Neue Dokumente liefern neue Details über Ratzingers zunächst abgelehnte Habilitation

Papst Benedikt XVI.
WDKrause / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die Habilitation von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., war 1956 zunächst abgelehnt worden, weil der Münchner Dogmatiker Michael Schmaus zahlreiche Änderungswünsche anbrachte. Ein im Nachlass von Schmaus gefundenes Dokument bringt neues Licht ins Dunkel um die Situation des Jahres 1956, von der bislang nur Ratzinger selbst in seiner autobiografischen Schrift „Aus meinem Leben“ von 1997 ausführlich berichtet hatte.

Die Zeitschrift „Publik-Forum“ (aktuelle Ausgabe) berichtete unter Berufung auf den Theologen Richard Heinzmann, der im Nachlass von Schmaus forschte: „Es sei Schmaus nicht darum gegangen, Ratzingers wissenschaftliche Laufbahn zu gefährden, schreibt Heinzmann in seiner Analyse des Gutachtens, ‚das genaue Gegenteil war der Fall‘. Schmaus habe sich für einen schnellen Abschluss des Verfahrens eingesetzt, ‚trotz berechtigter Kritik wegen gravierender wissenschaftlicher Mängel‘ der Arbeit – um ‚dem Kandidaten, dessen außerordentliche wissenschaftliche Begabung für ihn außer Frage stand, nicht zu schaden‘.“

Neben einigen positiven Anmerkungen habe Schmaus „schwere Bedenken“ gegen die Habilitationsschrift geltend gemacht, darunter „wissenschafts-ethische“, „wissenschafts-methodische“ sowie „wissenschafts-gegenständliche“.

Das „Publik-Forum“ berichtete weiter: „Schmaus missfällt, dass Ratzinger ‚durchgehend im Ich-Stil‘ schreibt und oft den Eindruck erwecke, ‚die wissenschaftliche Welt hebe erst mit ihm an‘. ‚Sehr oft‘ würden ‚die Arbeiten anderer Forscher abgewertet‘ – in ‚schulmeisterlichem Tone‘. Schmaus sieht ‚in solchen abfälligen Äußerungen nicht den Ausdruck von Unkenntnis, sondern ein bei [Ratzinger] häufig vorkommendes Zeichen der Unterschätzung anderer Forscher‘.“

Tatsächlich habe Ratzinger, wie die Zeitschrift zusammenfasst, „erst Thesen aufgestellt und dann alles Gelesene passend gemacht – oder ignoriert“.

In „Aus meinem Leben“ hatte der damalige Kardinal Ratzinger rückblickend geschrieben: „Soweit ich die Sache begreifen kann, wirkten drei Faktoren zusammen.“ Es handelte sich also bei seiner Beschäftigung mit dem „Drama“ der Habilitation in seiner Autobiografie ausdrücklich um eine persönliche Perspektive, nicht um eine historisch abwägende.

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Gleichzeitig räumte Ratzinger ein, er habe mit einer „für einen Anfänger wohl unangebrachten Schärfe“ die „überwundenen Positionen“ kritisiert.

Zudem spekulierte Ratzinger, es sei Schmaus „gegen den Sinn“ gegangen, „daß ich über ein mittelalterliches Thema gearbeitet hatte, ohne mich seiner Führung anzuvertrauen“. Tatsächlich betreute der Theologe Gottlieb Söhngen die Arbeit, während Schmaus nur Zweitgutachter war.

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Auch das „Ergebnis“ der Habilitation habe Schmaus missfallen. Schmaus habe in seinen Thesen „keineswegs eine getreue Wiedergabe von Bonaventuras Denken“ gesehen, wovon Ratzinger „auch heute noch überzeugt“ war, wie er 1997 schrieb.

So räumt auch das „Publik-Forum“ ein: „Manches, was Schmaus an Ratzingers Arbeit kritisiert, wirkt aus heutiger Sicht kleinlich. An manchen Stellen scheint es tatsächlich, als wolle der etablierte Professor den frechen Emporkömmling in die Schranken weisen. Die Antwort auf die Frage wiederum, welches Offenbarungsverständnis Bonaventura nun hatte, werden die Expertinnen und Experten für den Franziskanermönch suchen müssen.“

Ratzinger reichte wenige Monate nach Ablehnung der Habilitationsschrift den zweiten Teil derselben als eigenständiges Werk ein, weil es dort kaum Änderungswünsche gegeben hatte. So konnte er doch noch habilitieren und seine wissenschaftliche Karriere beginnen, die ihn schließlich zum Erzbischof von München und Freising, zum Präfekten der Glaubenskongregation und zum Nachfolger Petri beförderte.