der Apostel ist er durch die Einsetzung und den Befehl Christi verpflichtet, für die ganze Kirche besorgt zu sein, und diese Besorgnis trägt, obwohl sie nicht durch einen Akt der Jurisdiktion ausgeübt wird, in hohem Maße zum Vorteil der Gesamtkirche bei. Denn es ist die Pflicht aller Bischöfe, die Einheit des Glaubens und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin zu fördern und zu wahren" (Lumen gentium 23).
Der Brief ist ein Aufruf an alle Bischöfe zum Gebet und zur Reflexion, um Parrhesia zu üben, wie Papst Franziskus es gefordert hat, aus Liebe zu Christus und seiner Kirche.
Sie selbst schreiben in Ihrem Brief: "In Anbetracht der heiligen Verantwortung, Zeugnis für den zu geben, der mich gesandt hat, schreibe ich diesen Brief aus Liebe zu Jesus Christus und zur Weltkirche, die die Braut Christi ist." Worum geht es Ihnen genau, wenn Sie den "Synodalen Weg" in Deutschland betrachten?
Der Brief ist zugegebenermaßen etwas langatmig und geht auf einige Bedenken detailliert ein. Aber sein Grundanliegen ist die Treue zu Jesus Christus und seiner Lehre. Jesus Christus muss unsere erste Liebe sein vor allem anderen, wir sind berufen, ihm in der Fülle des Evangeliums zu begegnen. Wir sind zu einer biblischen Weltsicht berufen, die die in Jesus Christus offenbarte Liebe und Barmherzigkeit des Vaters anerkennt.
Das Arbeitspapier [des "Synodalen Wegs"], auf das sich mein Brief bezieht, legt nahe, dass die Synodenteilnehmer auf echte pastorale Probleme reagieren, allerdings in einer Weise, in der sich die Synodenteilnehmer von der Lehre Jesu im Evangelium, der Rezeption seiner Lehre in der Tradition der Kirche und der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wegbewegen.
Papst Franziskus hat wiederholt seine Besorgnis über diesen "Synodalen Weg" zum Ausdruck gebracht und uns zu einer größeren Kohärenz zwischen unserem Glauben und unserem Verhalten aufgerufen.
"Wenn Deutschland spricht, hört die Welt zu"
In Deutschland haben viele Katholiken den Eindruck, dass der "Synodale Weg" eine kleine Gruppe von bezahlten Gremienkatholiken bedient, die sich innerhalb ihrer eigenen Blase selbst bestätigen müssen. Wie wird dieser Prozess von Katholiken in den USA wahrgenommen?
Der "Synodale Weg" wurde äußerst medienwirksam inszeniert, und so haben amerikanische Katholiken, die den Angelegenheiten der Kirche Aufmerksamkeit schenken, die Vorgänge dort aufmerksam verfolgt. Jeder weiß, welche Bedeutung die Kirche in Deutschland hat - wenn Deutschland spricht, hört die Welt zu.
Es ist schwer, die Wahrnehmungen amerikanischer Katholiken über den "Synodalen Weg" zu verallgemeinern, sie sind dafür zu unterschiedlich. Nicht wenige sind beunruhigt oder alarmiert von den Ideen, die ihnen vom "Synodalen Weg" berichtet werden.
In meinem Brief geht es nicht um die Dinge, die hinter den Kulissen des "Synodalen Wegs" in Deutschland ablaufen und über die die meisten Amerikaner wenig wissen, sondern um den Inhalt des veröffentlichten Grundlagentextes, der an einigen Stellen mit dem Glaubensgut, das die Bischöfe bewahren sollen, nicht vereinbar zu sein scheint. Wie der Heilige Vater an die deutschen Bischöfe schrieb, ist es notwendig, "das Primat der Evangelisierung wiederzuerlangen", anstatt unnötige - und auch schädliche - Änderungen in der Lehre oder in der Struktur der Kirche zu verfolgen (Brief, 29. Juni 2019).
Befürchten Sie, dass es in den USA bald einen ähnlichen Prozess geben könnte wie den "Synodalen Weg"?
