Vatikanstadt - Samstag, 11. September 2021, 7:00 Uhr.
Nach Irritationen und scharfer Kritik von Rabbinern in Israel und Deutschland hat Papst Franziskus über Kardinal Kurt Koch eine Erklärung seiner Aussagen über die Tora veröffentlichen lassen. Darin versichert der für die religiösen Beziehungen zum Judentum verantwortliche Kurienkardinal, dass Franziskus nicht das Judentum abwerten wollte.
Das berichtet die "Catholic News Agency", die englischsprachige Schwesteragentur von CNA Deutsch.
Der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen, der die vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden betreut, veröffentlichte am 10. September zwei Briefe von Kardinal Kurt Koch, der sowohl Präsident des Rates als auch der Kommission ist.
Die Briefe, die auf den 3. September datiert sind, richten sich an Rabbiner Rasson Arussi, Vorsitzender der Kommission des Oberrabbinats von Israel für den Dialog mit dem Heiligen Stuhl in Jerusalem, und an Rabbiner David Sandmel, Vorsitzender des Internationalen Jüdischen Komitees für interreligiöse Konsultationen in New York.
Der Päpstliche Rat teilte mit, Arussi habe Rom am 12. August einen Brief geschrieben, in dem es um die Generalaudienz von Papst Franziskus am 11. August ging, die dem mosaischen Gesetz gewidmet war, auch bekannt als das Gesetz des Moses.
Es fügte hinzu, dass Sandmel am 24. August einen ähnlichen Brief an den Vatikan geschrieben habe.
Die jüdische Kritik auslösende Ansprache des Papstes war der vierte Teil seiner Katechese über den Galaterbrief, in dem der heilige Paulus einen Streit in der frühen christlichen Gemeinde darüber anspricht, wie genau Christen das jüdische Gesetz befolgen sollten.
Der Papst sagte: "Die Tora, also das Gesetz, gehört nicht zur Verheißung, die an Abraham ergeht."
Franziskus fuhr fort: "Dies vorausgeschickt, darf man nicht meinen, dass der heilige Paulus gegen das mosaische Gesetz war. Nein, er beachtete es. Mehrmals verteidigt er in seinen Briefen dessen göttlichen Ursprung und sagt, dass es in der Heilsgeschichte eine ganz bestimmte Rolle spielt. "
Dann sagte der Papst weiter: "Das Gesetz schenkt jedoch nicht das Leben, es bietet nicht die Erfüllung der Verheißung, denn es ist nicht in der Lage, sie umzusetzen."
Das Wort Tora bezieht sich auf die ersten fünf Bücher der hebräischen Bibel, kann aber im weiteren Sinne für das jüdische Gesetz in seiner Gesamtheit verwendet werden.
Reuters meldete am 25. August, dass Arussi seine Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht habe, dass die Bemerkungen des Papstes implizierten, dass das jüdische Recht hinfällig sei.
In seinen gleichlautenden Briefen erklärte Koch, er habe sich mit Papst Franziskus beraten – und antworte dem Rabbiner auf Anweisung von Franziskus.
"In der Ansprache des Heiligen Vaters wird die Tora nicht abgewertet, da er ausdrücklich bekräftigt, dass Paulus nicht gegen das mosaische Gesetz war: Tatsächlich hat Paulus dieses Gesetz beachtet, seinen göttlichen Ursprung betont und ihm eine Rolle in der Heilsgeschichte zugeschrieben", betont der Brief.
"Der Satz 'Das Gesetz gibt kein Leben, es bietet nicht die Erfüllung der Verheißung' darf nicht aus seinem Kontext herausgelöst werden, sondern muss im Gesamtrahmen der paulinischen Theologie betrachtet werden."
"Die bleibende christliche Überzeugung ist, dass Jesus Christus der neue Weg des Heils ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Tora geschmälert oder nicht mehr als 'Heilsweg für Juden' anerkannt wird."
Koch zitierte eine Rede, die Franziskus im Jahr 2015 hielt – vor dem Internationalen Rat der Christen und Juden.
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Bei dieser Gelegenheit sagte der Papst: "Die christlichen Konfessionen finden ihre Einheit in Christus; das Judentum findet seine Einheit in der Tora. Die Christen glauben, dass Jesus Christus das fleischgewordene Wort Gottes in der Welt ist; für die Juden ist das Wort Gottes vor allem in der Tora gegenwärtig. Beide Glaubenstraditionen finden ihr Fundament in dem einen Gott, dem Gott des Bundes, der sich durch sein Wort offenbart."
Koch betonte, dass der Papst in seiner Generalaudienzansprache "die paulinische Theologie im historischen Kontext einer bestimmten Epoche" betrachte und sich nicht zum heutigen Judentum äußere.
"Die Tatsache, dass die Tora für das moderne Judentum entscheidend ist, wird in keiner Weise in Frage gestellt", schrieb er.
Er fuhr fort: "In Anbetracht der positiven Bekräftigungen, die Papst Franziskus immer wieder zum Judentum macht, kann man ihm in keiner Weise unterstellen, dass er zu einer sogenannten 'Lehre der Verachtung' zurückkehrt."
"Papst Franziskus respektiert die Grundlagen des Judentums voll und ganz und ist stets bestrebt, die Bande der Freundschaft zwischen den beiden Glaubenstraditionen zu vertiefen."
Koch betonte, dass der Papst mit der Beschreibung der Beziehung zwischen Judentum und Christentum im Dokument "Zwischen Jerusalem und Rom" von 2017 übereinstimme, das den 50. Jahrestag der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra Aetate, markiert.
In dem Text, der von der Konferenz der europäischen Rabbiner, dem Rabbinical Council of America und der Kommission des Oberrabbinats von Israel herausgegeben wurde, heißt es: "Die Unterschiede in der Lehre sind wesentlich und können nicht debattiert oder verhandelt werden; ihre Bedeutung und Wichtigkeit gehören zu den internationalen Beratungen der jeweiligen Glaubensgemeinschaften ... Lehrmäßige Unterschiede können und dürfen jedoch unserer friedlichen Zusammenarbeit zur Verbesserung unserer gemeinsamen Welt und des Lebens der Kinder Noahs nicht im Wege stehen."
Das Dokument wurde Papst Franziskus am 31. Aug. 2017 im Vatikan überreicht.
In einer Ansprache sagte der Pontifex: "Die Erklärung 'Zwischen Jerusalem und Rom' versteckt nicht ... die theologischen Unterschiede, die zwischen unseren Glaubenstraditionen bestehen. Gleichwohl drückt sie den festen Willen aus, jetzt und in Zukunft enger zusammenzuarbeiten."
Zum Abschluss seines Schreibens schrieb Koch: "Ich hoffe, dass diese Antwort den theologischen Hintergrund der Worte des Heiligen Vaters verdeutlicht."
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