Neuer Menschenrechtsbericht: Christen in Europa zunehmend unter Druck

Die von einem Brand zerstörte Kirche St. Paul in Corbeil-Essones am 4. Juli 2020.
OIDACE

Deutschland ist eines von fünf europäischen Ländern, in denen die Freiheiten von Christen in den Jahren 2019-2020 am stärksten eingeschränkt wurden: Das zeigt der neue Bericht des "Observatory On Intolerance And Discrimination Against Christians In Europe" (OIDAC). 

Die in Wien ansässige Beobachtungsstelle stellte am heutigen Dienstag die Befunde der Studie vor, was für praktizierende Christen in westlichen Ländern zunehmende Realität ist: Vandalismus gegen Kirchen, Bedrohung und Intoleranz in grundsätzlichen Fragen.

"Im heutigen Europa ist es nicht nur unmodern, den christlichen Glauben überzeugt zu leben, sondern es kann auch zu schwerwiegenden Eingriffen in die persönliche Freiheit in wichtigen Lebensbereichen wie etwa am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung führen", erklärte OIDAC-Direktorin Madeleine Enzlberger bei der digitalen Veranstaltung. 

Die Beobachtungsstelle veröffentlichte die vollständige Studie im Internet

Neben Deutschland sind vier weitere europäische Länder in dem Bericht identifiziert worden: Frankreich, Spanien, Schweden und Großbritannien. 

"Diese Länder wurden ausgewählt, weil nach unseren Erhebungen Christen in diesen Ländern mit den meisten Einschränkungen konfrontiert sind. Die Ergebnisse des Berichts beruhen auf einer Vielzahl von Daten, die wir gesammelt haben", erklärte Referent Martin Kugler.

Der Großteil unserer Daten basiert auf von uns dokumentierten, deskriptiven Fällen, sowie auf einem umfangreichen Umfragebogen und vertiefenden Interviews mit Experten und betroffenen Christen.

Antichristliche Hassverbrechen haben europaweit, auch laut OSZE-Berichten, zwischen 2019 und 2020 um 70 Prozent zugenommen. In Frankreich und Deutschland kommen sie besonders häufig vor, in Spanien und Frankreich haben diese Verbrechen aufgrund einer extremen Form des Säkularismus tendenziell schwerwiegendere Auswirkungen, warnen die Experten. 

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Die Autoren stellen das Wirken zweier zentraler Bedrohungsmechanismen fest, die das Leben von Christen beeinträchtigen: Säkulare Intoleranz und islamische Unterdrückung. Während die säkulare Intoleranz in den meisten der beobachteten Fälle und Lebensbereiche die treibende Dynamik sei, trete die islamische Unterdrückung vor allem in bestimmten Brennpunktgebieten auf, in denen christliche Konvertiten neben anderen ansässigen Christen die am stärksten betroffene Gruppe sind. 

Vier Lebensbereiche von Christen werdene am stärksten beeinflusst: Das kirchliche Leben, das Bildungswesen, die Politik und der Arbeitsplatz. 

Besserer Schutz in Deutschland gefordert

Deutschland sieht sich mit der Problematik der Marginalisierung gläubiger Christen in verschiedenen Bereichen konfrontiert, einschließlich eines hohen Maßes an Vandalismus, von dem immer mehr Christen betroffen sind, da die Kirchen geschlossen bleiben, um Zwischenfälle zu vermeiden, so der Bericht.

Säkulare Intoleranz und Diskriminierung von Christen beruhen weitgehend auf der Ablehnung traditioneller Moralvorstellungen praktizierender Christen. Diese Polarisierung wird offensichtlich auch durch reißerische Medien gefördert, in denen christliche Beiträge zur öffentlichen Debatten oft stigmatisiert und marginalisiert werden.

Staatliche Maßnahmen sind bislang nur punktuell einschränkend, stellt die Untersuchung fest, aber in einigen Regionen Deutschlands ist die soziale Feindseligkeit sehr groß, "und das religiöse Unwissen der Behörden trägt dazu bei, dass dieses Problem fortbesteht", stellt die Studie fest. Ähnliche Befunde bestätigt eine aktuelle Pew Research-Studie.

Deutschland müsse zudem besser reagieren, um Christen vor Angriffen durch radikalisierte Gruppen zu schützen. Staatliche Diskriminierung erfolge vor allem durch Eingriffe in die Meinungsfreiheit unter dem Vorwand der Bekämpfung von "Hassrede" und durch Einschränkung der Elternrechte, etwa in Bezug auf die religiöse Bildung oder Sexualerziehung ihrer Kinder. 

Gleichzeitig hat die Befangenheit und das religiöse Unwissen in vielen Behörden zu einer ungerechten Behandlung von christlichen Konvertiten geführt, die von Verfolgung und schwerer Gewalt betroffen sind, warnen die Experten. In den vom Islamismus geprägten Brennpunktgebieten gibt es daher Probleme mit sozialer Segregation, islamischem Extremismus und folglich mit der Belästigung von Christen oder anderen religiösen Minderheiten. Angriffe auf Juden sind keine Einzelfälle. Da die sozialen Anfeindungen oft schwerwiegender sind als die staatlichen Restriktionen, brauche es ein geschärftes Bewusstsein, damit die Regierung auf gesellschaftlicher Ebene angemessen reagieren kann, so die Autoren weiter. 

"Anlass zur Sorge" geben die sich im Bericht widerspiegelnden Tendenzen auch aus Sicht der Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, berichtete die Agentur "kathpress".

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Polak ist seit 2020 auch OSZE-Sonderbeauftragte für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung mit Schwerpunkt auf Intoleranz und Diskriminierung von Christen und Angehörigen anderer Religionen. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte auch das OSZE-Menschenrechtsbüro einen eigenen Bericht über Hassverbrechen gegen Menschen aufgrund ihrer Religion, in dem für denselben Untersuchungszeitraum fast 1.000 derartige Vorfälle gegen Christen verzeichnet sind. 

Lösungsvorschläge

Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Experten: Die staatlichen Behörden müssen durch die Erhöhung ihrer religiösen Kompetenz eine bessere Gesetzgebung und Verwaltung gewährleisten können. So würden Brücken zwischen gesellschaftlichen Gruppen geschaffen und Gesetze vermieden werden, die religiöse Gruppen zumindest indirekt diskriminieren.

Christen werden ermutigt, einen respektvollen und offenen Dialog zu fördern und zu suchen, indem sie bewusst Vorurteile gegenüber Menschen mit anderen moralischen Werten vermeiden und mehr Interesse zeigen, sich an öffentlichen Debatten zu beteiligen.

Medien wie zivilgesellschaftliche Organisationen könnten zudem zur Verbesserung der Situation beitragen, indem sie das Phänomen nicht ignorieren oder bewußt ausblenden, sondern eine breitere konstruktive und offene Debatte zugunsten von Christen, anderen religiösen Gruppen und Minderheiten asntoßen.

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