Ökumene: Wie der Wechsel im Moskauer Patriarchat den Dialog mit Rom ändert

Am 6. Juni wurde Metropolit Hilarion unerwartet von seinem Amt als Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats entfernt. Was bedeutet das für die Zukunft der ökumenischen Beziehungen?

Gute Beziehungen: Metropolit Hilarion und Kardinal Kurt Koch bei einem früheren Treffen
Gute Beziehungen: Metropolit Hilarion und Kardinal Kurt Koch bei einem früheren Treffen
mospat.ru
Antonij Sewrjuk, der Nachfolger Hilarions
Antonij Sewrjuk, der Nachfolger Hilarions
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Kyrill I., aktueller Patriarch von Moskau
Kyrill I., aktueller Patriarch von Moskau
Vatican Media

Er hatte am zweiten Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. mitgearbeitet und war wahrscheinlich der sichtbarste Mann im Moskauer Patriarchat.

Seit 2009 war er Leiter des Außenamts des Patriarchats. Er galt zudem als möglicher Nachfolger Kyrills.

Doch nun erfolgte eine Wende,wie CNA Deutsch berichtete.

Mit einem Synodalbeschluss vom vergangenen 6. Juni wurde Hilarion Alfejew zum Metropoliten von Budapest und Ungarn ernannt.

Zu den Hintergründen dieser Entscheidung äußerte sich der Vatikanist unserer italienischsprachigen Schwesteragentur ACI Stampa, Andrea Gagliarducci:

Eine plötzliche Entscheidung, die auffällt - auch weil Hilarion in Rom bekannt war, als Protagonist des Dialogs, und auch weil dort seine musikalischen Werke oft aufgeführt wurden, manchmal sogar noch bevor sie in Moskau gespielt wurden.

Hilarion gelang es, eine gute Beziehung zum Heiligen Stuhl aufrechtzuerhalten, indem er mit den Fäden der Diplomatie spielte, damit der Heilige Stuhl in der umstrittensten orthodoxen Frage - der Eigenständigkeit der ukrainisch-orthodoxen Kirche - keine Position einnahm, und in einigen Fällen sogar zur Moskauer Seite neigte.

Er wird nun als Metropolit nach Budapest entsandt, wo er ironischerweise seine letzte Mission als Leiter des Außenamtes erfüllt hatte und wo sogar an ein zweites Treffen zwischen Papst Franziskus und Kyrill angedacht war.

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Einige Stimmen weisen darauf hin, dass es nicht gern gesehen war, dass die Mission Hilarions (der dem Krieg in der Ukraine kritisch gegenübersteht), mehr Aufmerksamkeit auf sich lenkte, als es lieb war. Sie war, aufgrund des Dialogs Mit Kardinal Peter Erdö, dem Erzbischof von Estztergom - Budapest, eine Kundgebung, dass der Weg des Dialogs noch weiter beschritten werden soll, auch mit der westlichen Welt. Gerade diese "Sichtbarkeit", die seiner Mission dank des Dialogs mit Kardinal Erdö, zuteil geworden war, hätte die Vorraussetzungen für die Entfernung Hilarions aus Moskau geschaffen.

Am 10. Juni feierte Hilarion seine Abschiedsmesse in der Kirche der Gottesmutter der sieben Schmerzen in Moskau, deren Rektor er bis zuletzt war.

Dabei erklärte er, dass "viele Menschen ihn nach dem Grund seiner Entfernung fragen", dass er aber nicht ins Detail gehen und auch viele Details nicht wissen würde.

"Mir wurde gesagt – fügte er hinzu – dass die Entscheidung nichts zu tun habe mit einem Fehler in meinen Tätigkeiten in der Abteilung für die Außenbeziehungen der Kirche, in der allgemeinen höheren Schule der Kirche oder in der Kirche selbst, deren Rektor ich war, oder in anderen Institutionen der Kirche, die ich geführt habe. Es wurde erklärt, dass die Entscheidung aufgrund der aktuellen Situation erforderlich war."

Man muss hinzufügen, dass es das zweite Mal innerhalb weniger Jahre ist, dass das Moskauer Patriarchat eine ähnliche Entscheidung getroffen hat. In Weißrussland wurde zum Zeitpunkt der ersten Unruhen Metropolit Pawel, der sich auf die Seite des Volkes gestellt hatte, sofort versetzt und durch Metropolit Wenjamin ersetzt, der als pro-russischer galt.

Es gibt daher einen starken politischen Einfluss auf die Entscheidungen des Patriarchats. Und letztendlich hat Kyrill den ökumenischen Partnern persönlich die Gründe für den Krieg erklärt und zum Beispiel in einem Brief an den Ökumenischen Rat der Kirchen gebeten, die Beziehungen zum Patriarchat von Moskau fortzusetzen.

Die Frage ist, welche Art von Beziehungen es mit dem neuen Leiter des Außenamtes geben wird.

