Budapest - Dienstag, 7. September 2021, 15:00 Uhr.
Einen alternativen Text über "Vollmacht und Verantwortung" sowie eine eigene Homepage für Synodale Beiträge hat Bischof Rudolf Voderholzer für den umstrittenen "Synodalen Weg" vorgestellt – zusammen mit einer Reihe prominenter Theologen und Kleriker, darunter Alina Oehler (30), Bonns Stadtdechant Wolfgang Picken (54) und Augsburgs Weihbischof Florian Wörner (51) – sowie Marianne Schlosser (61).
Papst Franziskus hat die aus dem bayerischen Donauwörth stammende Wiener Professorin sowohl in die Internationale Theologenkommission berufen als auch in die Kommission zum erneuten Studium der Frage, ob und wie es einmal weibliche Diakonate gab. Im Jahr 2018 erhielt die renommierte Theologin den Joseph-Ratzinger-Preis.
Im Interview mit CNA Deutsch erklärt Schlosser, dass es um mehr als kosmetische Maßnahmen gehen muss, wenn echte Reformen in der Kirche erreicht werden wollen – in Deutschland wie der Weltkirche.
Frau Professor Schlosser, wie kam es zu der hochkarätigen Gruppe, die sich nun um Bischof Rudolf Voderholzer zusammengefunden hat?
Die vier Forumsmitglieder – 2 Männer, 2 Frauen – kannten einander vorher nicht. Wir sind nach Alter und Lebensstand unterschiedlich, bringen verschiedene Erfahrungen mit und haben unsere je eigenen Akzente. Im Lauf des letzten halben Jahres stellten wir fest, dass wir ein wachsendes Unbehagen teilen, bezogen auf die inhaltliche Ausrichtung der in Untergruppen erarbeiteten und im Forum zur Beschlussfassung vorgelegten Texte, wie auch im Hinblick auf das Prozedere. Kurz gesagt: Das vom II. Vaticanum erneuerte, nicht erfundene, Verständnis von der Kirche als einer sakramentalen Wirklichkeit sollte offenbar überholt werden; die Kirche erschien als eine rein menschliche Institution, die sich demokratischen Standards anzupassen habe. Ganz offenkundig wurde dies bei dem Vorschlag, Leitung und Weihe-Amt zu trennen – eine Konzeption, die das II. Vaticanum ausdrücklich hatte überwinden wollen. - Wir alle hatten mündlich und schriftlich Eingaben vorgebracht, doch während der Forumssitzungen schien es keine Zeit zu geben, um über grundlegende Bedenken ins Gespräch zu kommen.
Und wie kam es zu der Entscheidung, einen Alternativtext zu schreiben?
Wir wollten uns positiv einbringen. Wir wollten nicht einfach schweigend „nur dagegen" sein, und wollten auch nicht austreten, um sozusagen außerparlamentarische Opposition zu machen. So blieb uns nur, unsere Argumente schriftlich und zusammenhängend zu formulieren.
Übrigens ist ein Neu-Entwurf selbst in Spätphasen synodaler Prozesse nichts Außergewöhnliches – geschweige denn eine Zumutung. Auf dem Zweiten Vaticanum kam es durch die Vorlage mehrerer neuer Gesamtentwürfe (z.B. in der Entwicklung von „Gaudium et spes“) zu Kompromisstexten, die die Grundlage nachkonziliarer Synthesen bildeten.
Wir verstehen den Text „Vollmacht und Verantwortung“ als einen legitimen und hoffentlich hilfreichen Beitrag zum Diskurs, auch im Hinblick auf die Gläubigen, welche diese Fragen beschäftigen. Und für den weltkirchlichen Weg, der im Oktober beginnt.
Einigkeit dürfte über den schockierenden Befund herrschen, den der Text "Vollmacht und Verantwortung" leistet: "Die katholische Kirche verliert in Deutschland massiv an Bedeutung und Attraktivität", den Sie mit Zahlen und Fakten belegen. Welche Rolle kann die Partizipation, die der Text fordert und darlegt, überhaupt dabei spielen, und wie?
Es geht nicht um eine kosmetische Anpassung oder Taktik, um Mitglieder zu gewinnen oder zu halten! Es geht um eine wirkliche Erneuerung der Kirche in unserem Land. Wenn die Kirche die Gemeinschaft der Glaubenden ist, dann heißt Erneuerung immer auch Erneuerung im Glauben und im Leben aus dem Glauben. Dazu gehört, dass Gläubige nicht einfach passive Leistungsempfänger oder Versorgungsempfänger sein sollen. Hierarchie und Beteiligung schließen sich nicht aus, sondern fördern und fordern sich gegenseitig. Das wird in unserem Text ausführlich dargelegt.
Jeder und jede Getaufte und Gefirmte hat seine Aufgabe, eine Sendung, eine Mitverantwortung für das Ganze: dass das Evangelium in der Welt bezeugt und gelebt wird. Dazu sollen alle ermutigt werden. Diese Partizipation und Mit-Verantwortung bezieht sich auch, aber nicht nur - nicht einmal in erster Linie - auf die strukturelle Ebene. Es ist nicht die vornehmste Weise der Partizipation, in einem Gremium zu sitzen. Pp Franziskus hat in seinem Brief 2019 (n.6 f.) mehrfach gewarnt, dass Strukturen, ohne die Freude des Evangeliums im Herzen, verkommen, selbst wenn sie perfekt zu sein scheinen.