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Es ist schwer vorstellbar, dass etwas Ähnliches wie der deutsche "Synodale Weg" in den USA gestartet wird, da es hier eine ganz andere Dynamik gibt. Auf jeden Fall sind wir auch hier in den USA aufgerufen, wachsam und vorsichtig zu sein.
Ich möchte auch meine Treue zum Heiligen Vater bekräftigen. Ich bin gespannt auf die nächsten Jahre, in denen wir [bei der angekündigten Synode] die Bedeutung der authentischen katholischen Synodalität reflektieren. Das Gebet, das Evangelium, das Kreuz, ein biblisches Verständnis von Autorität und einer Macht, die in Jesus ruht, und die Treue zum Evangelium müssen im Mittelpunkt der Diskussion stehen.
"Wir täten gut daran, diese Worte des Heiligen Vaters zu beherzigen!"
Sie schrieben auch in Ihrem Brief: "Obwohl die finanziellen Auswirkungen der Missbrauchsskandale auf die Kirche schwerwiegend waren, sollte dies nicht die primäre Motivation für Reformen sein. In dem Maße, in dem solche Konsequenzen gerecht sind, sind sie nicht zu beklagen, sondern sollten wie aus der Hand des gerechten Gottes angenommen werden." Haben Sie den Eindruck, dass Geld für die Kirche in Deutschland eine zu große Rolle spielt?
Dieser Satz war nicht explizit an [die Kirche in] Deutschland gerichtet, sondern an jede Ortskirche, die von einem Skandal betroffen ist. Es geht darum, auf Skandale mit echter Demut, Ehrlichkeit und Reue zu reagieren - zuerst das Reich Gottes zu suchen, den Willen des Vaters, und sich daran zu erinnern, dass wir nicht zwei Herren dienen können. Die Skandale kamen aus vielen Gründen zustande, aber im Kern ging es um einen Mangel an Gottes- und Nächstenliebe und um ein inkohärentes Glaubensleben.
Die Katholische Kirche befindet sich in Deutschland momentan in einer besonders schweren Krise. Wo sehen Sie Möglichkeiten, dieser Krise entgegenzutreten?
Wir haben gerade Pfingsten gefeiert, und Papst Franziskus hat uns daran erinnert, dass der Heilige Geist immer Erneuerung bringen kann. Vertrauen Sie auf Jesus, auf sein Wort, und erinnern Sie sich an Ihre erste Liebe. Lassen Sie uns für die Erneuerung der ganzen Kirche beten, auch der Kirche in Deutschland, und natürlich der Kirche hier in den USA. Es ist die Kirche Gottes, nicht unsere!
Papst Franziskus erinnerte uns in seinem Angelus vom 22. März 2015:
"Deshalb können wir denen, die auch heute 'Jesus sehen wollen', denen, die auf der Suche nach dem Antlitz Gottes sind; denen, die von klein auf Katechese erhalten haben und sie dann nicht weiter entwickelt haben und vielleicht ihren Glauben verloren haben; so vielen, die Jesus noch nicht persönlich begegnet sind...; all diesen Menschen können wir drei Dinge anbieten: das Evangelium, das Kreuz und das Zeugnis unseres Glaubens, arm, aber aufrichtig. Das Evangelium: da können wir Jesus begegnen, auf ihn hören, ihn kennenlernen. Das Kruzifix: das Zeichen der Liebe Jesu, der sich für uns hingegeben hat. Und dann ein Glaube, der sich in einfachen Gesten brüderlicher Nächstenliebe ausdrückt. Aber vor allem in der Kohärenz des Lebens, zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir tun. Kohärenz zwischen unserem Glauben und unserem Leben, zwischen unseren Worten und unseren Taten: Evangelium, Kruzifix, Zeugnis."
Wir täten gut daran, diese Worte des Heiligen Vaters zu beherzigen!
Das Interview erschien zunächst in der Print-Ausgabe der "Tagespost" am 4. Juni 2021, sowie hier online am 5. Juni.
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