"Nicht katholisch": Vatikan veröffentlicht Stellungnahme zur Kolonialgeschichte

Papst Franziskus auf seiner Apostolischen Reise in Kanada, 2022.
Vatican Media

Der Vatikan hat am heutigen Donnerstag eine Stellungnahme zur sogenannten Entdeckungsdoktrin veröffentlicht und erklärt, diese habe nie zur Lehre der Kirche gehört. 

Mit "Doktrin der Entdeckung" — englisch Doctrine of Discovery — beschreiben Autoritäten heute das religiös inspirierte Kolonialbewusstsein Europas und ein daraus abgeleitetes Rechtsverständnis. 

Die "Entdeckungslehre" rechtfertigt aus dieser Sicht sowohl die Eroberung nicht-europäischer Gesellschaften und deren Ausbeutung oder Entrechtung als auch Aspekte der christlichen Missionierung. 

"Einige Gelehrte haben argumentiert, dass die Grundlage der genannten 'Doktrin' in mehreren päpstlichen Dokumenten zu finden ist, wie den Bullen Dum Diversas (1452), Romanus Pontifex (1455) und Inter Caetera (1493)", teilte der Vatikan am 30. März mit.

Dokumente historischer Päpste, "die in einer bestimmten geschichtlichen Zeit verfasst wurden und politischen Fragen verhandeln" seien jedoch "nie als Ausdruck des katholischen Glaubens betrachtet" worden.

Gleichzeitig fügte der Vatikan jedoch hinzu dass "die Kirche anerkennt, dass diese päpstlichen Bullen die ebenbürtige Würde und die Rechte indigener Völker nicht angemessen reflektierten".

"Das Lehramt der Kirche bekräftigt unmissverständlich die Achtung, die jedem menschlichen Wesen gebührt", heißt es in der Erklärung dazu weiter.

"Die katholische Kirche lehnt daher jene Konzepte ab, die die angeborenen Menschenrechte der indigenen Völker nicht anerkennen, einschließlich dessen, was als rechtliche und politische 'Entdeckungsdoktrin' bekannt geworden ist."

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Das Statement aus Rom liegt bislang nicht in deutscher Sprache vor. Es wurde vom Dikasterium zur Förderung der ganzheitlichen Entwicklung der Menschheit und dem Dikasterium für Kultur und Bildung veröffentlicht.

Darin heißt es weiter: "Das Rechtskonzept der 'Entdeckung' wurde von den Kolonialmächten seit dem sechzehnten Jahrhundert diskutiert und fand seinen besonderen Ausdruck in der Rechtsprechung der Gerichte mehrerer Länder im neunzehnten Jahrhundert, wonach die Entdeckung von Land durch Siedler ein ausschließliches Recht gewährte, den Titel oder den Besitz der indigenen Völker an diesem Land entweder durch Kauf oder Eroberung auszulöschen".

Der Präfekt des Dikasteriums für Kultur und Bildung, Kardinal José Tolentino de Mendonça, stellte in einer separaten Note fest, dass die vatikanische Erklärung Teil einer "Architektur der Versöhnung" sei.

Er beschrieb die Kunst der Versöhnung als "den Prozess, in dem Menschen sich verpflichten, einander zuzuhören, miteinander zu sprechen und im gegenseitigen Verständnis zu wachsen".

Die Einsichten, die der Erklärung zugrunde liegen, seien die Frucht eines erneuerten Dialogs zwischen der Kirche und den indigenen Völkern, fügte er hinzu.

Während eines Besuchs in Kanada im Juli 2022 bat Papst Franziskus um Vergebung für das Leid, das die Katholische Kirche den indigenen Völkern Kanadas zufügte.

"Ich bringe meine tiefe Scham und Trauer zum Ausdruck und erneuere gemeinsam mit den Bischöfen dieses Landes meine Bitte um Vergebung für das Unrecht, das so viele Christen den indigenen Völkern angetan haben", sagte der Papst in einer Ansprache am 27. Juli 2022.

Die Begegnung mit hochrangigen Regierungsvertretern und Vertretern der indigenen Völker in Kanada war Teil einer einwöchigen Reise, bei der sich Franziskus auch öffentlich für das Leid entschuldigte, das den indigenen Kanadiern angetan wurde, und wiederholt seine Scham und sein Bedauern zum Ausdruck brachte.