Ein Schlüssel, auf den Sie in Ihrer Arbeit immer wieder hinweisen, sind die Sakramente; und mit Blick auf Macht und Ämter auch die sakramentale Christusrepräsentation des Hirtendienstes. Ist das heute noch vermittelbar? Und wenn ja, wie?
Man könnte geradesogut fragen, ob die Menschwerdung des Sohnes Gottes, die leibliche Auferstehung oder irgendein Satz des Credo "heute vermittelbar" seien. Ich denke, dass hier das eigentliche Problem liegt: Wir leben auch als Christen, ob wir wollen oder nicht, in der Atmosphäre eines latenten Deismus; d.h.: Gott ist eine ferne Wirklichkeit, die mit unserem Leben oder Alltag nichts zu tun hat, jemand, der nichts Konkretes von uns will oder verbietet. Der Glaube an die Inkarnation besagt das Gegenteil. Die "Sakramente" als heilige Zeichen, die Heiligung wirken, weil der Herr der Kirche das garantiert, hängen mit dem Glauben an Jesus Christus zusammen, der lebendig ist. Anders gesagt: Was ein Sakrament ist, kann nur vor dem Hintergrund des Glaubens an die einzigartige und letztgültige Offenbarung Gottes in Jesus Christus verstanden werden. Das gilt auch für das Sakrament der Weihe, wo ein Mensch die Sendung erhält , für andere etwas zu tun, was kein Mensch aus sich tun kann – zum Beispiel die Sündenvergebung zuzusagen. Dass es so etwas wie ein sakramentales Amt gibt, heißt: Christus will nicht nur als Gabe, sondern als der Geber gegenwärtig bleiben; er nimmt Menschen ganz in seinen Dienst für andere. Wir haben das in unserem Text versucht darzulegen. Die katholische Kirche versteht sich als gebaut auf Wort, Sakrament und (apostolisches) Amt; wobei das „Amt“ nicht auf der gleichen Stufe steht, sondern der authentischen Weitergabe des Wortes wie der Spendung der Sakramente dient – man könnte sagen: die Verbindung zum Ursprung Christus (nicht nur zeitlich) garantiert.
Geweihtes Amt heißt nicht, Menschen zu "divinisieren"! Sie sind und bleiben Menschen, die der Gnade und der Vergebung bedürfen, und können keinesfalls Christus ersetzen. Auf der anderen Seite ist es ein arger Missstand, wenn der Eindruck erweckt wird - von Amtsträgern und Laien - , Ämter seien Stufen in der Karriereleiter , als sei die Kirche irgendeine Organisation, die Macht-Chancen zu vergeben oder zu verweigern hätte.
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Wer zum Hirtendienst bestellt wird, der ist aufgefordert, in seinem Leben und seinem Herzen dem Guten Hirten nachzueifern. Freilich, das ist ein hohes Ideal! Und man spricht häufig von denen, die dieses Ziel anscheinend aus den Augen verloren haben. Aber es gibt auch viele, die das Ideal zu leben bemüht sind. Und nicht zu vergessen: es gibt viele Menschen, die darin dankbar die Zuwendung Christi erleben.
Die Situation im Synodalforum über Macht ist offenbar kein Einzelfall: Neben dem Text "Vollmacht und Verantwortung" sollen weitere Texte erscheinen, die sich den Themen der anderen Synodalforen widmen, so Bischof Voderholzers Mitteilung. SIe sind bereits 2019 auf Distanz zum Forum über Frauen in kirchlichem Dienst und Ämtern gegangen. Dennoch halten Sie und Ihre Mitstreiter am Prozess fest, versuchen, einen Weg zum Dialog zu finden. Warum?
Zum einen: Wir wurden in dieses Gremium berufen bzw. gewählt, und fühlen uns in gewissem Maß verpflichtet, unsere Stimme auch einzubringen. Wir sind zwar aufgrund der Zusammensetzung der Foren eine Minderheit, aber wir wissen, dass wir mit unserer Überzeugung nicht allein stehen, sondern einen nicht unerheblichen Teil von Gläubigen vertreten – deren Stimme sonst nicht gehört würde.
Zum zweiten: Es gibt "Reform-Bedarf". Der sexuelle oder der weiter gefasste Macht-Missbrauch in der Kirche sind nicht die einzigen Probleme. Die Glaubenserosion, die Papst Franziskus angesprochen hat, hat viel weiter zurückreichende Wurzeln. Und es ist höchste Zeit, hier aufzuwachen: Wie können wir wieder sprachfähig werden, um die Frohe Botschaft hörbar zu machen? Wir sind überzeugt, dass die Anpassung des Evangeliums an das moderne Lebensgefühl, an „demokratische Standards“ oder gesellschaftliche Trends nicht der richtige Weg ist. Das Evangelium ist "Salz", etwas Frisches und Neues, heilend und lebensnotwendig, weil es von derjenigen Liebe redet, die sich die Welt nicht zusprechen kann. Wir dürfen uns nicht so in unsere Probleme und Schwächen eingraben – die wir aufrichtig zugeben und bekämpfen müssen! -, dass wir den Menschen das Wort des Lebens schuldig bleiben. Was wird aus der Welt, wenn die Kirche diesen Dienst nicht mehr leistet?
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