Vatikanstadt - Sonntag, 23. Juli 2023, 10:45 Uhr.
Papst Franziskus hat am Sonntagmorgen mit einem Gottesdienst im Petersdom den Welttag der Großeltern und älteren Menschen begangen – ein Gebetstag, den er selbst im Jahr 2021 eingeführt hatte.
In seiner Predigt am Sonntag erklärte der Pontifex, die Sprache der neutestamentlichen Gleichnisse „ähnelt der Sprache, die Großeltern oft im Umgang mit ihren Enkelkindern verwenden, etwa wenn sie diese gerade auf dem Schoß haben. So vermitteln sie eine wichtige Lebensweisheit.“
Sodann ging er auf die drei Gleichnisse des Sonntags ein, nämlich jenes vom Unkraut und dem Weizen, jenes vom Senfkorn und jenes vom Sauerteig. In allen dreien zeige sich die Thematik des gemeinsamen Wachsens, so Franziskus.
Unkraut und Weizen
Man solle der Versuchung widerstehen, das Unkraut auszureißen, weil man dann auch den Weizen mit ausreißen würde, erläuterte Papst Franziskus mit Blick auf das erste Gleichnis. Es sei „eine immer wiederkehrende Versuchung: eine ‚reine Gesellschaft‘, eine ‚reine Kirche‘, aber um diese Reinheit zu erreichen, riskiert man, ungeduldig, unnachgiebig und sogar gewalttätig gegenüber denjenigen zu sein, die einem Irrtum verfallen sind.“
Stattdessen müsse man sich die Forderung Jesu Christi zu eigen machen: „Lasst den guten Weizen und das Unkraut gemeinsam wachsen bis zur Zeit der Ernte.“ Der Pontifex sagte: „Wie schön ist dieser Blick Gottes, diese seine barmherzige Pädagogik, die uns einlädt, Geduld mit den anderen zu haben, Schwächen, Verzögerungen und Begrenzungen anzunehmen – in der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft: nicht, um uns resigniert an diese zu gewöhnen oder sie zu rechtfertigen, sondern um zu lernen, respektvoll einzugreifen und die Pflege des guten Weizens mit Sanftmut und Geduld fortzuführen.“
Die Großeltern und älteren Menschen könnten im Rückblick auf ihr Leben „viele schöne Dinge sehen, die sie erreicht haben, aber auch Niederlagen, Fehler“. Am heutigen Tage aber wende sich „der Herr mit einem liebevollen Wort an uns und lädt uns ein, das Geheimnis des Lebens mit Gelassenheit und Geduld anzunehmen, ihm das Urteil zu überlassen und nicht mit Bedauern und Gewissensbissen zu leben“.
Insofern sei „das Alter eine gesegnete Zeit: Es ist die Zeit der Versöhnung, des liebevollen Blicks auf das Licht, das trotz der Schatten vorangeschritten ist, in der zuversichtlichen Hoffnung, dass der gute Weizen, den Gott gesät hat, über das Unkraut siegen wird, mit dem der Teufel unsere Herzen überwuchern wollte.“
Senfkorn
Im Gleichnis vom Senfkorn zeige sich: „Wir kommen klein auf die Welt, wir werden erwachsen, dann alt; am Anfang sind wir ein kleines Samenkorn, dann nähren wir uns von Hoffnungen, wir verwirklichen Projekte und Träume, von denen der schönste darin besteht, wie jener Baum zu werden, der nicht für sich selbst lebt, sondern um denen Schatten zu spenden, die sich danach sehnen, und um denen Platz zu bieten, die ihre Nester in ihm bauen wollen. So dass am Ende der alte Baum und die kleinen Vögel in diesem Gleichnis gemeinsam wachsen.“
„Ich denke an die Großeltern: wie schön sind diese üppigen Bäume, unter denen Kinder und Enkelkinder ihre ‚Nester‘ bauen, die Atmosphäre von Heimat erfahren und die Zärtlichkeit einer Umarmung erleben“, sagte der Papst. „Es geht um das gemeinsame Wachsen: der grüne Baum und die Kleinen, die das Nest brauchen, die Großeltern mit ihren Kindern und Enkelkindern, die Älteren mit den Jungen.“
Dann forderte er: „Wir brauchen ein neues Bündnis zwischen den Jungen und den Älteren, damit der Lebenssaft derer, die eine lange Lebenserfahrung haben, die Triebe der Hoffnung derer nährt, die noch im Wachstum begriffen sind. In diesem fruchtbaren Austausch lernen wir die Schönheit des Lebens kennen, schaffen wir eine geschwisterliche Gesellschaft, und ermöglichen wir in der Kirche die Begegnung und den Dialog zwischen der Tradition und dem beständig Neuen des Heiligen Geistes.“
Sauerteig
Im dritten Gleichnis schließlich zeige sich erneut die Thematik des gemeinsamen Wachstums, wenn nämlich durch die Vermischung von Sauerteig und Mehl der ganze Teig wachse.
Das Sonntagsevangelium sei „ein Aufruf zur Wachsamkeit, damit wir in unserem Leben und in unseren Familien die älteren Menschen nicht ausgrenzen. Achten wir darauf, dass unsere dicht bevölkerten Städte nicht zu ‚Ballungszentren der Einsamkeit‘ werden; dass die Politik, deren Aufgabe es ist, für die Bedürfnisse der Schwächsten Sorge zu tragen, die alten Menschen nicht vergisst und nicht zulässt, dass der Markt sie als ‚unproduktiven Abfall‘ abstempelt. Es darf nicht passieren, dass wir im eiligen Verfolgen der Effizienz- und Leistungsmythen nicht mehr in der Lage sind, das Tempo zu drosseln, um diejenigen zu begleiten, die Mühe haben, mitzuhalten. Bitte, vermischen wir uns, wachsen wir gemeinsam.“