Hilarion war der Schatten von Patriarch Kyrill gewesen und hatte sich eine respektable internationale Rolle erarbeitet. Er war es, der beim Internationalen Eucharistischen Kongress in Budapest das Moskauer Patriarchat vertreten hatte. Er war das Gesicht des Patriarchats in wichtigen internationalen Fragen. Wie sichtbar wird der sein Nachfolger Sewrjuk sein?

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Antonij Sewrjuk, geboren 1984, war einn engerer MItarbeiter von Patriarch Kyrill.

Er trat 2002 in das Theologische Seminar von St. Petersburg ein, machte 2007 seinen Abschluss, erhielt 2009 seine erste Tonsur, wurde 2010 von Patriarch Kyrill zum Priester geweiht und arbeitete seit 2011 in Rom, wo er Rektor der Kirche der heiligen Katharina und Priester der Pfarrei des heiligen Nikolaus war.
2015 erhielt er seine zweite Tonsur und wurde in diesem Jahr zum Bischof und Rektor der Kirche des heiligen Johannes des Täufers in Moskau geweiht.

Ab 2017 war er Vikarbischof von Swenigorod und vorübergehend auch Bischof von Berlin, bevor er zu Beginn des Jahres 2018 die Leitung der Diözese Wien und Budapest übernahm.

2019 folgte als nächts Etappe jene als Erzbischof von Korsun und Westeuropa und Primas des Patriarchalen Exarchats in Westeuropa. Dabei wurde er in den Rang eines Metropoliten erhoben.

Kurz nach seiner Ernennung an Hilarions Stelle reiste er zu einem geplanten Besuch nach Italien ab, was bezeugt, wie unerwartet seine Ernennung kam.

Es sei auch darauf hingewiesen, dass Hilarion, nachdem er von der Entscheidung des Heiligen Synods erfahren hatte, die Versammlung verlassen hat und tatsächlich nicht auf den offiziellen Fotos zu sehen ist.

Kurz gesagt: diese Änderung hat etwas Dramatisches.

Die Tatsache, dass Metropolit Antonij mit Italien vertraut ist, könnte sicher hilfreich sein, um den bereits begonnenen Dialog mit dem Heiligen Stuhl fortzusetzen.

Antonij ist aber auch berufen, die Rolle eines Vermittlers zwischen den "verschiedenen Seelen" einzunehmen, die aktuell im Moskauer Patriarchat präsent sind, das nun ein "Schisma im Schisma" erlebt.

Es genügt daran zu denken, dass kürzlich die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats ihre Unabhängigkeit vom Moskau erklärt hat. Eigentlich ein rein formaler Akt der Rebellion, wenn man bedenkt, dass sie bereits seit dreißig Jahren eine Kirche mit eigener Verwaltung innerhalb des Moskauer Patriarchats war. Der damalige Patriarch von Moskau, Alexius II., hatte 2007 eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, um dem ukrainischen Nationalismus entgegenzuwirken und zu versuchen, die Bildung einer autokephalen ukrainischen Kirche zu verzögern, zu der es später kam.

Diese Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats betonte, mit der Haltung Kyrills nicht enverstanden zu sein und verurteilte den Angriff Russlands auf die Ukraine. Am 27 Mai 2022 sagte sie sich von der Russisch-Orthodoxen Kirche los.

Antonij wird auch darauf achten müssen, nicht besonders sichtbar zu sein. Die Sichtbarkeit von Hilarion war es ja, die schließlich zu seinem Verhängnis und Urteil wurde. 

Man bedenke, dass Hilarion als Leiter eines Außenamts eingesetzt worden war, das in viele Dikasterien umstrukturiert worden war - was Kyrill ermöglichte, stets der echte Besitzer des gesamten Apparates zu sein.

Antonij wird als "Patensohn von Kyrills" bezeichnet. Er war 2009 sein persönlicher Sekretär; er ist weder exponiert noch bekannt. Und vor allem hat er sich noch nicht zur Interpretation der Rolle der Kirche im neuen Staat geäußert - ein Thema, bei dem beispielsweise die Metropoliten Hilarion und Tikhon gegensätzliche Meinung waren. Hilarion hat eine eher institutionelle Perspektive, Tikhon eine mehr ideologische. Letztere hatte eine russisch-orthodoxe Kirche vorhergesehen, die berufen ist, die Brüdervölker und die ganze Welt zu retten und die nun im Russland Putins verkörpert sei; so sehr, dass Kyrill, der die Annexion der Krim kritisiert hatte, diese nun zu befürworten scheint.

Antonij muss somit auch dieses Profil an den Tisch des ökumenischen Dialogs bringen, wohl wissend, dass die Brüche in der orthodoxen Welt mittlerweile schwer zu heilen sind, dass er aber auf die Offenheit des Heiligen Stuhls zählen kann, der immer für den Dialog bereit ist.

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